Neujahrswunsch von P. Otto Bitschnau

Der Neujahrswunsch von P. Otto Bitschnau, OSB

Am Beginn des neuen Jahres stellt dir, gläubiger Erdenpilger, deine besorgte Mutter, die katholische Kirche, Jesus und Maria in der Herz gewinnendsten Liebenswürdigkeit vor und spricht ihren Neujahrswunsch aus in den Worten des Engels: „Nimm das Kind und seine Mutter und ziehe in das Land Israel.“ (Matth. 2) Nimm Jesum, geboren aus Maria der Jungfrau, der dein Weg, deine Wahrheit, dein Leben ist und ziehe himmelwärts deiner Heimat zu. Jesus ist Jedem und Allen. – Allen ohne Ausnahme und Unterschied durch sein Leben und Beispiel, durch seine Lehre und Gnade, der einzige und beste Führer: denn Niemand kommt zum Vater außer durch Ihn.

Bist du Priester und Seelsorger, so nimm Jesum, den guten Hirten, wie Er seine Schafe auf gute Weide führte, wie Er dem einen verirrten suchend nachging, bis Er es gefunden, stets bereit sein Leben hinzugeben für seine Herde: verkünde die göttliche Wahrheit und bekräftige sie durch einen reinen Wandel.

Bist du Vorsteher und Beamter im Staat, so nimm Jesum, wie Er lehrt: dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist, wie Er die Käufer und Verkäufer aus dem Tempel hinaus trieb: Überwache den öffentlichen Anstand und die gesellschaftliche Ordnung, entferne Unsitte und Ärgernisse und befördere das gemeinsame Wohl.

Bist du Lehrer und Erzieher, so nimm Jesum, wie Er unermüdlich die Kleinen zu sich rief, sie herzte und segnete: neige dich freundlich zur Einfalt deiner Zöglinge – der Größten im Himmelreich – herab und pflanze Wissenschaft in ihren Kopf, aber ja auch Frömmigkeit in ihr Herz.

Bist du Gatte oder Gattin, so nimm Jesum, wie Er auf der Hochzeit zu Kana häusliche Freude schaffte und mehrte durch sein Segenswort: wach und bete, daß deine Liebe und Treue des Gatten Lebensfreuden erhöhe, das harte Brot der Sorgen ihm versüße und die Wasser der Trübsale in goldigen Wein umwandle.

Bist du Vater oder Mutter einer Familie, so nimm Jesum, wie Er beim Abendmahl in zärtlicher Liebe seinen Jüngern die Großtaten Gottes erzählte, sie bediente und vor den Versuchungen warnte, ihnen das Brot segnete und den Kelch des Heiles reichte: pflege deine Hausgenossen in Sanftmut und herzlichen Demut, würze ihnen die Nahrung des Leibes mit frommen Gesprächen und gehe mit ihnen zum Tisch des Herrn.

Bist du Sohn oder Tochter, Dienstbote und Untergebener, so nimm Jesum, wie Er im Hause Joseph`s zu Nazareth fleißig und arbeitsam auf jeden Wink gehorchte und durch sein Benehmen wie die Menschen so auch Gott erfreute; sei gehorsam deinen Eltern und Vorgesetzten um Gottes willen, ehre und liebe sie mit herzlicher Dankbarkeit, wenigstens um der göttlichen Verheißung willen, daß du lange lebst, und es dir wohl ergehe auf Erden.

Bist du reich an zeitlichem Besitz, so nimm Jesum, wie Er in der Wüste draußen sich des Volkes erbarmte, Tausende speiste und immer noch zwölf volle Körbe übrig hatte; ziehe an herzliches Erbarmen gegen die Hungernden und Dürftigen, laß dich nicht gereuen das Mehl im Kasten noch das Öl im Krug, der allreiche Herr wird es dir nicht ausgehen lassen.

Bist du arm und von niedrigem Stand, so nimm Jesum, wie Er, ohne eine Höhle gleich den Füchsen des Waldes und ohne ein Nest gleich den Vögeln auf den Wipfeln der Bäume zu haben, seine liebste Speise und Erquickung darin fand, den Willen des Vaters zu tun, der im Himmel ist: sei nicht zu ängstlich besorgt und bekümmert, was du essen und womit du dich bekleiden werdest; das tun die Heiden, du aber bist ein Kind Gottes, der die Vögel täglich nährt und die Lilien prächtig kleidet.

Bist du mit Leiden schwer belastet und von Feinden ringsum bedrängt, so nimm Jesum, wie Er am Ölberg in Bangigkeit und Angst aufseufzt, dreimal voll Ergebung den Vater im Himmel um Erlösung bittet und dann, von einem Engel gestärkt, mutig den Weg nach Golgotha – zur höchsten Verherrlichung antrat: such in deinem Wehe bei dem lieben Gott Trost und Stärkung, lege dich mit kindlichem Vertrauen an sein Vaterherz.

Bist du krank und fast ohne Hoffnung der Wiedergenesung: nimm Jesum, wie Er am Grab seines Freundes Lazarus weinte und zu Martha sprach: „Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an Mich glaubt, wird ewig leben.“ (Joh. 11) –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 3

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