Nutzanwendung über den Sturz der gefallenen Engel
Wer ist wie Gott?
Der Unterricht über die Engel ist in vielfacher Beziehung höchst wichtig für den Christen. So enthält insbesondere die Sünde und der Sturz der Engel neben den bereits erwähnten Lehren die nachdrücklichste Aufforderung, Gott die Ehre zu geben und seiner unendlichen Majestät sich in demütigen Gehorsam zu unterwerfen. – Luzifer war in überaus hohem Grade Gott ähnlich, voll von Weisheit und vollendet an Schönheit; er genoß die Wonne des Paradieses und war mit reichlichen Gaben der Natur und der Gnade wie mit kostbaren Steinen geschmückt (Ez. 28, 12. 13); gleichwohl weigerte er sich, Gott zu gehorchen. Da erhob sich Michael mit seinen Scharen gegen ihn und seinen Anhang. „Wer ist wie Gott?“ war das Losungswort der getreuen Heerscharen, und Luzifer samt seinem Anhang wurde in den Abgrund der Hölle geschleudert und mit Ketten ewiger Gefangenschaft belastet. Hüte dich darum, o Mensch, dem allerhöchsten den schuldigen Gehorsam zu verweigern! So gottähnlich wie Luzifer bist du nicht; so schön und reich geschmückt wie Luzifer bist du nicht; so großen Anhang, wie Luzifer ihn hatte, hast du nicht. Und Luzifer ist gefallen, in den tiefsten Abgrund der Hölle gefallen, um sich nimmer mehr zu erheben, und sein ganzer Anhang ist gefallen, ohne den Fall ihres Anführers auch nur um einen Augenblick zu verzögern. Wirst du, schwaches Erdenkind, dich halten können gegen den allmächtigen und seine Heerscharen? Anstatt wie Luzifer dich gegen deinen Schöpfer durch die Sünde zu empören, ahme vielmehr die treu gebliebenen Engel nach; streite mutig für Gottes Ehre gegen die Mächte der Finsternis; ruhe nicht, bis du, von deinem Schutzgeist unterstützt, den Höllenfeind, der in deinem Herzen an Gottes Stelle herrschen möchte, besiegt hast. „Wer ist wie Gott?“ das sei auch dein Losungswort. Wenn der Glanz irdischer Schätze dich blendet und bezaubert, so rufe: Wer ist wie Gott? Wenn schnell verwelkende Schönheit dich anzieht, so rufe: Wer ist wie Gott? Wenn Eitelkeit und Stolz dein herz beschleicht und eitlen Ruhm dich zu berauschen droht, rufe: Wer ist wie Gott? Wenn dir die Sinnenlust ihr süßes Gift darbietet, so rufe, rufe wiederholt: Wer ist wie Gott? Dieses erhabene Wort des Glaubens sei vorzüglich dein Schild; an ihm werden die feurigen Geschosse des Versuchers abprallen. Du wirst mitten im Verderben der Welt rein bleiben wie ein Engel und im Feuer der Leidenschaft unversehrt wie die hebräischen Knaben im Feuerofen.
Auch davor hüte dich, mein Christ, bei deinem Mitmenschen Satans Stelle zu vertreten, durch Ärgernis und besonders durch Verführung der Unschuld sein Gehilfe zu werden. „Sehet zu“, spricht Christus, „daß ihr keines aus diesen Leinen gering schätzt; denn ich sage euch, ihre Engel im Himmel schauen immerfort das Angesicht meines Vaters, der im Himmel ist.“ (Matth. 18,10) „Wer eines aus diesen Kleinen ärgert, dem wäre es besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.“ Sei vielmehr allen, mit welchen du umgehst, ein guter Engel: nämlich ein schützender Engel durch Wachsamkeit und Hilfe in Gefahren, ein tröstender Engel durch liebreiche Worte und milde Gaben, ein leitender Engel durch weisen Rat, durch Ermahnung, Warnung und Aufmunterung zu jeglicher Tugend. So wird durch dich Gottes Wille wie im Himmel, so auch auf Erden geschehen, und bei deinem hinscheiden wird nicht bloß dein heiliger Engel, sondern es werden auch die Engel derjenigen, an welchen du Schutzengel-Stelle vertreten hast, deine Seele zum Himmel empor vor Gottes Angesicht tragen und sie frohlockend den himmlischen Chören einverleiben.
aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Bd. 1, 1911, S. 220-221