Hl Johannes Verfasser des vierten Evangeliums

Der heilige Evangelist Johannes steht als Greis auf einem Felsen, mit Buch und Schreibfeder in den Händen, zu seinen Füßen ein Adler; Lichtstrahlen vom Himmel erreichen sein Haupt, Zeichen des Heiligen Geistes; im Hintergrund sieht man eine felsige Landschaft

Das Johannesevangelium

II. Der hl. Johannes ist der Verfasser des vierten Evangeliums

1) Johannes (=Gotthold), der Sohn des Fischers Zebedäus und der dem Heiland nahe stehenden Salome (Matth. 27,56; Mark. 15,40), der jüngere Bruder Jakobus` des Älteren, stammte aus Bethsaida am See Genesareth und betrieb in seiner Jugend das Fischer-Handwerk. Zuerst Schüler Johannes` des Täufers, folgte er mit Andreas dem Heiland (Joh. 1,35-51). In das Apostelkolegium berufen, nahm er in ihm die hervorragendste Stelle nach dem hl. Petrus ein (Luk. 8,5; Matth. 17,1; 26,37), war der Lieblingsjünger des Herrn (Joh. 13,23;19,26) und wurde von seinem sterbenden Meister mit der Sorge für die heilige Gottesmutter betraut (Joh. 19,25-27).

Nach der Himmelfahrt Jesu blieb er in Jerusalem bis zum Tode Marias und wirkte in Judäa und Samaria (Apg. 3,4; 8,14-25); später, wohl nach dem Tode des hl. Paulus, weilte er in Ephesus. Hier bildete er in der Folge seine Schüler aus, wie die Bischöfe Papias von Hierapolis, Ignatius von Antiochien, Polykarp von Smyrna. Unter Domitian nach Patmos verbannt, kehrte er unter Nerva nach Ephesus zurück und starb unter Trajan gegen 100 Jahre alt.

2) Dem Apostel Johannes schreibt die älteste Tradition der Kirche unser viertes Evangelium zu. Schon der hl. Ignatius von Antiochien (gest. um 107), Justin der Märtyrer (gest. um 165) und das Muratorische Fragment (2. Jahrh.) kennen es. Der hl. Irenäus, ein Schüler des hl. Polykarp, berichtet: „Danach (nach den drei anderen Evangelien) gab auch Johannes, der Jünger des Herrn, der an dessen Brust ruhte, ein Evangelium heraus, als er in Ephesus weilte.“ Klemens von Alexandrien bezeugt, Johannes habe mit Rücksicht darauf, daß die anderen Evangelisten mehr die menschliche Seite der Person Jesu hervorgehoben, auf Bitten seiner Freunde ein geistiges (pneumatisches) Evangelium geschrieben.

Die inneren Eigenschaften des Johannes-Evangeliums bestätigen die Nachrichten über seinen Verfasser. Der Verfasser ist ein Christ jüdischer Abstammung. Dies erhellt aus seiner Schreibweise sowie aus der genauen Bekanntschaft mit jüdischen Festen und Gebräuchen (Joh. 2,6.13; 4,6; 7,2). Der Verfasser stammt aus Palästina; denn er ist mit den einzelnen Örtlichkeiten vertraut (Joh. 1,28; 3,23; 4,6; 5,2) und über geschichtliche Verhältnisse gut unterrichtet (Joh. 1,29.35; 2,1; 3,2; 18,13). Er ist ein Zeitgenosse Jesu, Zeuge seiner Geschichte, ein Apostel. Er kennt unbedeutende Einzelheiten und Umstände (Joh. 1,39; 4,6; 6,9) und schildert manche Ereignisse so lebendig und anschaulich, wie es nur ein Augenzeuge vermag (Joh. 1,35-51; 4,11). Er ist der Lieblings-Jünger Jesu (Joh. 13,23; 19,26; 21,7.20 mit 21,24). Der hl. Petrus kann dieser Lieblings-Jünger nicht sein, da er 21,20 von ihm unterschieden wird; auch der hl. Jakobus d. Ä. kann es nicht sein, weil er schon i.J. 42 auf Befehl des Agrippa getötet wurde; also kann es nur der Apostel Johannes sein.

3) Die Echtheit des Abschnittes 7,53-8,11 (Erzählung von der Ehebrecherin) wird vielfach angezweifelt. Der Abschnitt fehlt in den ältesten griechischen Handschriften und in vielen alten Übersetzungen. Dagegen enthalten ihn die Vulgata und noch einige andere Übersetzungen. Der hl. Augustin und der hl. Ambrosius suchen die Auslassung mit der Furcht vor Mißverständnissen zu erklären.

4) Nach altkirchlicher Überlieferung waren die ursprünglichen Leser des vierten Evangeliums die Christen von Kleinasien. Der Apostel führt sich bei seinen Lesern nicht erst ein, sondern redet sie als solche an, die ihn schon seit seit langer Zeit als Oberhirten der Provinz Asien kennen (vgl. Joh. 19,35; 20,31). Auf die Christen von Kleinasien führt auch die wenigstens indirekte Bekämpfung der falschen Lehrsysteme, wie der Lehre der Cerinthianer, Ebioniten, Nikolaiten, die am Ende des ersten Jahrhunderts unter den Gläubigen von Kleinasien Verwirrung anrichteten. Diese Christen will der Evangelist im Glauben, daß Jesus der Messias und Sohn Gottes ist, fördern und befestigen, auf daß sie im Glauben an ihn das ewige Leben haben. Dieser Zweck ist 20,31 bestimmt ausgesprochen und wird durch den Inhalt der Schrift bestätigt. Durch Mitteilung einzelner hervorragender Wunder sowie durch Wiedergabe vieler Reden Jesu gibt der Evangelist ein Bild von der Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater (1,14). Daneben will er den Bericht der Synoptiker ergänzen. Darum berichtet er meist Ereignisse, die von den Synoptikern übergangen wurden (vor allem Jesu Wirken in Judäa), oder solche, in die er neue Einzelzüge einfügen konnte (z.B. in die Leidensgeschichte).

5) Nach der alt überlieferten Reihenfolge der Evangelien wurde das 4. Evangelium nach den synoptischen geschrieben. Da die Abfassung des Evangeliums für die Gläubigen in Kleinasien eine längere Lehrtätigkeit des Apostels daselbst voraussetzt, der hl. Johannes aber erst nach dem Tode des hl. Paulus (67) nach Kleinasien kam, fällt die Zeit der Abfassung in die 90er Jahre des ersten Jahrhunderts. Auch die Ausführung 21,20-23 weist darauf hin, daß der hl. Johannes in sehr hohem Alter stand, als er das Evangelium schrieb. Als Ort der Entstehung ist nach der Tradition Ephesus anzusehen.

6) Das Johannes-Evangelium ist nach Inhalt und Form von den drei älteren Evangelien vielfach verschieden. Diese beschreiben fast nur Jesu Lehr- und Wundertätigkeit in Galiläa; das Johannes-Evangelium, das den synoptischen Bericht als bekannt voraussetzt, will diesen ergänzen und vervollständigen und schildert darum hauptsächlich Jesu Wirken in Jerusalem. Ferner enthält das vierte Evangelium zum größten Teil Reden, die der Heiland vor seinen Jüngern oder vor vornehmen, hochgebildeten Juden gehalten hat. Diese Reden sind erhaben, abstrakt und schwer verständlich. Ihren Inhalt bilden vornehmlich die ewige Existenz des Sohnes Gottes, seine Menschwerdung und Wesenseinheit mit dem Vater. Hingegen handeln die Reden des Herrn bei den Synoptikern vornehmlich vom Messiasreich, den Bedingungen zum Eintritt, den Gütern, die es bietet. Sie sind populär und leicht verständlich, weil sie vor dem Volk gehalten wurden.

7) Der hl. Johannes schickt seinem Evangelium eine Einleitung in die Geschichte des öffentlichen Wirkens Jesu voraus (1,1-51). Dann schildert er Jesu öffentliches Wirken, das sich zumeist in Jerusalem abspielte (2,1-12,50). Darauf folgt die Geschichte des Leidens, des Sterbens und der Auferstehung Jesu (13,1-21,23).

Entscheidung der Bibelkommission vom 29. Mai 1907:

Die päpstliche Bibelkommission hat am 29. Mai 1907 erklärt, daß die äußeren geschichtlichen Zeugnisse und die inneren Merkmale des Evangeliums die Echtheit des vierten Evangeliums verbürgen; daß es nicht bloße Allegorien oder lehrhafte Symbole enthalte, und daß insbesondere die Reden des Herrn nicht bloße theologische Kompositionen des Evangelisten seien. Die Grundirrtümer, die dieses Dekret der Bibelkommission veranlaßt hatten, wurden sodann in drei Sätzen des Syllabus vom 4. Juli 1907 verworfen. –
aus: Das Neue Testament, übersetzt und kurz erläutert von P. Konstantin Rösch O.M.Cap., ausgeteilt durch Kriegshilfe Nationale Katholische Wohlfahrts Konferenz New York, 1928, S. 188-190

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