Bekenntnis und Vorrang des Petrus (Mt. 16, 13-19; Mk. 8, 27-29; Lk. 9, 18-20)
1. Das Urteil der Leute über den Menschensohn. 2. Das Bekenntnis des hl. Petrus. 3. Die große Verheißung an den hl. Petrus.
Jesus aber zog mit seinen Jüngern weiter und kam in die Gegend von Cäsarea Philippus. (1) Unterwegs, da er einsam gebetet hatte, und seine Jünger bei ihm waren, fragte er sie: „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“ Sie sprachen: „Einige für Johannes den Täufer (2), andere für Elias, noch andere für Jeremias oder sonst einen aus den Propheten.“ Da sprach Jesus zu ihnen: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Da antwortete Simon Petrus: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (3)
Jesus aber erwiderte und sprach zu ihm: „Selig bist du, Simon, des Jonas Sohn; denn nicht Fleisch und Blut (4) haben dir das geoffenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist. Und ich sage dir: Du bist Petrus (5), und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle (6) werden sie nicht überwältigen. (7) Und dir will ich die Schlüssel des Himmelreichs (8) geben. Und alles, was du binden wirst auf Erden, wird auch gebunden sein im Himmel, und alles, was du lösen wirst auf Erden, wird auch gelöst sein im Himmel.“ (9)
Einige Zeit später verkündet der Herr auch den übrigen Aposteln die Binde- und Lösegewalt, die sie jedoch nur in Unterordnung unter Petrus, den obersten Hirten, dem die Schlüssel des Himmelreichs gegeben sind, üben sollten. (10) In obiger Stelle aber erklärt Jesus deutlich und bestimmt den Petrus (11) als das feste und unerschütterliche Fundament seiner Kirche, an dem alle Anstrengungen der Hölle, seine Kirche, und mit ihr sein Erlösungswerk selbst, zu zerstören, stets fruchtlos abprallen. Jesus selbst ist der eigentliche Grund- und Eckstein seiner Kirche. (12)
Petrus ist hierin sein sichtbarer Stellvertreter auf Erden; desgleichen, da die Kirche dauern soll bis ans Ende der Zeiten, alle seine rechtmäßigen Nachfolger, die römischen Päpste. Wo Petrus ist, wo der Papst ist, da ist eben darum auch die wahre Kirche Christi, die Kirche, die weder äußerlich zerstört, noch innerlich verderbt werden kann, die vielmehr alle Wahrheit und Gnade, alle Schätze des Erlösungswerkes Jesu Christi gegen die Angriffe der Hölle siegreich verteidigt und der Menschheit bis ans Ende der Zeiten treu bewahrt.
Auch die anderen Apostel werden Grundsteine der Kirche genannt (13), aber sie sind es nur in ihrer Vereinigung mit Petrus; Petrus ist es aber für sich selbst, darum ist auch nur zu ihm gesagt: „Auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen.“ Auch den Aposteln wird die Binde- und Lösegewalt übergeben (14); aber sie können dieselbe nur üben in ihrer Vereinigung mit Petrus, dem obersten Verwalter, dem deshalb auch allein die Schlüssel des Himmelreichs gegeben sind.
Wie die Nachfolger Petri Erben der Gewalt des Apostelfürsten sind, so haben auch die Nachfolger der Apostel, die rechtmäßig geweihten Bischöfe, deren Gewalt; sie haben nach göttlicher Anordnung die Kirche zu regieren (15), aber nur mit und unter ihrem Oberhaupt, dem Papst, und jeder in dem ihm vom Papst bezeichneten Teil der Kirche, jeder in der ihm vom Oberhaupt zugewiesenen Diözese. Wer aber den Felsen verlässt, nicht mehr diesen Felsen zum Fundament hat, d. h. wer sich von Petrus und seinem Nachfolger, dem Papst trennt, gehört nicht mehr zu der Kirche, die Christus gebaut hat. (16)
Sehr entschiedenen Ausdruck verliehen die ältesten Christen diesem Glauben, wenn sie Petrus als Moses (17) darstellten, der auf den Felsen schlägt, so dass die Wasserströme der Gnade daraus hervor fließen; oder wenn sie Jesus auf dem Berg darstellten, neben ihm zu beiden Seiten Petrus und Paulus, doch so, dass Petrus von Jesus das Buch oder Gesetz erhält, oder Jesus ihm eine Buchrolle darreicht mit der Inschrift: Dominus, oder Dominus dar legem, Dominus dat pacem. (18)
Anmerkungen:
(1) 10-12 Stunden oder 40-45 km nördlich von Bethsaida.
(2) Wie auch Herodes meinte, wohl weil sie sich in den Tod des hl. Johannes, dieses großen Mannes, noch nicht finden konnten und meinte, er müsse noch irgendwie fortleben oder fortwirken. Elias soll der zweiten Ankunft des Messias, nämlich der zum Gericht, vorhergehen (Mal. 4,5 ; Sir. 48, 10f.); die Juden verwechselten das mit der ersten Ankunft. Jeremias hatte die Lade des Bundes verborgen, stand seinem bedrängten Volk mit seinem Gebet bei; daher nahm man irrtümlich an, er werde zur Zeit des Messias wieder erscheinen und irgendwie bei der Wiederherstellung Israels beteiligt sein. Ähnliches glaubte man auch von anderen Propheten annehmen zu dürfen. Es waren dies unklare Vermutungen, irrtümliche Auslegungen prophetischer Stellen.
(3) Der Sohn Gottes im wahren und eigentlichen Sinn, nicht etwa in dem Sinn, wie Menschen, auch jene größten Propheten, Söhne Gottes heißen. Schon einige Wochen oder Monate vorher hatte Petrus bei der Verheißung des heiligsten Sakramentes in seinem und der anderen Jünger Namen etwas Ähnliches ausgesprochen, aber erst hier verband er mit diesen Worten klar und bestimmt den Begriff der wahren und wesenhaften Gottheit Jesu Christi, wie wir aus den folgenden Worten Jesu schließen müssen. Vgl. Näheres hierüber bei Bartmann, Das Himmelreich und sein König, 119ff. –
Wenn Jesus sich den Sohn Gottes nannte, so tat er es nur in diesem Sinne; wenn aber Juden dies hörten oder auch einzelne, wie Nathanel, ähnliches sagten, so hatten sie dabei immer nur eine mehr oder weniger erhabene Vorstellung von einer ganz besonderen Sendung Jesu, von ganz besonders innigen und gnadenvollen Beziehungen Jesu zu Gott; sie hielten ihn für einen Propheten, wohl auch für den Messias. Aber selbst über den Messias mussten ja ihre Gedanken unklar sein; denn einerseits redeten die Propheten so deutlich von seiner Gottheit, anderseits hinderte der Glaube an die Einheit Gottes die Juden, das Geheimnis der Menschwerdung zu fassen, solange ihnen das Geheimnis der heiligsten Dreifaltigkeit verborgen war.
(4) Nicht aus dir, noch von irgendeinem Menschen hast du diese Erkenntnis und diesen Glauben, sondern durch eine besondere Gnade Gottes; und dafür, wie für deine treue und rückhaltlose Hingabe an diese Gnade, bist du selig zu preisen. „In Kraft der Eingebung des Vaters“, sagt der heilige Papst Leo d. Gr. († 461), „sah Petrus, das Leibliche überwindend und über das Menschliche sich erhebend, mit den Augen des Geistes den Sohn des lebendigen Gottes und bekannte die Herrlichkeit seiner Gottheit.“ (Sermo de transfigur. Domini.)
(5) Wie dir der Vater meine Würde geoffenbart, und du sie bekannt hast, so will ich dir deine Würde offenbaren und will feierlich bekennen, was dein Name Petrus zu bedeuten hat, dessen du dich jetzt so würdig zeigst. Durch diesen Glauben bist du der Fels; darum werde ich auf diesen Felsen, auf dich, meine Kirche bauen, und infolge davon werden die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen.
(6) D. i. die Hölle selbst, die ganze Macht der Hölle. (Vgl. Gn. 22, 17; Richt. 5, 8; Is. 14, 31) Die Worte Jesu erinnern uns an den weisen Mann, der sein Haus auf den Felsen gebaut hat, sowie an den Kampf der höllischen Schlange gegen die Kirche. (Offb. 12, 1ff.)
(7) Auf Grund einer abgekürzten und freien Zitation dieses Textes in Ephräms Kommentar zu Tatians syrischer Evangelienharmonie („Diatessarom“ genannt) glaubte Harnack schließen zu können, dass alles, was wir zwischen der Seligpreisung und dem Satz: „die Pforten der Hölle etc.“ lesen, d. h. „jene Phrasen von Petrus und der Kirche“, erst in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts ins Evangelium eingefügt worden seien. Doch er wird siegreich widerlegt von dem Protestanten Zahn, der (Das Evangelium des Matthäus, Leipzig 1903, 539 am Schluss der Anmerkung) schreibt:
„Wie wäre es denkbar, dass so verschiedenartige Zeugen wie der Verfasser der klementinischen Homilien, Tertullian und Origenes als den einzigen ihnen bekannten Text den katholischen zitiert hätten, wenn dieser erst zu ihren Lebzeiten irgendwo entstanden wäre!“ (Vgl. auch Zahn, Forschungen zur Geschichte des ntl. Kanon I, 163f. 244; II 290f.)
Überdies bieten die Handschriften absolut keinen Anhaltspunkt dafür, dass man die Stelle als späteren Einschub betrachten könnte. –
O. Pfleiderer (Das Urchristentum 518) bekennt von dieser Stelle: „Allen protestantischen Abschwächungs-Versuchen gegenüber kann nicht bezweifelt werden, dass diese Stelle die feierliche Proklamation des Primates des Petrus enthält; er wird für das Fundament der Kirche erklärt, für den Inhaber der Schlüssel, also für den Hausverwalter im Gottesreich und für den souveränen Gesetzgeber, dessen Bestimmung über Verbotenes und Erlaubtes die Kraft göttlich sanktionierter Gesetze habe.“
Um sich aber dieser Beweiskraft der Stelle zu entziehen, lässt Pfleiderer das Matthäus-Evangelium erst zwischen 130 und 140 entstanden sein. Wie wenig jedoch eine solche Datierung des Evangeliums berechtigt ist, siehe oben S. 10f. (siehe: „Matthäus schrieb das erste Evangelium“) Diese Stelle lässt sich einmal nicht weg disputieren; man muss sie stehen lassen als echtes „Herrenwort“, freilich muss man dann billigerweise auch Petri Primat annehmen.
(8) Petrus hat sonach die Schlüssel des Reiches Christi, d. h. die oberste Herrschaft, die Fülle der Gewalt, er führt den Vorsitz, hat die höchste Leitung und Regierung und übt das oberste Lehr- und Richteramt in der Kirche Darum ist die Schlüsselgewalt nur ihm übergeben, während die Gewalt, zu binden und zu lösen, später auch den übrigen Aposteln mitgeteilt wird. Petrus ist eben der Stellvertreter des ewigen Hirten, von dem Gott zum Propheten sagt: „Ich werde den Schlüssel des Hauses David auf seine Schulter legen; er wird öffnen, und niemand wird schließen; er wird schließen, und niemand wird öffnen.“ (Is. 22, 22; vgl. 9, 6; Offb. 3, 7; 1, 18; auch Lk. 11, 52; Offb. 9, 1; 20, 1.)
(9) Die Binde- und Lösegewalt ist die Folge der Schlüsselgewalt. Weil Petrus die oberste Herrschaft, die Fülle der Gewalt in der Kirche Christi besitzt, darum ist er auch der oberste Verwalter ihrer Wahrheiten und Gnaden, der oberste Gesetzgeber und Richter. Was er in Sachen des Glaubens, der Sitten, der Kirchenzucht, der Verwaltung der Sakramente bestimmt und entscheidet, das hat bindende Kraft für die Christenheit. Er kann auch die Gnaden schätze der Kirche zurückhalten oder zuwenden, Sünden und Sündenstrafen vergeben oder behalten; und was er in dieser Beziehung auf Erden tut, erstreckt seine Wirkungen auf den Himmel; es bindet die Gläubigen im Gewissen, so daß ihr ewiges Heil dadurch bedingt ist.
(10) Mt. 18, 18
(11) Die alte protestantische Auslegung, Jesus habe bei den Worten: „auf diesen Felsen werde ich etc.“ auf sich selbst gedeutet, ist ganz willkürlich. Im Widerspruch mit der Auslegung der Väter und der gesamten kirchlichen Überlieferung und ist jetzt als gegen allen vernünftigen Zusammenhang von den Protestanten selbst aufgegeben.
(12) Ps. 117, 22; Is. 28, 16; Dn. 2, 45; Zach. 3, 8f.; Apg. 4, 11; 1. Kor. 3, 11; Eph. 2, 20; 1. Petr. 2, 4ff.
(13) Eph. 2, 20; Offb. 21, 14.
(14) Mt. 18, 18.
(15) Apg. 20, 28.
(16) Über Sinn und Bedeutung dieser Verheißung und der Stellen bei Lk. 22, 32; Joh. 21, 15ff., sowie über den Umfang des Oberhirtenamtes des hl. Petrus überhaupt, vgl. das Vatikanische Konzil, erste dogmatische Bestimmung über die Kirche Christi. (Sess. III. Const. Pastor aeternus etc.)
(17) Vgl. Kaufmann, Handbuch der christlichen Archäologie 340. Petrus als Stellvertreter Christi ist der Gesetzgeber des Neuen Bundes; daher erscheint nur er, wie Moses und Christus, mit dem Stab. (Vgl. auch St. Makarius, † 390, Homil. 26, n. 23: „An die Stelle des Moses ist Petrus getreten, dem die neue Kirche Christi und das wahre Christentum anvertraut wurde.“)
(18) D. i.: „Der Herr“, „der Herr gibt das Gesetz“, „der Herr gibt den Frieden“.
siehe hierzu auch die Beitragsreihe über die Unfehlbarkeit des Papstes als Lehrer der Kirche von P. Franz Xaver Weninger, SJ.
Bildquellen
- petrus-erster-papst: pixabay