Die Parabel vom ungerechten Verwalter (Luk. 16, 1)
1. Vor wem und für wen der Herr die Parabel hielt
Vor allem waren es die Jünger (Luk. 16, 1) im engeren und weiteren Sinne des Wortes; dann aber auch die Pharisäer; denn es wird gesagt, dass sie über die Lehre Jesu spotteten (ebd., 16, 14); endlich wahrscheinlich auch die Zöllner (ebd., 15, 1). Es war also ziemlich dieselbe Zuhörerschaft wie bei den vorhergehenden Parabeln; wenigstens entspricht die Absicht und der Inhalt dieser Parabel diesen verschiedenen Klassen.
2. Welches der Zweck des Herrn bei dieser Parabel ist
Anknüpfend an die vorige Parabel lehrt der Herr auch hier einen Weg zur Seligkeit, aber einen Umweg. Der gerade und richtige Weg ist nach dem Sündenfall die Buße, und diesen Weg zeigte der Herr in der vorigen Parabel vom verlorenen Sohn. Nun gibt es aber auch einen Umweg zur Seligkeit, und der ist der gute Gebrauch des zeitlichen Reichtums, um durch denselben zur Gnade der Versöhnung mit Gott zu gelangen. Den nun lehrt der Heiland in dieser Parabel.
Diese Absicht entsprach nun vollkommen dem Teil der Zuhörer, den die Zöllner stellten. Sie sollten sich die Bekehrung sichern oder sich in derselben erhalten durch Verwendung ihres Geldes auf Werke der Barmherzigkeit. Vielleicht war die Parabel einfach ein tatsächlicher Vorgang aus dem Verfahren der Beamten gegenüber der römischen Einkommensbehörde. Der reiche Mann wäre also der Kaiser (Luk. 3, 12 u. 13; 19, 8). –
Ebenso entsprach die genannte Absicht den Pharisäern, für welche dieses Mittel ebenfalls ein Umweg zur Seligkeit war, da sie die Notwendigkeit der Buße nicht einsahen. Schon einmal hatte der Heiland ihnen diesen Umweg angeraten (ebd. 11, 41). Es ist der letzte und leichteste Weg zum Himmel. –
Die Absicht ist klar ausgedrückt in den Worten: „Machet euch Freunde aus dem ungerechten Reichtum, damit, wenn ihr sterbet, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.“ (ebd., 16, 9)
3. Wie der Heiland diesen Zweck zu erreichen sucht
Der Herr sucht diesen Zweck zu erreichen auf dreifache Weise: erstens durch die Parabel; dann durch andere Beweggründe, die er hinzufügt für alle; endlich durch besondere Beweggründe für die Pharisäer.
Die Parabel enthält manche Beweggründe zum benannten Zweck. Der reiche Mann, der ein Großgrundbesitzer zu sein scheint (Luk. 16, 5-7), ist gut und wohlwollens, wacht aber auch über sein Vermögen, zieht zur Rechenschaft (ebd., 16, 2) und straft, aber wie man einen Edlen straft, durch Enthebung aus der Würde (ebd.). Der reiche Mann ist Gott in seiner Güte, Weisheit und Gerechtigkeit. –
Der Verwalter ist leichtsinnig (ebd., 16, 1), träge (ebd., 16, 3), unehrlich, aber klug und gescheit in seiner Weise (ebd., 16, 3-7). Der Verwalter ist der Mensch im Gebrauch und Missbrauch des vielen Zeitlichen, das Gott ihm anvertraut.
Die List des Verwalters ist keine Sünde
Auch der Mensch braucht kluge List, wenn er durch Werke der Barmherzigkeit sich die Armen zu Freunden macht, die durch ihr Gebet ihm die Gnade der Bekehrung erwirken und so für seine Zukunft sorgen. Die Schuldner sind also die Armen und alle Menschen als Freunde und Kinder Gottes, denen man Gutes tut. Sie nehmen den wohltätigen Reichen gleichsam in Verköstigung, indem sie beten und indem Gott die guten Werke, aus Liebe zu ihm geübt, gleichsam als Schuld ansieht, die er bei dem Reichem stehen hat, und indem er den Reichen als Zins und Abschlag die Gnade der Bekehrung gibt. Die Schuldner sind die einzigen, die der Verwalter durch sein Amtsansehen und ohne seinen Schaden gewinnen kann.
Der reiche Mann lobt an dem Verwalter die Klugheit und List, mit welcher er für seine Zukunft sorgt, nicht die Ungerechtigkeit. In der Tat kann man der List als solcher die Anerkennung nicht versagen. –
Als Beweggründe, in besagter Weise es dem Verwalter nachzutun, finden sich hier also erstens die Gewissheit der Rechenschaft über die Verwaltung, zweitens die Strafe, drittens die leichte Art, sich zu versorgen, und endlich die Willigkeit des Herrn, solcher Klugheit Rechnung zu tragen. Er muntert geradezu zu dieser heiligen List auf, indem er auf das Beispiel der Weltkinder hinweist, die „in ihrem Geschlecht“ (d. h. in ihrem geschäftlichen Verkehr untereinander) klüger sind als die Kinder Gottes (Luk. 16, 8).
Er wendet auch die Parabel ausdrücklich auf die Werke der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit an und zeigt, wie man den „Mammon der Ungerechtigkeit“ (sei es nun, dass er das Geld ungerecht nennt bezüglich der Art, wie es oft erworben wird, oder bezüglich der Art des Gebrauchs, indem man es zur Sünde missbraucht) zu Gutem und zum Seelengerät anwenden kann (ebd., 16, 9).
Die List der Verwalters ist ein gutes Werk
So ist die List unschuldig und keine Sünde, sondern ein gutes Werk und bringt Gutes hervor.
Zweitens fügt der Heiland zum selben Zweck für alle noch andere Gründe hinzu, die namentlich für die Zöllner gelten mochten. Er sagt zuerst, durch den guten Gebrauch des Geldes und die gute Verwaltung des Zeitlichen, das an und für sich „das Geringste“ (ebd., 16, 10) ist und sehr oft „ungerecht“, eitel und gefährlich (ebd., 16, 11) und nicht das eigentliche Gut unserer Seele, sondern ihr „fremd“ ist (ebd., 16, 12), befähigen wir uns zum rechten Gebrauch des „Größeren“, „Wahren“ und „Eigenen“, d. h. der Gnade und der Heilsmittel nach dem allgemeinen Sprichwort, dass wer in Kleinen treu sei, es auch im Großen sein werde. –
Ferner fügt der Heiland hinzu, man könne endgültig nicht zwei Herren dienen, die sich entgegen sind, wie Gott und der Reichtum, sondern nur so, dass der eine dem andern untergeordnet sei. Man müsse also dem Geld so dienen, daß es dem Heil nicht schade, sondern ihm förderlich sei (Luk. 16, 13).
Die Schlechtigkeit und Verderbtheit der Pharisäer
Drittens hat der Heiland zu demselben Zweck noch einige Beweggründe für die Pharisäer. Anlass dazu gaben die Pharisäer selbst, nämlich dadurch, dass sie über den Rat des Heilandes spotteten (ebd., 16, 14). Den Grund zu diesem Spott nahmen die Pharisäer gerade aus ihrem Reichtum, in dem sie eine göttliche Belohnung für ihre Gesetzgerechtigkeit sahen; man könnte also entgegen den Worten Jesu (ebd., 16, 13) dieser zwei Herren Dienst wohl vereinigen.
Ihre Gesetzgerechtigkeit war aber nur innere Schlechtigkeit und Verderbtheit. Diese Schlechtigkeit bestand darin, dass sie voll Habsucht und Geldgeiz waren (ebd.) und sich selbst eine Heiligkeit beimaßen, die keiner Buße und keiner Reinigung durch Almosen bedürfte. Dieses letzte nun führt der Heiland aus, indem er sagt, ihre Selbstgerechtigkeit und Heiligkeit könne als solche allenfalls vor den Menschen angehen, vor Gott aber sei sie ein Gräuel (ebd., 16, 15), und er beweist es aus zwei Gründen.
Erstens das alte Gesetz und die Propheten reichten als Vorbereitung bloß bis auf Johannes, jetzt sei das Messiasreich erschienen, und sie vergewaltigten das Evangelium und raubten es dem Volk (ebd., 16, 16). Zweitens, sie modelten und erklärten das Sittengesetz selbst nach ihren schmutzigen Leidenschaften, so z. B. das Gesetz der Ehescheidung, das nach ihrer Auffassung und Lehre einfach den Ehebruch befördere und schütze; das Gesetz lasse sich aber als Gottes ewige Anordnung auch nicht in einem Titelchen umbeugen und werde sie deshalb als Gesetzverderber richten und verdammen (ebd. 16, 17 u. 18). –
Aus allen diesen Gründen hatten sie Buße oder wenigstens die Übung des Almosengebens sehr notwendig, ja noch nötiger als die andern.
Die Lehre des Heilandes ist von enormer Wichtigkeit
Die Lehre des Heilandes ist von außerordentlich großer, praktischer Wichtigkeit, weil sie uns vom Zeitlichen einen richtigen Begriff und Gebrauch lehrt und einen Umweg zur Seligkeit eröffnet. Wie unzählig viele Reiche, die in den Gefahren des Reichtums zu Grunde gegangen wären, haben durch Befolgung dieses Rates den Weg zum Himmel gefunden! Es sind Almosen und Werke der Barmherzigkeit ein sicherer Weg, weil der Heiland ihnen den Himmel verspricht (Tob. 4, 11; 12, 9) und auf sie hin die Gnade der Bekehrung erteilt.
Sie sind aber nicht bloß ein sicherer, sondern auch ein angenehmer Weg, Gott segnet ihn mit Trost, mit Milde des Herzens und mit neuer Lust am Wohltun, und dann ist der Himmel leicht zu gewinnen (Is. 58, 7f.).
Was sind wir dem Herrn Dank schuldig für seine Güte, die uns auf alle Weise den Himmel zuwenden will! Es ist aber auch klar, wie verwerfungswürdig die Pharisäer waren, die in ihrem Hochmut und in ihrer Schlechtigkeit selbst diesen Weg verschmähten. Es ist bemerkenswert, wie der Heiland ausdrücklich ihnen ihren Geiz (siehe: Von der Hauptsünde des Geizes) und ihre Unsittlichkeit zur Last legt. –
aus: Meschler, Moritz SJ, Das Leben unseres Herrn Jesu Christi, Bd. 2, 1912, S. 39 – S. 44
Bildquellen
- Teachings_of_Jesus_31_of_40._parable_of_the_unjust_steward._Jan_Luyken_etching._Bowyer_Bible: wikimedia