Die guten Hirten auf dem Stuhl Petri
Der heilige Papst Bonifatius I. (regierte von 418-422)
Der heilige Bonifatius I. war der Sohn eines Römers namens Secundius, der nach dem Tod seiner Gattin selbst in den Priesterstand trat; sein Sohn Bonifatius folgte ihm in den heiligen Stand nach. Am 29. Dezember des Jahres 418 sogleich nach der Beisetzung des verstorbenen Papstes wurde der bejahrte und hochverdiente Priester Bonifatius der Ordnung gemäß unter der Beistimmung des Volkes trotz seines Widerstrebens zum Papst gewählt und am folgenden Sonntag in der Kirche des heiligen Marcellus zum Bischof geweiht.
Dennoch erkühnte sich eine kleine Partei, ihm in der Person des Erzdiakons Aulalius zu gleicher Zeit einen Gegenpapst gegenüber zu stellen. Der Bischof von Ostia wurde gezwungen, diesen zu weihen. Ein heidnischer Beamter der Stadt Rom begünstigte die Gegenpartei und wusste dem Kaiser Honorius die Sache so darzustellen, dass dieser ohne weiteres befahl, die Wahl Eulalius für rechtmäßig zu erklären und Bonifatius zu verjagen, wenn er nicht nachgebe.
Die Anhänger des Eulalius waren voll Jubel und ließen ihren Papst in der Laterankirche das heilige Opfer darbringen. Indes ruhten die Anhänger des rechtmäßigen Papstes nicht. Sie schrieben an den Kaiser und berichteten ihm den wahren Sachverhalt. Da rief der Kaiser die beiden, den Papst und den Gegenpapst, für den 8. Februar vor eine Kirchenversammlung nach Ravenna. Da dort die Angelegenheit nicht entschieden werden konnte, wurde eine neue Versammlung nach Spoleto berufen; an der auch die Bischöfe von Frankreich und Afrika teilnehmen sollten. Inzwischen aber sollte jeder der beiden Päpste sich von der Stadt Rom fern halten, die Oster-Feierlichkeiten daselbst aber der Bischof Achilleus von Spoleto vornehmen.
Da aber der Gegenpapst Eulalius trotzdem in Rom eindrang und dort große Unruhen hervorrief, erklärte der Kaiser schon am 3. April Bonifatius für den rechtmäßigen Papst und befahl, den Eulalius gewaltsam zu entfernen. Infolgedessen wurde auch die Versammlung in Spoleto wieder abgesagt. Eulalius wurde zum Bischof von Nepi ernannt; er verzichtete aber auf diese Würde im Jahre 421 und starb bald darauf.
Um solche ärgerliche Vorkommnisse für die Zukunft zu verhüten, bestimmte der rechtmäßige Papst im Jahre 420 zu einer Erklärung, dass bei uneinigen Wahlen keiner der Gewählten den päpstlichen Stuhl besteigen, sondern eine neue Wahl stattfinden sollte.
Papst Bonifatius musste all seinen Ernst anwenden, um die Rechte des Heiligen Stuhles zu wahren. Schon im Jahre 381 hatte man versucht, den Patriarchen von Konstantinopel auf Kosten der päpstlichen Rechte zu erhöhen. Später versuchte es wiederum Patriarch von Konstantinopel, dem Papst das Recht abzusprechen, ohne seine Einwilligung einen Bischof seiner Provinz auf einen andern Stuhl zu versetzen. Der junge unerfahrene Kaiser Theodosius begünstigte diese ungerechtfertigten Ansprüche.
So führte die Teilung des römischen Reiches schließlich dahin, dass man auch die Einheit der Kirche zerreißen wollte. Wenn der Vorrang und das Ansehen der Päpste in früheren Jahrhunderten nicht so fest begründet worden wären, so wäre schon jetzt auch in der Kirche eine Trennung herbeigeführt worden! Und wäre die Einheit im Oberhaupt verschwunden, so wäre es auch um die Einheit im Glauben geschehen gewesen.
Es handelte sich also in diesem Streit nicht bloß um die Frage des Vorranges, sondern um die Einheit in der katholischen Kirche. Wir haben schon früher erzählt, dass bei der Teilung des römischen Weltreiches in Ostrom und Westrom die Provinz Illyrien zu Ostrom kam und so vom Patriarchat Rom getrennt wurde. Darum hatte schon Papst Anastasius I., der seine Rechte auf dieses Land aufrecht hielt, den Erzbischof von Thessalonich als seinen Stellvertreter in diesem Lande aufgestellt. Papst Innozenz I. hatte im Jahre 402 dazu noch bestimmt, dass die Bischöfe dieses Landes nur von dem Bischof von Thessalonich oder in seinem Auftrag geweiht werden dürfen.
Und Papst Bonifatius hat nun alle diese Rechte ebenfalls bestätigt. Da einige Bischöfe vom Illyrien damit nicht einverstanden waren, wandten sie sich an den Patriarchen Attikus von Konstantinopel. Dann schrieben sie auf dessen Veranlassung eine Kirchenversammlung nach Korinth aus. Aber der Papst erklärte die Berufung einer solchen Versammlung für ungültig, weil sie nicht von dem allein dazu berechtigten päpstlichen Stellvertreter, dem Bischof von Thessalonich, ausgegangen war. Er schrieb daher an diesen Bischof und ermahnte ihn, die Anmaßungen des kaiserlichen Patriarchen abzuweisen und nicht zu dulden, „dass die Vorrechte des Heiligen Stuhles geschmälert werden.“
Auch an die Bischöfe von Thessalien schrieb der Papst: „Es ist bekannt, was die Kirche von Rom ist. Was das Haupt für den Leib ist, das ist Rom für alle über den Erdkreis zerstreuten Kirchen. Der große Athanasius, Patriarch Flavian von Antiochia, der heilige Chrysostomus von Konstantinopel haben nie unterlassen, sich an den Nachfolger des heiligen Petrus zu wenden. Ihr Beispiel beweist hinreichend die Überlieferungen der morgenländischen Kirchen.“
Der standhafte Papst siegte auch endlich in diesem Streit. Der junge Kaiser Theodosius musste nachgeben. Die Einheit der Kirche blieb unverletzt und die Oberhoheit des römischen Bischofs erhalten. Ein nicht minder wachsames Auge hatte der Papst auf die scheinbaren unbedeutendsten Verhältnisse. Es herrschte unter den Gläubigen in Rom die lobenswerte Gewohnheit, in den Katakomben, an den Gräbern der Märtyrer gemeinsam zu beten. Die Reichen veranstalten bei solchen Gelegenheiten sogenannte Liebesmahle.
Doch alsbald nahm der Papst wahr, dass diese in weltliche Gelage ausarteten. Sogleich verordnete er darum, die Gläubigen sollten sich nicht mehr an den Abenden, sondern bei Tag versammeln und die Vorabende der Märtyrer durch Fasten feiern. Die Frauen entfernte er ganz vom Altardienst. Selbst gottgeweihte Jungfrauen sollten nicht mehr am Altare dienen, wie es bis dahin Sitte war.
Außerdem fand der Papst noch Zeit und Mittel, Kirchen zu restaurieren und kostbar zu schmücken. Viel verdankt ihm die Katakombe der heiligen Felicitas, für die er eine Kapelle baute. Während der Regierung des Papstes Bonifatius erduldeten die Christen im fernen Osten, in Persien, wiederum eine schwere Verfolgung.
Nur zu bald entriss der Tod den edlen Oberhirten der Kirche und der Stadt Rom. Die Grabschrift lobt besonders seine Bescheidenheit und Sanftmut. Der heilige Augustin bezeugt, dass dieser Papst die Gnade Gottes in einem besonders hohen Grade besessen habe. Kurz vor dem Papst war im Jahre 420 der heilige Hieronymus, der stets ein strenges Bußleben geführt hatte, zur himmlischen Herrlichkeit eingegangen. Am 4. September des Jahres 422 folgte ihm der Papst im Tode nach. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 97 – S. 99
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