Die Päpste der Katakomben
Heiliger Viktor I. (regierte von 189-199)
Als dieser Papst seine Regierung antrat, herrschte in der ewigen Stadt die furchtbarste Verwirrung. Drei Kaiser waren innerhalb sechs Monaten ermordet worden, während drei Feldherren sich um den kaiserlichen Thron stritten. Wer den Soldaten das meiste Geld versprach, dem setzten sie die Kaiserkrone auf. Papst Viktor, ein glaubenseifriger Mann, der sich seiner hohen Stellung und seiner Pflichten wohl bewußt war, kümmerte sich um das Kriegsgetümmel nicht, sondern war, furchtlos bei den ihn umgebenden Gefahren, nur darum besorgt, seine Kirche in dieser schweren Zeit zu schützen. Unter seiner Regierung tauchte auch die schon unter Papst Anicet behandelte, aber nicht entschiedene Frage wieder auf, an welchen Tagen die Auferstehung Jesu Christi gefeiert werden sollte. Papst Viktor erkannte, wie nötig die Einheit für die Kirche sei und versammelte daher die Bischöfe zu Rom zur Beratung über die Osterfeier. Da sowohl die Bischöfe des Morgenlandes wie die des Abendlandes ihren Gebrauch für den besseren hielten und beide Parteien sich auf die Apostel beriefen, wollte niemand nachgeben. Schon drohte ein ernster Streit auszubrechen, als es dem heiligen Irenäus, Bischof von Lyon, gelang, die Gemüter wieder zu beruhigen. Freilich kam auch diesmal keine Einigung zustande, doch schieden die Bischöfe in Frieden voneinander, blieben aber bei ihrem bisherigen Gebrauch.
Eine ziemlich große Partei von Christen machte sich während der Regierung des Papstes Viktor durch eine überaus große Strenge im Bußwesen bemerkbar; sie hieß nach ihrem Führer, einem gewissen Montanus, die Partei der Montanisten. Papst Viktor selbst wurde anfangs durch ihre große sittliche Strenge getäuscht und gewährte dieser Partei sein Wohlwollen und seinen Schutz. Doch bald musste er, durch seine Ratgeber über die übertriebenen Bestrebungen dieser Partei genauer unterrichtet, gegen sie einschreiten. Da aber die Anhänger des Montanus dem Papst nicht folgen wollten, sondern bald auch irrige Lehren verbreiteten, musste der heilige Viktor sie zuletzt von der Kirche ausschließen. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 43 – S. 44
Er war ein Afrikaner und bewährte sich als ein würdiger Nachfolger der Apostel, indem er unermüdlich für die Reinerhaltung der überlieferten Lehre eiferte. Die Osterfrage wurde unter ihm wieder aufgerollt. Es war noch bezüglich des Tages, an welchem dieses hehre Fest gefeiert werden sollte, keine Einigung erzielt worden. Viktor hielt in Rom eine Synode betreffs dieser Feier ab und forderte, daß allenthalben in den verschiedenen Kirchen solche Versammlungen abgehalten werden. Man kam auch dieser Aufforderung und einigte sich dahin, mit der römischen Kirche Ostern am Sonntag zu feiern. Nur die Kirche Kleinasiens wollten sich nicht dazu verstehen: sich auf den heiligen Apostel Johannes berufend, feierten sie das Osterfest mit den Juden an dem jeweilig einfallenden Wochentag. Es handelte sich allerdings bei dieser Frage nur um eine Sache der Kirchendisziplin und nicht um eine Glaubenslehre. Aber bei dieser Anbequemung an die Juden stand zu befürchten, daß man daraus die Folgerung ziehe, es sei noch jetzt für die Christen notwendig, die jüdischen Gebräuche zu beobachten. Eine solche Anschauung würde aber gegen die Kirchenlehre verstoßen. Zudem war es wohl sehr wünschenswert, daß das erhabenste Fest des Christentums allenthalben in der Kirche an einem und demselben Tage gefeiert werde. Daher trat Viktor energisch auf und bedrohte die Ungehorsamen mit Ausschluss aus der Kirchengemeinschaft. Irenäus jedoch machte dem Papst eindringliche Vorstellungen, er möge nicht so streng verfahren, da es sich doch nur um eine Verschiedenheit in der Kirchendisziplin handle, die auch frühere Päpste geduldet hätten. Papst Viktor blieb daher mit diesen Kirchen in Gemeinschaft, erreichte aber doch, daß dieselben sich nach und nach der römischen Praxis anschlossen. Endlich wurde durch das allgemeine Konzilium von Nicäa (325) die römische Osterfeier allgemein Brauch und Gesetz, wie sie heute noch besteht.
Außer der Osterfrage beschäftigten diesen Papst die verschiedenen Irrlehrer, welche damals auftraten. Ein gewisser Theodot aus Byzanz, der Gerber genannt, hatte in der letzten Christenverfolgung den Glauben verleugnet. Um sich der Verachtung in seiner Vaterstadt und der Kirchenbuße u entziehen, begab er sich nach Rom. Als er daselbst erkannt und ihm sein Abfall vorgeworfen wurde, behauptete er, er habe ja nicht Gott, sondern nur einen Menschen verleugnet. Er leugnete somit, daß Christus wahrer Gott sei und suchte diese Lehre auch in Rom zu verbreiten. Viktor trat gegen ihn auf und schloß ihn aus der Kirche aus. Zur selben Zeit trat ein anderer, Theodot der Wechsler, genannt, auf und lehrte, Melchisedek sei größer als Christus gewesen. Die Anhänger dieser Irrlehre wurden Melchisedekianer genannt. Weitere Irrlehrer waren die sogenannten Antitrinitarier, Leugner der Heiligsten Dreifaltigkeit. Zu diesen gehörten jene, welche behaupteten, Christus sei von der Person des Vaters nicht verschieden, sondern Christus und der Vater sei eine und dieselbe Person. Es habe also der Vater für uns gelitten. Deshalb wurden diese Irrlehrer Patripassianer genannt. Allen diesen Irrlehrern setzte Viktor energischen Widerstand entgegen und übte mit unermüdlichem Eifer sein Oberhirtenamt zum Wohle der Gläubigen aus.
Da um diese Zeit der damalige Kaiser Septimius Severus den Christen noch günstig gesinnt war, so ist Viktor vielleicht eines natürlichen Todes gestorben. Er wurde stets als Heiliger verehrt. Mit ihm endet das zweite Jahrhundert der christlichen Kirche. Wir sehen, wie auch in diesem Jahrhundert das Wort des Herrn an Petrus sich in dessen Nachfolgern erfüllt hat. Petrus lebte in den Päpsten fort. Sie sanken nacheinander in das Grab, aber das Amt Petri, das Papsttum blieb und bleibt als der Fels der Kirche. So spärlich die Dokumente sind, welche uns die Geschichte von der Wirksamkeit und dem Einfluß der Päpste dieses Jahrhunderts aufbewahrt hat, so verkünden sie uns doch die Tatsache, daß bei allen Zweifeln über die christliche Lehre die römische Kirche, der Papst, vorerst angegangen wurde, daß die Rechtgläubigen bei ihm Belehrung holten, die Irrlehrer dort Anerkennung zu erhaschen suchten. Daß die Päpste als Petri Nachfolger und als Oberhirten der Kirche angesehen wurden und daß sie dieses Amt beansprucht und ausgeübt haben. Es beweist dieses Jahrhundert, wie Irenäus am Ende desselben schreibt, daß die römische Kirche die größte, die von den glorreichsten Aposteln Petrus und Paulus gegründete ist, daß wegen ihres höheren Vorranges die Gläubigen der ganzen Welt mit ihr übereinstimmen müssen.
Durch die Päpste wurde nicht nur die Einheit in der Regierung und Leitung des Reiches Gottes auf Erden, sondern auch die Einheit in Lehre und Glauben, sowie die Einheit und Reinheit in der Gottesverehrung unerschütterlich schon in dem zweiten Jahrhundert, das ist in dem ersten nach dem Jahrhundert der Apostel, hoch gehalten. –
aus: Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste, I. Band, 1907, S. 110 – S. 111