Die wahre Religion muss durch Wunder beglaubigt sein
Der hl. Pantaleon hatte den ganz vernünftigen Grundsatz: „Taten sprechen lauter als Worte!“ als er die Worte hörte, die Hermolaus zu ihm sprach über einen himmlischen und göttlichen Arzt, fand er es möglich, daß es einen solchen Arzt geben könne; als er aber die Tat sah, durch welche dieser himmlische Arzt die Schlange tötete und das tote Kind belebte, war er überzeugt, daß dieser himmlische Arzt wirklich existiere und in Wahrheit der „Herr über Leben und Tod“ sei. Diesen Grundsatz machte auch Jesus Christus zu dem seinigen, indem Er an den gesunden Verstand appellierte: „Wenn ihr Mir nicht glauben wollet, so glaubt wenigstens meinen Werken.“ (Joh. 10) Dieser Grundsatz ist auch der der katholischen Kirche, aber nur der katholischen Kirche, weil sie allein unter allen bestehenden Religionen die Wahrheit ihrer Lehre durch göttliche Taten, durch Wunder, beweisen und bezeugen kann. Und es ist leicht einzusehen, daß die wahre Religion durch Wunder beglaubigt sein muß, daß Wunder notwendig sind.
1. Es ist gewiß, daß der Mensch sich nicht selbst erschaffen hat, sondern daß er von Gott erschaffen worden ist. Es war notwendig und selbstverständlich, daß der Schöpfer dem Geschöpf seine Bestimmung gab, daß Gott dem mit Freiheit ausgerüsteten Menschen sagte, was er zu tun habe, um diese Bestimmung zu erreichen. Es war notwendig, daß Gott diese Lehren und Vorschriften als seine göttliche Anordnung dem Menschen zur Kenntnis bringe und beglaubige, daß Er dies durch Wunder tue, weil taten eben lauter sprechen als Worte. Nun ist es die größte geschichtliche Tatsache, daß Gott wirklich den Menschen von Anfang an durch die Patriarchen, Propheten, durch Jesus Christus selbst und seither durch die katholische Kirche über seine Bestimmung, Pflichten, Ziel und Ende auf`s deutlichste belehrt und die Glaubwürdigkeit dieser Lehrer durch Wunder bestätigt hat, durch Taten, welche der gebildetste Philosoph und der einfachste Landmann mit gleicher Gewißheit als Werke des lebendigen Gottes und Zeugnisse für seine Lehre anerkennen müssen.
2. Es ist gewiß, daß wir Menschen es lebenslänglich mit dem lebendigen Gott, der die Güte, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit selbst ist, zu tun haben. Was ist da wohl angemessener, als daß dieser lebendige Gott, je nachdem wir i einer besondern Not seine Hilfe anrufen, oder durch eine besondere, für Andere gefährliche Schlechtigkeit seine Ordnung stören und seinen Zorn reizen, auch durch außerordentliches Einschreiten, d.h. Durch ein Wunder, seine Güte oder Gerechtigkeit offenbare? Hätten wir es nur mit einem toten, eingebildeten Gott zu tun, dann könnte freilich von Wundern keine Rede sein. So aber sind die vielen Wunder, wie solche die heilige Schrift und die ganze Geschichte der katholischen Kirche berichtet, ein Jedermann verständliches Zeugnis, daß die von Jesus Christus gestiftete Religion die göttliche, heilige und allein wahre sei.
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 561-562