Warum das Ave der Gottesmutter Maria sehr angenehm ist
und
Welche Gnaden mit dem Gruß verbunden sind
Hl. Mechtildis
Die heilige Mechtildis erzählt: „ Am Sonnabend, da gesungen ward im Eingang der heiligen Messe: „Sei gegrüßt, heilige Mutter!“ sprach die Seele zu der Jungfrau Maria: „Eja, wenn ich dich nur, o allersüßeste Königin der Himmel. Grüßen könnte mit dem Gruß, welchen ein ein menschliches Herz noch nie erdacht hat, das täte ich am liebsten.“ Und zur Stunde erschien ihr die glorwürdige Jungfrau und trug an ihrer Brust geschrieben mit goldenen Buchstaben den englischen Gruß. Sie sprach: „Über diesen Gruß hinaus ist noch nie ein Mensch gekommen. Auch mag mich kein Mensch süßer grüßen, denn der, welcher mich grüßt mit jener Ehrerbietung, in welcher mich Gott der Vater gegrüßt hat durch das Wort „Ave“, indem er mich durch seine Allmacht erwählte, daß ich frei von allem Wehe der Schuld und Strafe sein sollte. Auch hat mich der Sohn Gottes mit seiner göttlichen Weisheit also durchleuchtet, daß ich ein glänzender Stern bin, durch welchen Himmel und Erde erleuchtet wird; solches ist bezeichnet durch den Namen „Maria“, das ist „Stern des Meeres“. Auch der heilige Geist hat mich mit seiner göttlichen Gnade so reich gemacht, daß ein Jeder, welcher durch mich Gnade sucht, dieselbe findet: solches bedeuten die Worte: „Du Gnadenvolle“. In den Worten: „Der Herr ist mit dir“, werde ich an die unaussprechliche Vereinigung Gottes gemahnt und an das Geheimnis, welches in mir die ganze Dreifaltigkeit vollbracht hat, da sie die Wesenheit meines Fleisches mit der göttlichen Natur zu einer Person vereinigte und Gott Mensch geworden ist. Welche Freude und Seligkeit ich in dieser Stunde empfunden, vermag kein Mensch vollkommen zu erfahren. Durch das Wort „Du bist gebenedeit unter den Weibern“ erkennt und bezeugt alle Kreatur mit Verwunderung, daß ich gesegnet und erhöht bin über alle Geschöpfe, über himmlische und irdische. Durch die Worte „Gebenedeit ist die Frucht deines Leibes“ wird gepriesen und erhoben die hochherrliche Frucht meines Leibes, welche lebendig macht, heiligt und in Ewigkeit segnet alle Kreaturen.“ – (Buch der geistl. Gnaden.)
Selige Johanna von Frankreich
Die selige Johanna von Frankreich hat oft und inständig Unsere L. Frau angefleht, ihr doch zu offenbaren, welches Gebet ihr wohl am meisten gefalle. Und Maria eröffnete ihr auch, daß ihr nichts angenehmer sei als das Ave Maria. (Auriema.)
Gottseliger Thomas von Kempis
Der gottselige Thomas von Kempis hat seinen Schülern im Kloster oft zugerufen: „Grüßet Maria mit dem englischen Gruß, denn diese Stimme hört sie sehr gerne. Sobald ich die seligste Jungfrau mit den Worten des Engels anrede und sage: „Gegrüßt seist du, Maria!“ so frohlockt der Himmel, die Erde staunt, der Satan zieht sich zurück, die Hölle zittert, die Traurigkeit weicht, die Freude kehrt wieder, das Herz zerschmilzt in Liebe, und heilige Andacht durchglüht es. Ja, ich fühle einen solchen Trost in meinem Herzen, daß ich nicht im Stande bin, dieses mit Worten auszudrücken! (In vita.)
Hl. Alphons Liguori
Der hl. Alphons Liguori schreibt in seinem Buch von der Herrlichkeit Unserer Lieben Frau: „Das Ave, dieser Gruß des Engels, ist der allerseligsten Jungfrau sehr angenehm, denn es scheint, als ob man ihr alsdann die Freude, die sie empfand, als der Erzengel Gabriel ihr verkündigte, sie sei die Mutter geworden, erneuere.“ In dieser Absicht soll also ein treuer Diener Unserer Lieben Frau sie oft begrüßen.
Der selige Petrus von Lutzenburg betete jedesmal, bevor er eine Speise zu sich nahm, auf den Knien und das Antlitz tief zur Erde geneigt, 100 Ave Maria, und das tat er täglich.
Hl. Thomas von Aquin
Der heilige Thomas von Aquin wurde als ein kleines Kind von seiner Amme seiner Mutter Theodora in das Bad nachgetragen. Als diese sich an dem gewöhnlichen Platz nieder gelassen hatte, um die Stunde des Bades abzuwarten, sah sie, daß Thomas in seiner Hand ein Blättchen Papier hielt, ohne daß sie begreifen konnte, wie dasselbe in die Hände des Knaben an diesem Platz gekommen sei. Sie versuchte die Hand des Knaben zu öffnen, aber dieser weigerte sich mit Tränen. Man musste ihn im Besitz des Papiers lassen und ihn nach Hause bringen, ohne daß er nur einen Augenblick die Hand öffnete. Dieser auffallende Widerstand des bisher so willigen Kindes reizte die Neugier seiner Mutter, und sie suchte die Hand ihres Sohnes ungeachtet seines Schreiens und Jammerns zu öffnen. Auf dem Blättchen Papier standen bloß die Worte Ave Maria. Ehe aber die Mutter Zeit hatte, daß Blättchen zu nehmen, hatte es der Knabe zum Mund geführt und verschluckt, woraus auf seine nachher bewunderte Weisheit und seine fast himmlische Reinheit zu schließen ist. (Marchantius.)
Hl. Katharina von Siena
Die heilige Katharina von Siena hatte beständig den frommen Gebrauch, Maria mit dem Gruß des Engels eifrigst zu verehren; daher betete sie denselben immer, wenn sie ein Marienbild sah oder irgend eine Arbeit anfing. Sogar beim Auf- und Absteigen der Stiegen pflegte sie oft auf jeder Stufe einzuhalten, um das Ave Maria zu beten, wodurch, wie ihr Geschichtsschreiber Raimund bemerkte, ihr die Gnade einer beständigen, himmlischen Reinigkeit zu Teil wurde.
Hl. Theresia
Die heilige Theresia verehrte Maria mit dem englischen Gruß von Kindheit an, so oft sie nur Gelegenheit dazu fand. Sie suchte daher die Einsamkeit auf und floh alle Gemeinschaft mit den Menschen, um dieser Andacht zu Unserer L. Frau besser abwarten (= pflegen) zu können, woraus nachher erfolgte, daß sie von Maria an Kindesstatt angenommen und durch ihren Schutz und ihre Fürbitte zu großer Heiligkeit erhoben wurde.
Welche Gnaden Jene erlangen, die das „Gegrüßet seist du“ andächtig beten
Welche Gnaden aber Jene erlangen, die das heilige Gebet „Ave Maria“ gerne und andächtig beten, und damit die Liebe Frau begrüßen, kannst du, christliche Seele, aus nachfolgenden schönen Beispielen entnehmen.
Hl. Gertrudis
Die heilige Gertrudis sah am Festtag Mariä Verkündigung, als man während der Mette das Ave Maria sang, in einem Gesicht drei Bäche, den ersten von dem Vater, den zweiten von dem Sohne und den dritten vom heiligen Geist hervor gehen. Sie flossen mit süßer Gewalt dahin, durchdrangen das Herz der allerseligsten Jungfrau und kehrten von da wieder mit heftiger Gewalt zu ihrer ersten Quelle zurück. Sie erkannte nun, daß durch dieses Aus- und Zurückströmen angedeutet werde, wie mächtig die seligste Jungfrau sei durch den Vater, wie überaus weise durch den Sohn, wie höchst gütig durch den heiligen Geist. Auch erkannte sie, wenn man auf dieser Welt jenes kurze Gebet andächtig spricht, die drei Bäche, so zu sagen die allerseligste Jungfrau mit ihren Gewässern sanft umgeben und dann wieder mit stärkerer Gewalt zum heiligsten Herzen Jesu und zu ihrer ersten Quelle zurück kehren. Aus dieser Strömung bildeten sich dann Bäche des Heiles und der Freude zu Gunsten der seligen Geister und jener heiligen Seelen auf Erden, welche christlich leben und das Ave Maria mit Andacht beten, welches all das Gute, was die Menschwerdung Jesu Christi uns erworben hat, in ihnen erneuert.“ (Leben und Offenbarungen der heiligen Gertrudis von J. Landsperg.)
Sel. Benvenuta von Forli
Die selige Benvenuta von Forli, aus dem Dominikanerorden, betete täglich 1000 Ave Maria; an den Samstagen aber verdoppelte sie diese Zahl und wurde dabei immer mit dem süßesten Gesang der Engel erquickt. – Einstmals erschien ihr ein wunderliebliches Knäblein, welches sie fragte, ob es eine Mutter hätte. Statt aller Antwort fragte aber der Knabe die Jungfrau: „Hast du eine Mutter?“ Nein, antwortete Benvenuta, meine Mutter ist schon gestorben.“ Darauf versetzte der Knabe: „Meine Mutter lebt noch!“ Nun fragte Benvenuta den Knaben: „Kannst du mir das Ave Maria beten?“ Der Knabe entgegnete lächelnd: „Kannst du es beten? Nun wohl, so bete es!“ Nun fängt Benvenuta das Ave zu beten an; wie sie aber zu den Worten kommt: „Gebenedeit ist die Frucht deines Leibes“, hört sie aus dem Mund des Knaben: „Ich bin diese gebenedeite Frucht!“ Mit diesen Worten verschwand das himmlische Kind. (Auriema.)
Gottseliger Herkulus von Reggio
Der gottselige Herkulus von Reggio, aus dem Orden des heiligen Franziskus, der gar oft das Ave betete, lag an einer tödlichen Krankheit darnieder. Da erschien ihm einmal Unsere Liebe Frau und sprach zu ihm: „Wenn du Gnade erlangen willst, so bete das Ave Maria.“ Allein der Todkranke vermochte dies Gebet nicht zu verrichten. Da hob er sein Haupt ein wenig empor, sah die Umstehenden tröstlich an, und bat sie mit schwacher Stimme, für ihn ein Ave Maria zu beten. Jedermann war der Meinung, er wolle um ein glückseliges Sterbestündlein bitten, und in dieser Meinung verrichteten Alle das Gebet. Allein Unsere L. Frau wollte ihren treuen Diener am Leben erhalten. Kaum war das Gebet geendet, als sie dem Sterbenden eine Saft darreichte, und kaum hatte derselbe davon gekostet, als er alsbald frisch und gesund vom Bett sich erhob. Aus Dankbarkeit nahm er dann das Ordenskleid. (Auriema.)
Gottseliger Adalbert von St. Alexis
Der gottselige P. Adalbert von St. Alexis erzählt: „In einem Kloster lebte eine gottgeweihte Jungfrau, welche wegen schwerer Krankheit viele Jahre das Bett hüten musste und so heftige Schmerzen litt, daß sich Jedermann über sie erbarmte. Endlich ist sie durch den Tod davon befreit worden und erschien in wenigen Tagen nachher im großen Glanz und offenbarte, daß sie nach ihrem Hintritt in Ansehung der großen Schmerzen, die sie so viele Jahre mit Geduld ertragen hat, sogleich in den Himmel aufgenommen wurde. Unter anderem erzählte sie auch, welche unaussprechliche Freuden sie nun dort, besonders wegen ihrer Liebe zur Muttergottes, genieße. Sie fügte hinzu, der englische Gruß sei der allerseligsten Jungfrau so angenehm und so verdienstlich, daß, wenn sie noch einmal auf Erden zurück kehren und nur ein einziges Ave Maria sprechen könnte, sie bereit stände, alle früher ausgestandenen Schmerzen nochmal zu leiden, denn der Lohn für ein einziges andächtiges Ave Maria sei im Himmel so groß, daß man gerne solche und alle andern Schmerzen um denselben ausstehen sollte! (Maria, Unser Trost.)
Sel. Eulalia aus dem Zisterzienser-Orden
Die selige Eulalia, aus den Zisterzienser-Orden, schlief einmal unter dem Beten des Ave Maria ein. Als sie wieder erwachte, sah sie die Mutter Gottes vor sich, welche zu ihr sprach: „Schlafest du, Eulalia, schlafest du?“ Eulalia schrickt darob zusammen und entgegnete: „Ich schlafe nicht, sondern ich wache. Aber wie kommt es, daß du, meine Herrin, eine solche Sünderin heimsuchst, wie ich bin?“ Darauf Maria: „Eine Tochter fürchtet sich nicht vor dem Angesicht ihrer Mutter, der sie täglich so viele Dienste erweiset. Willst du mir aber wohl gefallen und deiner Seele nützen, so wisse, daß ich das größte Wohlgefallen habe, wenn du sagst: „Der Herr ist mit dir“, denn dann ist mir, als wenn ich in mir wieder gegenwärtig hätte meinen Sohn, wie damals, da er aus mir ist geboren worden.“
So grüße denn die gebenedeite Mutter des Herrn, christliche Seele, gerne und oft und in Andacht mit diesem himmlischen Gruß, und möchte alsdann an dir und mir sich erfüllen das Wort des frommen Richard: „Wenn Einer dies Irdische verachtend und nach Gnade hungernd kommt zum Tisch der Mutter unsers Herrn und sie grüßt, mit herzlicher Andacht sprechend: „Gegrüßt seist du, Maria!“ glaubst du wohl, daß ihre Freigebigkeit die verlangte Gnade abschlagen werde? Gewiß, weil sie voll der Gnaden ist, wird sie dir wenigstens einige Brosamen zu Teil werden lassen.“
Der Protestant Hugo Lämer
Der gelehrte Dr. Hugo Lämer war Protestant. Eines Tages nimmt er den Kalender für Zeit und Ewigkeit zur Hand, worin der Verfasser Alban Stolz, Priester und Professor an der Universität zu Freiburg, über das Ave Maria also spricht: „Siehe, vielleicht spürst du (er meint einen Akatholiken) noch ein leises Regen der Marienverehrung, daß dir angeboren ist, von deinen Urahnen, die vor 400 Jahren so warm und treu die Mutter Gottes angerufen haben. Und wenn du nachdenkst, so kommt es dir vor, wie wenn du ein altes Lied hörst, das man dir in der Jugend vorgesungen. Sei gewaltig im Geist wie Simson, zerreiß die Vorurteile, habe ein Herz und bete wenigstens einen Monat lang das Ave Maria und du wirst es lieb gewinnen und nicht mehr davon lassen. – Der Protestant befolgt den Rat, betet das Ave Maria und kehrt dann zur katholischen Kirche zurück. Das geschah im Jahre 1850. –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 235 – Sp. 240