Wallfahrt zu Unserer Lieben Frau in der Tanne

Eine Prozession christgläubiger Katholiken zu einem Gnadenort der Muttergottes Maria

Gnadenorte unserer himmlischen Himmelskönigin

Unsere Liebe Frau, die Gottesmutter Maria, sitzt, umringt von vielen Heiligen, in der Mitte, ihren Sohn Jesus auf dem Schoß, eine Lilie in der linken Hand; unter ihr ist das Häuschen zu sehen, daß von Engeln zum Gnadenort Loreto getragen wird

Wie es zum Bau der Wallfahrtskapelle bei der Tanne zu Triberg kam

Soldaten hören himmlischen Gesang

Es war im Jahre 1692, während eines Krieges zwischen Österreich und Frankreich, als am 20. Dezember drei Soldaten, mit Namen Anton Haiß, Georg Gruber und Lorenz Zähringer, alle drei aus Tirol gebürtig, bei anbrechender Nacht, als man eben das Zeichen zum Ave Maria gab, aus dem Städtchen Triberg auf ihren Wachposten nach Rohrhartsberg hinauf gingen. Als sie nun die alte Schonacher Straße hinan stiegen, welche dem Wallfahrtsort gerade gegenüber liegt, und sie gerade in gleicher Richtung mit der Tanne sein mochten, in welcher das Gnadenbild stand, hörten sie plötzlich von jener felsigenEinöde her einen ungemein lieblichen Gesang, desgleichen sie in ihrem Leben noch nie gehört hatten. Vom heiligen Schrecken ergriffen, standen sie still, sahen einander erstaunt an, und horchten voll freudigen Entzückens der englischen Melodie, die ungefähr eine halbe Viertelstunde dauern mochte. Nachdem der himmlische Gesang verstummt war, setzten sie ganz ermuntert ihren Marsch bis ins Quartier fort und erzählten ihren Kameraden, welche wunderbare Musik sie gehört hatten. Ihrem Gespräch hörte mit größter Neugierde ein alter Bauersmann zu, der ihnen vollen Beifall gab, und nun selbst zu erzählen anfing, wie vor vielen Jahren ein Müller zu Triberg, Adam Fröhlich mit Namen, in eben jener Gegend auch einen solchen Gesang gehört, seine Erzählung aber bei seinen Mitbürgern keinen Glauben gefunden habe. Wenn es, fuhr der Alte fort, mit dem Gesang seine Richtigkeit habe, dann müsse er vermutlich auf das Bild Unserer L. Frau sich beziehen, welches vor vielen Jahren in einer Tanne häufig besucht und verehrt wurde, was aber schon seit langer Zeit wieder aufgehört hat, indem das Bild in der Tanne in gänzlicher Vergessenheit gekommen sei. Die Tanne stehe, setzte er hinzu, jenseits des Berges, gerade der Stelle gegenüber, wo sie den Gesang gehört hätten.

Die Soldaten finden das Bildnis U. L. Frau in der Tanne

Aufmerksam auf des alten Mannes Erzählung entschlossen sich die Soldaten, gleich am nächsten Morgen an die nämliche Stelle zu gehen, um der Sache näher auf denGrund zu kommen.

Des andern Tages kamen wirklich die drei Soldaten ihrem Vorsatz getreu bis zur Stelle, wo sie den wunderbaren Gesang gehört hatten. Von da gingen sie in gerader Richtung den Berg herab, an welchem die Schonacher Straße hinführt, durchliefen den Wald und stiegen diesseits am Berg hinauf. Getrennt von einander suchen sie nach dem heiligen Bild in der Tanne. Anton Haiß war der erste, der den Baum und die eingeschnittene Öffnung fand. Sie war bereits fast ganz verwachsen und mit Spinnweben überzogen. Mit seinem Seitengewehr streift er das Gewebe weg und sieht nun voll Freude im Herzen das Marienbild. Sogleich ruft er seine Kameraden herbei.

Was nun dieselben beim Anblick des entdeckten Bildes empfunden haben, läßt sich aus dem schließen, was sie später eidlich zu Protokoll gegeben haben, nämlich: Daß alle drei wider alles Verhoffen urplötzlich ein liebreizendes Lächeln und übermenschliche Freundlichkeit an dem Bildnis wahrgenommen und mit einem ganz wunderbarlichen Eifer der demütigsten Andacht erfüllt, sich auf die Knie nieder geworfen, für die Auffindung dieses trostvollen Gnadenbildes gedankt und vor demselben inbrünstig gebetet haben. –

Das Bild der Lieben Frau in der Tanne wird wieder geehrt

Nach ihrer Rückkehr zu ihren Kriegskameraden erzählten die drei Soldaten denselben von dem schönen Bild in der Tanne und von dem wunderbaren Glanz, der aus der Öffnung des Baumes ihnen entgegen strahlte, sowie von den andachtsvollen Empfindungen, die ihre Herzen durchdrangen, und erregten dadurch bei den übrigen Soldaten die größte Sehnsucht, nur recht bald auch das wunderbare Bild zu sehen. Sie benützten hierzu die erste Gelegenheit und eilten zur Tanne im Wald. Mit Verwunderung betrachteten sie das Bild, und es kam ihnen vor, als wenn Maria lebhaft aus der Öffnung des Baumes ihnen ihr Wohlgefallen zulächle. Um aber das Bild näher zu betrachten, nahm einer (*) von ihnen sein Seitengewehr, räumte damit von außen und Innen allen Unrat weg, erweiterte die Baumrinde und hob das lieblich lächelnde Gnadenbild ehrerbietig heraus, drückte es mit heiliger Inbrunst an sein Herz und küßte es mit tiefster Ehrfurcht; dann reichte er es seinen Kameraden, die dasselbe taten. Hierauf stellten sie es wieder an seinen Platz mit dem Entschluss, es öfters zu besuchen.

Wirklich gingen die frommen Soldaten selbst mitten im Winter öfters zu dieser heiligen Stätte und zogen auch durch ihren besonderen Eifer die Offiziere dahin. Bald wurden sie auch unter sich einig, die Stätte des Bildes in der Tanne zu verschönern. Sie legten von ihrem ersparten Sold so viel Geld zusammen, daß sie ein schönes, rotes Kleid für das Bild der Lieben Frau, einen Fensterrahmen zur Einfassung der Öffnung und ein Schirmdach von Blech machen lassen konnten. Als Alles fertig war, gingen sie damit am Fest der Geburt Unseres Herrn und Heilandes hinaus zur Tanne und schmückten damit das heilige Bild. Wer war an diesem Tage glücklicher als die frommen Soldaten! Sie wählten Maria, voll Andacht vor dem Bild auf den Knien liegend, zu ihrer Beschützerin und ließen oben auf dem Schirmdach die Aufschrift anbringen: „Sancta Maria, patrona militum, ora pro bonis!“ „Heilige Maria, Patronin der Soldaten, bitt` für uns !“

(*) Es war dies Gabriel Mauerer. Derselbe erkrankte im Jahr 1694 tödlich, lag zwei und zwanzig Wochen an den heftigsten Gliederschmerzen darnieder, und alle versuchten Arzneimittel waren ohne Wirkung. Da faßte er Vertrauen zu dem Gnadenbild in der Tanne, die er vormals so oft mit seinen Kameraden besucht hatte, und ging auf zwei Krücken gestützt von Weissenbach eine Stunde weit dahin. Er brauchte bis er dahin kam, einen ganzen Tag, so schwach und elend war er. Vor Mattigkeit sank er vor der Tanne nieder und seufzte, flehte und weinte um Hilfe vor dem Gnadenbild. Er schläft dabei ein und findet sich beim Erwachen so gestärkt, daß er – ohne Krücken gesund in sein Quartier nach Weissenbach zurück kehrt. Kurz darnach marschiert er mit seiner Kompanie weiter und schickt durch seinen Hausherrn als ein Denk- und Dankzeichen seiner so wunderbaren Genesung die Krücken mit dem Versprechen zu Bild in der Tanne zurück, daß er nach erhaltenem Abschied in den Orden des heiligen Franziskus treten wolle. Wirklich trat er auch in den Orden, und wurde im Jahre 1696 als Laien- und Wallfahrtsbruder zu Triberg eingekleidet, woselbst er auch bis zu seinem Tode gar auferbaulich sein Leben im Dienst der L. Frau verbrachte.

Die Wallfahrt zum Bild U. L. Frau in der Tanne beginnt wieder

Das nun von den Soldaten so schön gezierte heilige Bild in der Tanne lockte nicht nur aus der Nähe, sondern auch aus der Ferne fromme Beter zahlreicher als je herbei, so zwar, daß innerhalb 3 Jahren der Ort das Ansehen einer förmlich beginnenden Wallfahrt gewann, weswegen der damalige Pfarrer von Triberg, Jakob Irslinger, im Jahre 1695 am Fest Mariä Heimsuchung sich veranlaßt sah, dem bei der Tanne versammelten Volk eine Predigt zu halten, was nachher an allen Festtagen Unserer Lieben Frau beobachtet wurde. Auch wurde das Bild mit einer Bretterwand umgeben, damit die Pilger vor Wind und Wetter geschützt wären, und mit den Pilgern vermehrten sich auch die Gnaden, welche die milde Hand der gebenedeiten Mutter Gottes hier ausspendete.

Widerstand gegen die Wallfahrt von Seiten des Ordinariats

Doch alles Gute findet überall und zu allen Zeiten Widerstand, und ohne Kampf gedeiht es nicht und faßt keine Wurzel. Auch die beginnende Wallfahrt zum Bild Unserer L. Frau in der Tanne fand von mehreren Seiten heftigen Widerspruch. Es wurde dagegen, als einer Neuerung, welche den Aberglauben begünstige, bei dem bischöflichen Ordinariat Klage erhoben; besonders als die Bürger von Triberg damit umgingen, bei der Tanne eine Kapelle zu bauen. In der Person des hochw. Stadtpfarrers Johann Frank von Villingen wurde eine Kommission nach Triberg abgesandt, mit der Weisung, wo möglich den Bau einer Wallfahrts-Kapelle gänzlich zu verhindern, das Bildnis aus der Tanne in die Pfarrkirche nach Triberg zu übersetzen und hiermit dem aufkommen einer Wallfahrt allen Anlass zu benehmen. Der hochwürdige Stadtpfarrer Frank kam am festgesetzten Tag nach Triberg, wies sich bei den versammelten Vorstehern der Stadt als bischöflicher Kommissar aus, und eröffnete ihnen mit ernster Miene, daß er vom Bischof von Konstanz beauftragt sei, ihnen wegen des Baues einer Kapelle bei dem Bild in der Tanne zu befehlen, daß alles, was bis jetzt gebaut worden, zerstört und das Marienbild in die Pfarrkirche übertragen werden müsse, damit in diese wilden Einöde aller schein einer Wallfahrt verschwinde usw.

Die Bekehrung des bischöflichen Kommissars

Taub gegen alle Vorstellungen stieg er dann in Begleitung des Herrn Pfarrers Irslinger und der Stadtvorsteher den Berg hinan und nahte sich der Kapelle. Er war von vornherein eingenommen gegen die Wallfahrt zu Triberg und nannte dieselbe nur eine abergläubische Andächtelei einfältiger Leute. Wie er aber in die Kapelle oder eigentlich den Bretterumschlag eintritt und zum Gnadenbild in der Tanne hinauf schaut, siehe, – da erblaßt er, zittert an allen Gliedern, wirft sich wie ohnmächtig auf die Knie nieder, fängt an zu weinen an, seufzt laut und nach einiger Zeit hebt er an, mit freudigem Ton das Salve Regina zu singen. Herr Pfarrer Irslinger und die Stadtvorsteher, welche über das, was mit dem Kommissar vorging, höchlich erstaunten, stimmten mit in den marianischen Lobgesang ein und setzten mit voller Andachtsglut den Gesang bis zum Ende fort. Nachdem der Herr Kommissar noch eine Zeit lang still gebetet, und vor dem Bild seine ehrfruchtsvolle Verbeugung gemacht hatte, trat er zur Tür hinaus und legte dann vor seinen Begleitern das offene Bekenntnis ab:

„Es sei ihm beim ersten Anblick des Gnadenbildes vorgekommen, als stehe ein Bewaffneter vor ihm und drohe ihm den Tod, falls er wider diesen Ort etwas unternehmen würde; dieses sei wahrhaft ein heiliger Ort, welchen Gott erwählt habe, um sich auf eine ganz besondere Art hier allen jenen gnädig zu erzeigen, welche sich der Fürbitte der gnadenvollen Mutter Jesu daselbst empfehlen.“

Nachdem Herr Pfarrer Frank dem hochwürdigsten Ordinariat von Konstanz seinen Kommissions-Bericht eingesandt hatte, kam von dort die Erlaubnis, eine förmliche Wallfahrtskirche bei der Tanne erbauen und neben der Kirche ein Haus für 15 Priester herstellen zu dürfen.

Der Bau der Kapelle wird genehmigt und begonnen

Groß war die Freude der Bürgerschaft von Triberg; sogleich wurde mit dem Bau begonnen, und mit ernster Tätigkeit fortgesetzt. Die Tanne wurde umgehauen, der Mittelstamm, worin das Liebfrauenbild stand, abgesondert, die Äste und alle übrigen Abfälle aber wurden verbrannt, damit sie nicht zum Aberglauben missbraucht werden konnten. Der Platz, wo die Tanne stand, wurde zur Grundlage des Hochaltars bestimmt. Der Bau erhob sich zusehends und wurde im Jahre 1697 durch das rastlose Bemühen des hochw. Pfarrers Irslinger und des Herrn Obervogts Franz Xaver Noblat vollendet. Hierauf wurde der Gnadenaltar aufgerichtet, der Stamm mit dem Gnadenbild, zierlich gefaßt und geschmückt, wurde vom Altarstein aus bis in die Mitte des Altares aufrecht und frei gestellt, wo er in der ganzen Kapelle deutlich gesehen werden konnte. Nachdem das ganze Gebäude vollendet und eingeweiht war, wurde am Fest Mariä Opferung in Gegenwart einer sehr großen Volksmenge der erste heilige Gottesdienst feierlich gehalten. Die Kapelle konnte die Menge der andächtigen nicht fassen und man dachte schon damals an eine Vergrößerung derselben.

Die Wallfahrten nehmen weiter zu

Von nun an nahm die Wallfahrt zu diesem neuen Gnadenort von allen Seiten zu. Immer mehr Pilger fanden sich ein; selbst Fürsten und hohe Herren kamen, um der gebenedeiten Gottesmutter Maria ihre Huldigung darzubringen, wodurch auch das Opfer in Geld, ohne andere kostbare Geschenke in Edelsteinen, Gold und Silber etc. im Jahre 1698 schon gegen 8000 Gulden betrug. Innerhalb 3 Jahren wurden in der Gnadenkirche 6707 heilige Messen gelesen und 152854 Wallfahrer aus allen Ständen empfingen die heiligen Sakramente. Nun wurde auch das verlangen allgemein, eine große Kirche zu bauen, und man legte auch alsbald Hand ans Werk. Die Felsen wurden gesprengt, um einen größeren Platz zu gewinnen, im Jahre 1699 der Grundstein zur neuen Kirche gelegt, und im Jahre 1706 war das neue Gotteshaus glücklich vollendet. Am Fest Mariä Opferung wurde das erste Mal ein feierlicher Gottesdienst gehalten, dessen Gedächtnistag alle Jahre unter großem Zulauf des Volkes bis jetzt noch gefeiert wird. Drei Jahre später wurde auch das Priesterhaus zu bauen angefangen, und für 15 Priester eingerichtet. Endlich wurde am 28. April des Jahres 1716 die Kirche feierlich geweiht.

Von nun an dauerten die Wallfahrtszüge zu diesem Gnadenort ununterbrochen fort. Es kann nicht aufgezählt werden, wie viele verstockte Sünder die Gnade der Bekehrung, wie viele Betrübte Trost, wie viele Kranke Heilung, Blinde das Gesicht, Taube das Gehör, Lahme den Gebrauch ihrer Glieder, und in Feuer- und Wassergefahr Befindliche Hilfe erlangt haben. Davon geben die zahlreichen, in der Kirche aufgehängten Votivtafeln Zeugnis, so daß man beim Anblick derselben ausrufen muss: „Der Allmächtige tut große, unbegreifliche Dinge und Wunder ohne zahl. (Hiob 9, 10) Darum sei ihm, dem allein mächtigen König, dem Herrn aller Herren, Ehre in Ewigkeit. Amen.“ (!. Tim. 6, 15) (Marianisches Gebetbuch der weit berühmten Wallfahrt zu Triberg auf dem Schwarzwald.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 352 – Sp. 356

Tags: Maria

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