Ehrfurcht vor der Kirche ist Ehrfurcht vor dem Heiligen Geist
Teil 7:
Falsche Kritik, die den göttlichen Charakter der Kirche vergißt
Beachtet den göttlichen Charakter der Kirche!
Die Kirche steht, wenn wir so sagen dürfen, sich selbst im Lichte, weil sie mehr tut, als sie zu tun braucht, mehr als ihr gehört.
Sie ist überfruchtbar, weil sie göttlich ist. Sie schafft die Zivilisation, sie pflegt die Wissenschaften, sie erzeugt beinahe die Künste. Daher verlangt man von ihr, was nur ein Überfluss ihrer Gaben war, aber was streng genommen nicht zu ihrer Mission gehört. Dies kann sogar Katholiken verwirrt und befangen machen, und sie von der eigentlichen Frage abziehen. Gerade die Summe menschlicher Größe, die sich rings um die Kirche angesammelt hat, läßt uns manchmal vergessen, daß sie nicht eine menschliche Anstalt ist.
Daher kommt jene falsche Art von Kritik, die den göttlichen Charakter der Kirche vergißt und nicht beachtet. Daher kommt es, daß wir unsere Ansichten als Kriterien oder Wahrheit, als Maßstab für das Verhalten der Kirche aufstellen. Daher kommt es, daß wir über die Regierung und Politik der Päpste zu Gericht sitzen. Daher jene unkindliche und gefährliche Sorgfalt in allen Gegenständen, welche die Kirche und das Papsttum betreffen, das, was wir für göttlich halten, davon zu trennen, was wir als menschlich betrachten. Daher der unehrerbietige Eifer zwischen dem, was wir der Kirche einräumen müssen, und was wir der Kirche nicht einzuräumen brauchen, zu unterscheiden. Daher die aufgeregte Ängstlichkeit daraus zu sehen, daß das Übernatürliche dem Natürlichen wohl unterworfen bleibe, wie wenn wir wirklich glaubten, wir müssten gerade jetzt jeden Nerv anstrengen, damit eine allzu leichtgläubige Welt nicht dem Übermaß des Pfaffentruges und Ultramontanismus zum Opfer falle.
Die Leute wissen ganz gut, daß dies nicht unsere wirkliche Gefahren sind. Sie stellen sie aber auf unehrliche Weise voran als einen Vorwand, und um ihre wirkliche Treulosigkeit zu verschleiern. Gewiß scheint der heilige Geist seine Gaben und mit seinen Gaben auch seine Kräfte nicht auf die Braut Jesu, auf die Kirche, mit so sparsamer Hand oder so zögernder Vorsicht ausgegossen zu haben, als alles dies voraussetzt.
Lasset uns nur einmal die Wahrheit wirklich begreifen, daß die Kirche eine göttliche Anstalt ist, dann werden wir einsehen, daß eine solche Kritik nicht bloß eine Niederträchtigkeit und Treulosigkeit ist, sondern auch eine Ungebührlichkeit und eine Sünde. Ferner müssen wir der Kirche gehorchen. Wir müssen unser eigenes Ich fern halten, um ihren Geboten zu gehorchen, um an die Angemessenheit und Bedeutung ihrer geringsten Gebräuche und Zeremonien zu glauben, und die geringsten Anordnungen zu achten, die sie in ihrer Weisheit trifft. Allein dieser Gehorsam darf nicht bloß ein Gehorsam nach dem äußeren Buchstaben sein. Wir müssen unsere inneren Urteile der Kirche unterwerfen. Wir müssen es uns sehr angelegen sein lassen, wie der heilige Ignatius uns lehrt, im Einklang mit dem Geist und den Sympathien der Kirche zu sein und unseren Geschmack und unsere Neigungen denen der Kirche anzupassen. Die Kirche ist, um den Lieblingsausdruck des heiligen Lukas in der Apostelgeschichte zu gebrauchen, voll des heiligen Geistes.
Was ist unser Geschmack, was sind unsere Launen, schalen Ansichten, unverdauten Theorien, Privatüberzeugungen, ja vielleicht unsere geheime Empfindlichkeit und unser verletzter Ehrgeiz gegen die von dem heiligen Geist geleitete und beseelte Kirche Gottes? Es wäre töricht, länger dabei zu verweilen, was sich für einen Christen ganz von selbst verstehen muss. –
aus: Frederick W. Faber, Ehrfurcht vor der Kirche und treue Anhänglichkeit an dieselbe, 1861, S. 29 – S. 31