… sondern ein Fest der Lebenden im Himmel
Der triumphierenden Kirche
Im Abendland tritt ein (…) Fest erst unter Papst Bonifatius IV. (608-615) auf, der sich von Kaiser Phokas das von Marcus Agrippa, Schwiegersohn des Augustus, erbaute Pantheon erbat, um es zu Ehren der Jungfrau Maria und der Märtyrer einzuweihen. Er ließ eine große Menge Reliquien (auf 28 Wagen) dahin bringen und konsekrierte es am 1. Mai zu einer christlichen Kirche. Damit verband sich von selbst die Feier eines Allerheiligen-Festes an diesem Tage. Gregor III. (731 bis 741) soll dasselbe auf den 1. November verlegt und Gregor IV. im Jahre 834 auf Ansuchen Ludwigs des Frommen die Feier des Allerheiligen-Festes für die ganze Kirche vorgeschrieben haben.
Indem dieses Fest sich auf die Fruchtbarkeit der Kirche an Heiligen gründet, gibt es den Gläubigen Gelegenheit, das apostolische Gebot: „Ehre, dem Ehre gebührt“, in umfassendem Sinne zu erfüllen; keinem der Auserwählten soll die Verehrung entzogen werden. Sodann sollen die Gläubigen des vollen Segens, der in der Gemeinschaft der Heiligen liegt, dadurch teilhaftig werden, daß ihnen Gelegenheit und Aufforderung gegeben wird, die vereinte Fürbitte aller Verklärten anzuflehen. Weiter dient es, als ein die wahren Glanz- und Leuchtpunkte des kirchlichen Lebens zusammen fassendes Bild, zur intensivsten und extensivsten Verherrlichung der Kirche. Endlich ist dieser Tag, weil die aus allen Ständen, Geschlechtern, Altern, Nationen und Zeiten Gekrönten und Verherrlichten vor Augen führend, die nachhaltigste Aufforderung für die Gläubigen, sich begierig nach dem Kampfpreis auszustrecken. Prinzipiell wird jedoch an den Festen der Heiligen Christus, der in ihnen so Großes wirkte, und nur sekundär ihr Mitwirken verherrlicht. Wie der Eine weiße Sonnenstrahl sich in die sieben Regenbogen-Farben bricht, so zerteilt sich das eine von dem Haupt ausstrahlende Licht bei dem Eintritt in die Herzen und leuchtet vorherrschend in dieser oder jener Farbe (Apostel, Märtyrer, Jungfrauen etc.). Alle Heiligen zusammen geben aber das Bild, den Leib Christi wieder.
Die Bedeutung des Festes entspricht seine Liturgie. Die Messe der Vigilie macht passend und schön die Oration vom heiligen Geist zur zweiten Collecte. Die Responsorien zeigen dem Leser zuerst den Herrn auf dem Thron seiner Majestät, von Seraphim umgeben. Auf die unter ihm kniende Jungfrau Maria fällt zunächst das Licht seiner Herrlichkeit und ergießt sich von ihr und durch sie auf die Chöre der Lob preisenden Engel. Der Fritte in der Ordnung ist der Vorläufer des Herrn, Johannes der Täufer, der zugleich als Repräsentant der Patriarchen und Propheten erscheint. Den Chor der neutestamentlichen Heiligen eröffnen die Apostel, an die sich die Märtyrer anschließen. Auf sie folgen die Bekenner und Jungfrauen, und die neunte Lesung endigt, in den Anfang zurück kehrend, mit dem TE DEUM, dem Preis des dreieinigen Gottes. Auf diese weise zeigen die Responsorien, um von den übrigen Teilen des Offiziums abzusehen, wie Gott an Engeln und Menschen seine Macht und Liebe offenbart, wie von ihm alles Heil ausgeht, und wie in ihm alle Geschöpfe ihre Seligkeit und ihr Endziel haben. Das Letzte will die römisch-katholische Kirche hervor heben, und darum verlegt sie das Allerheiligen-Fest an das Ende des Kirchenjahres; die griechische Kirche richtet den Blick auf Gott als Ausgangs- und Anfangspunkt alles Heiles und weist demselben darum die Stellung zu Anfang des Pfingstzyklus an. –
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 1, 1882, Sp. 557 – Sp. 558
Zur Gedächtnisfeier der Toten oder Abgeschiedenen siehe: Allerseelen