Wie Jesus ohne Volksauflauf überliefert wird

Der Verrat Jesu durch Judas Iskariot

Wie Jesus ohne Volksauflauf überliefert werden kann

Seit seinem feierlichen Einzug lehrte Jesus bei Tag im Tempel, und des Nachts ging er hinaus und hielt sich am Ölberg auf. (1) Und alles Volk kam des Morgens früh zu ihm in den Tempel, um ihn zu hören. (2) Nachdem nun Jesus alle obigen Reden vollendet hatte, sprach er (3) zu seinen Jüngern: „Ihr wisset, daß nach zwei Tagen Ostern ist; da wird der Menschensohn zur Kreuzigung ausgeliefert werden.“ Um dieselbe Zeit (4) versammelten sich die vornehmsten Priester (5), die Schriftgelehrten und die Ältesten des Volkes in der Halle (6) des Hohenpriesters Kaiphas und hielten Rat, wie sie Jesus insgeheim ergreifen und töten könnten. Sie sagten aber: „Nur nicht am Fest, damit nicht etwa ein Aufruhr unter dem Volk entstehe!“ (7)

Es war aber der Satan in Judas gefahren, der Iskariot genannt wurde und einer von den Zwölfen war, und er ging hin und beredete sich mit den Hohenpriestern und Hauptleuten (8), wie er ihnen Jesus überliefern wollte. Er sprach zu ihnen: „Was wollt ihr mir geben, so will ich ihn euch verraten?“ Als sie das hörten, freuten sie sich und bestimmten (9) ihm dreißig Silberlinge (10). Er sagte zu, und von da an suchte er eine Gelegenheit, Jesus ohne Volksauflauf zu überliefern.

(1) In Bethanien, vgl. Lk. 21,37f
(2) Lk. 21,37f
(3) Noch am Dienstag, den 12. Nisan
(4) Am Mittwoch, den 13. Nisan (5. April des Jahres 30 n. Chr. Geb.). Die Verhandlungen des Judas hatten vielleicht schon mehrere Tage vorher begonnen (vgl. Joh. 11,56) und kamen nun zum Abschluß. Daran knüpfte sich in der alten Kirche der Gebrauch, am Mittwoch zu fasten. Diesen Tag brachte Jesus in stiller Zurückgezogenheit in Bethanien zu.
(5) Es sind die schon öfters erwähnten „Hohenpriester“ oder „Vorsteher der Priester“, d.h. der fungierende Hohepriester, jene, die früher dieses Amt bekleidet hatten, endlich die Mitglieder der bevorzugten Familien, aus denen die Hohenpriester genommen wurden (vgl. Apg. 4,6). Sie bildeten mit den Ältesten des Volkes, d.h. den vorzüglichsten Familienhäuptern, und einigen Rechts- und Schriftgelehrten den Hohen Rat (Synedrium, Sanhedrin), der aus 71 Mitgliedern und dem vorsitzenden Hohenpriester bestand. Die Hohenpriester gehörten vorwiegend der Partei der Sadduzäer an, die Schriftgelehrten waren meist Pharisäer. Den tatsächlich größten Einfluß hatte zur Zeit Jesu die pharisäische Partei im Hohen Rat.
(6) Das ist im Palast, im Hause; wahrscheinlich in einem der Gebäude, die den Vorhof umgaben und in denen sich bei den Alten die Gesellschaftszimmer und Empfangssäle befanden. Es scheint, daß der ganze Hohe Rat versammelt war, doch nicht amtlich, weil sonst die Sitzung im Gasith (in der Zelle der Quadern) im inneren Vorhof des Tempels gehalten worden wäre.
(7) Das gleich darauf von Judas gemachte Anerbieten, Jesus ohne Volksauflauf zu überliefern, bestimmte sie, von diesem Beschluß wieder abzugehen, um so mehr, da sie aus dem verhalten des Jüngers Jesu die Hoffnung faßten, daß auch das allzeit wankelmütige Volk keinen großen Widerstand mehr leisten werde, wenn sie einmal Jesus in ihrer Gewalt hätten.
(8) Ohne Zweifel die Hauptleute der Tempelwache, die aus Priestern und Leviten bestand. (Lk. 22,52; Apg. 5,1; vgl. 4. Kg. 12,9; 25,18).
(9) Die Auszahlung erfolgte erst bei oder nach Ausführung des Verrates.
(10) Sie wurden wohl dem Tempelschatz entnommen und waren dann heilige Sekel, also etwa 78 Mark. Es war der Preis für einen getöteten Sklaven (Ez. 21,32), und sicher bestimmten die Hohenpriester etc. gerade diesen Preis, um ihre Verachtung gegen Jesus auszudrücken.

aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. II, Neues Testament, 1910, S. 436-439

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