Unterricht für den zweiten Sontag nach Ostern „Misericoerdia“
Die heilige Kirche ladet uns heute ein, demjenigen, der sein Leben für uns gegeben, damit wir neues Gnadenleben gewinnen, fortan als treue Schäflein zu folgen. Sie preist Gott für die Auferstehung Jesu und die aus derselben uns zufließenden Gnaden und singt daher zum Eingang der heiligen Messe: „Die Erde ist voll der Barmherzigkeit des Herrn, Alleluja! Durch des Herrn Wort sind die Himmel befestigt, Alleluja! Alleluja! Frohlocket, ihr Gerechten, im Herrn; den Redlichen ziemt Lobgesang!“ (Ps. 32) – Ehre sei dem Vater etc.
Gebet der Kirche.
O Gott! Der Du das gefallene Menschengeschlecht durch die Erniedrigung deines Sohnes wieder aufgerichtet hast, verleihe deinen Gläubigen immerwährende Freude, auf daß die, welche Du den Gefahren des ewigen Todes entrissen hast, auch zum Genuss der unvergänglichen Freuden gelangen mögen. Durch Jesum Christum, deinen Sohn, unsern Herrn. Amen.
Lesung aus dem ersten Brief des hl. Apostels Petrus. Kap. 2, V. 21-25
Geliebteste! Christus hat für uns gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, damit ihr seinen Fußstapfen nachfolgt – Er, der keine Sünde getan hat, und in dessen Munde Falschheit nicht gefunden wurde, der nicht wieder schmähte, als Er geschmäht wurde, nicht drohte, da Er litt, sondern sich dem überließ, der Ihn ungerecht richtete; der unsere Sünden selbst an seinem Leibe auf dem Holze trug, damit wir, abgestorben den Sünden, der Gerechtigkeit lebten, durch dessen Wunden ihr geheilt worden seid. Denn ihr waret wie irrende Schafe; jetzt aber seid ihr bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.
Erklärung und Anwendung.
An dem Beispiel Christi sollen wir lernen, Kreuz und Leiden, selbst ungerechte Verfolgungen, in Geduld zu ertragen. Wie wären wir sonst wahre Schäflein dieses guten Hirten, wenn wir bei jedem, auch kleinem Leiden, bei Schimpf- und Scheltworten, die man gegen uns ausstößt, sogleich unwillig und zornig würden? In Leiden aller Art nimm deine Zuflucht zum Kruzifix, nimm es in deine Hand, küsse es, betrachte es, und dein Herz wird sicher getröstet und gestärkt werden.
Bei Schmähungen durch andere bete:
O Herr! Verleihe mir die Gnade, Dir, meinem Hirten, nachzufolgen, nicht zu schelten und zu drohen, wenn man mich schilt, verspottet oder um des Guten willen verfolgt, sondern Dir zuliebe alles mit Geduld zu tragen. Amen.
Evangelium nach dem hl. Johannes. Kap. 10, V. 11-16
In jener Zeit sprach Jesus zu den Pharisäern: Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte gibt sein Leben für seine Schafe. Der Mietling aber und der, welcher kein Hirte ist, und dem die Schafe nicht zugehören, sieht den Wolf kommen, und er verläßt die Schafe und flieht; und der Wolf packt sie und zerstreut die Schafe. Der Mietling flieht, weil er Mietling ist und ihm nichts liegt an den Schafen. Ich bin der gute Hirte und kenne meine Schafe, und meine Schafe kennen Mich, so wie Mich der Vater kennt, und Ich den Vater kenne; und Ich geben mein Leben für meine Schafe. Auch andere Schafe habe Ich, welche nicht aus diesem Schafstall sind; auch diese muss Ich herbeiführen, und sie werden auf meine Stimme hören; und es wird eine Herde und ein Hirt werden.
Wodurch beweist Christus, daß Er der gute Hirte sei?
Dadurch, daß Er
1) sich alle Mühe gibt, die verlorenen Schafe, d.i. die Sünder, zu suchen, zu finden und auf den rechten Weg zurück zu führen;
2) daß Er die Gefundenen, d. h. die Büßer mit aller Liebe aufnimmt, ja auf seinen Schultern trägt;
3) ihnen gute Weide, d. h. die gesunde Lehre und alle Mittel des Heiles anweist;
4) sein Leben für sie hingibt (1. Joh. 4,10) und sich selbst ihnen zur Speise hinterläßt. Das bezeichnet Jesus auch mit dem Wort: „Ich kenne meine Schafe“, d. h.: Ich weiß um alle Anliegen und Bedürfnisse derer, die Mir angehören; Ich sorge für sie, wache über sie und beschütze sie in allen Gefahren. – An dem Bild des guten Hirten mögen sich alle Vorgesetzten, Eltern, Lehrer und Dienstherrschaften spiegeln; denn auch ihnen ist ein Teil des Hirtenamtes anvertraut. Sie sollen über ihre Untergebenen wachen, sie vor Gefahren schützen, zur Benutzung der Heilsmittel anhalten, überhaupt alles tun, was denselben zum zeitlichen und ewigen Wohl gereicht.
Wen versteht Jesus unter einem Mietling?
Das Wort Mietling bezeichnet einen Menschen, der nur um Lohn etwas tut. Hier bezeichnet es einen geistlichen Hirten, der, im Gegensatz zum guten Hirten, nur um des Lohnes und eigenen Vorteiles willen die Schafe weidet, sich nicht um ihr Wohl kümmert und sie zur Zeit der Gefahr im Stich läßt. Dergleichen waren die Pharisäer, zu denen Jesus redete. – Mietlinge sind auch alle jene Vorsteher, Herrschaften, Lehrer etc., welche nur um des Lohnes willen ihr Amt versehen, um das Seelenheil der ihnen Anvertrauten sich aber nicht kümmern, sie allen Gefahren und bösen Gelegenheiten überlassen und vor Verführern etc. nicht warnen, sondern schweigen, wie stumme Hunde, wenn Diebe einbrechen.
Was versteht Jesus unter den anderen Schafen?
Die Heiden, welche Er durch seine Apostel und deren Nachfolger in seinen Schafstall bringen wollte, wie Er die Juden dahin zu bringen gesucht hatte. – Zu diesen Schafen gehören auch wir in unseren Voreltern. So laßt uns denn Gott danken, daß Er uns in seinen Schafstall, d. h. in die heilige katholische Kirche, berufen und aufgenommen hat; beweisen wir unsere Dankbarkeit vorzüglich dadurch, daß wir als wahre Katholiken leben, den katholischen Glauben lebendig in uns bewahren und mutig vor der Welt bekennen.
Wie wird ein Schafstall und ein Hirt werden?
Dadurch, daß am Ende der Zeiten alle Völker – Juden und Heiden, in den einen Schafstall versammelt werden, und nur mehr ein Glaube, eine Kirche auf Erden sein wird.
Übung.
Bete eifrig, daß dies geschehe; bete besonders, daß du selbst zu den auserwählten Schäflein gehörst.
Gebet.
O Jesus, Du guter Hirte! Der Du am Stamm des heiligen Kreuzes dein Leben für deine Schafe hingegeben hast, ich bitte dich durch deinen Tod, gib mir die Gnade, zur Zahl der Deinigen zu hören und das ewige Leben, das Du ihnen geben willst, zu erlangen. Amen. –
in: Leonhard Goffine, Ord. Praem.; Unterrichts- und Erbauungsbuch oder Katholische Handpostille, 1885, S. 273 – S. 276