Gnadenorte der hohen Himmelskönigin Maria
Unsere Liebe Frau auf dem Heiligberg in Böhmen
Der Wallfahrtsort Heiligberg (*) soll seinen schönen Namen schon getragen haben, bevor Maria daselbst verehrt wurde. Rechtliche, hoch betagte Leute bezeugten den ersten Jesuiten, die auf Besuch in die Gegend kamen, daß sie die Höhe des bei Pribram liegenden Berges flammen und in seinem Licht Knaben herum wandeln gesehen hätten.
Andere jedoch behaupten, daß der Berg seinen Namen erhalten habe, weil man vergeblich auf seinem Rücken ein Hochgericht zu erbauen versuchte; denn die zugeführten Bau-Erfordernisse verschwanden jedesmal und man fand sie auf einer entgegen gesetzten Höhe gelagert.
Weiter wird zur Aufklärung der Benennung „Heiligberg“ von alten Geschichtsschreibern Folgendes erzählt: Eine alte Matrone habe sich zu Pribram niedergelassen und ein sehr erbauliches Leben geführt. Dem Tode nahe, begehrte sie von den Ihrigen, ihrer vielen Sünden wegen nicht auf geweihter Stätte, sondern dort begraben zu werden, wohin den mit ihrer Leiche belasteten Wagen ein Gespann ziehen und stehen bleiben würde.
Es geschah ihr nach ihrem Willen. Man spannte Ochsen vor den Leichenwagen, ohne ihnen einen Führer zu geben und diese hielten auf der Heiligberger Höhe; da also wurde die fromme Matrone begraben. Deshalb und weil an dem Ort so Manches geschah, was die Menge nicht begreifen konnte, was ungewöhnlich und wunderbar war, nannte man den Berg heilig – Heiligberg. –
Der Ursprung der Kapelle auf dem Heiligberg soll aber dieser sein. In grauer Vorzeit kam der Ritter Malowetz in große Lebensgefahr. Einige sagen, Räuber hätten ihn hier überfallen, Andere behaupten, er habe, von gewaltigen Feinden besiegt, hier im undurchdringlichen Waldesdunkel Schutz vor den Verfolgern gesucht, um dem Hinsterben in öder, kalter Gefängnisnacht zu entgehen, und ihn auch gefunden.
Zum Dank nun für die ihm gewordene Rettung gelobte der Ritter an dem Ort seiner Begnadigung eine Kapelle zu erbauen und zwar zur Ehre der gnadenvollen Gottesmutter Maria.
Die Nähe der Besitzungen des Ritters erleichterten den angelobten Bau zu Heiligberg. Von welcher Gestalt und Größe er doch gewesen, kann nicht bestimmt werden. Über den Besuch der Marienkapelle von Seiten fremder Wallfahrer schweigen um diese Zeit (1632) die Geschichtsschreiber. Rauhe, wilde Waldstrecken ohne Wege, oft unsicher gemacht durch Räuber und wilde Tiere, schreckten die Fremden zurück. Doch in der Nähe blieb Mariens geheimnisvoller Wohnort nicht unbesucht. So sah der Geschichtsschreiber Balbin mehrere Abbildungen von bergknappen mit ihren Grubenlichtern an der Kapellenwand; in kniender Stellung mit gefalteten Händen empfehlen sie sich dem Schutz Mariens bei ihrer schwierigen Bergarbeit.
Fromme Mütter von Pribram besuchten die einsame Marienkapelle, um den Schutz der Mutter der schönen Liebe für ihre Säuglinge zu erflehen. Und diese zarte Sitte erhielt sich bis auf unsere Tage. Der Besuch der heiligen Kapelle nahm indes zu, als das gegenwärtige Gnadenbild in deren Räume übertragen wurde.
Die Vorzeit schreibt dies Bild, oder vielmehr diese Statue, dem ersten Prager Erzbischof Arnest (**) zu, ja er selbst soll es mit eigener Hand verfertigt haben. Arnest war ein eifriger Verehrer Mariens, übrigens ein Mann von hohem Wuchs, schöner Gestalt und edlem Wesen, an Geist, Bildung und Kenntnissen den größten Zeitgenossen nicht nachstehend, an Charaktergröße und vielseitiger Tüchtigkeit die meisten übertreffend; die erste und höchste Zierde des Prager erzbischöflichen Stuhles – wie ihn der neueste böhmische Geschichtsschreiber nennt.
An der Neige seiner Tage verfaßte dieser große Mann, der frei von jedem Vorurteil – die sogenannten Gottesurteile durch glühendes Eisen und eiskaltes Wasser abschaffte, nicht geschreckt durch den Widerstand manches Großen dieser Erde, folgende merkwürdige Urkunde:
„Es mögen Alle wissen, die gegenwärtige Schrift lesen oder hören werden, daß ich Arnestus, der heiligen Prager Kirche erster Bischof, unter den Sündern der größte, nicht bei der Nacht, sondern am Tage, nicht allein oder im Verborgenen, nicht schlaftrunken oder geistesabwesend, sondern wachend, nachfolgendes, mich sehr beschwerendes Wunder gesehen habe, daß sich in Allem so verhielt:
Als ich zu Glatz war, die Pfarrschulen der Hospitaliter des hl. Johann von Jerusalem besuchend, war es an einem Tage (ich glaube, es war Samstag), da ich der Vesper beiwohnte, und unter anderen Knaben und Schülern stand, daß ich das Marienbild auf dem Hochaltar ansah; und sogleich, ohne Verzug und schnell wandte sich das Gesicht des Bildes der Jungfrau und Gottesmutter Maria unwillig und zornig von mir ab, den Hinterteil des Hauptes gegen mich gekehrt. Sehr erschrocken, wie sinnenlos vor Schrecken kam ich wieder einigermaßen zu mir; der Anblick des Hinterhauptes aber, das mir schmutzig, unrein und gleichsam zerrissen vorkam, machte mich schaudern. Traurig und betrübt fing ich an, die hl. Jungfrau zu bitten, sie wolle sich meiner Erbarmen und ihr Antlitz mir wieder zukehren. Da ich also betete und in meiner Angst schaute, ob auch das Angesicht Jesu Christi sich von mir abgewendet hätte, sah ich, daß dem nicht so sei, faßte wiederum Mut und setzte mein Gebet zur glorreichen Jungfrau fort. Nach einer Weile wandte sie langsam und wie nicht recht zufrieden ihr Gesicht zu mir in dieselbe Lage, wie ich sie zuvor gesehen hatte. Darauf dankte ich flüchtig der glorreichen Jungfrau, ging mit den übrigen Schülern zur Schule und sagte Niemanden etwas von diesem Wunder, aus Scham, um nicht als Sünder zu erscheinen. Obwohl ich in Gedanken und Werken ein solcher war.
Einige Monate darnach ging ich nach Braunau, wo ich lange blieb, ohne Vergebung erlangt, noch dem besagten Marienbild meine Ehrfurcht bezeigt zu haben. Darauf begab ich mich nach Prag, nachher besuchte ich noch einige Studienorte, endlich den römischen Hof; und so achtete ich vor meiner Beförderung und nach Erlangung der Weihen und kirchlichen Pfründen leichtsinnig des schreckenden Wunders nicht, obgleich oft erwägend, daß es nicht statthaft sei, dasselbe zu verheimlichen. Weil es nun den Gläubigen zur Erbauung dienen mag, nahm ich mir vor, das genannte schreckliche Wunder und meine große Sündhaftigkeit Euch schriftlich bekannt zu geben, und bitte und beschwöre Euch um der göttlichen Barmherzigkeit und um des Blutes Christi willen, daß ihr zu derselben Gottesmutter Maria bete, durch welche ich im katholischen Glauben befestigt worden bin, damit sie von mir ihren und ihres Sohnes Unwillen abwende; was Er gewähren wolle, der gebenedeit ist von Ewigkeit zu Ewigkeit.“
„Und weil es nach dem Zeugnis der Schrift ehrend ist, die Werke Gottes zu offenbaren: so ermahne ich, das hier Verzeichnete in der Prager und in allen anderen Kirchen in den Versammlungen der Ordensgeistlichen und Weltpriester, dem Klerus und dem Volk zu verkünden, damit Alle deutlich erkennen, daß die hl. Maria eine vorzügliche Beschützerin und Erbarmerin der im Glauben wankenden, und in den Liebeswerken irrenden Sünder sei, die sich ihrer Milde inbrünstig empfehlen. Wir verleihen überdies Allen, welche gegenwärtige Schrift lesen, anhören oder Andern berichten, einen vierzig-tägigen Ablass. Geschrieben durch mich Arnestus, der heiligen Prager Kirche unwürdigen Erzbischof mittelst meiner sündigen Hände.“
Daß Arnest`s Ausdrücke von seiner Sündhaftigkeit nicht streng genommen, sondern vielmehr Auf Rechnung seiner großen Demut gesetzt werden müssen, liegt auf der Hand. Die Worte: er sei durch Maria im Glauben befestigt worden, lassen indessen erkennen, daß er in seiner Jugend über die Verehrung der Heiligen und Mariens nicht katholisch gedacht habe, und durch Maria selber auf wunderbare Weise zur katholischen Wahrheit zurück geführt worden sei.
Das von Arnest verfertigte Gnadenbild hat sehr viele Ähnlichkeit mit jenem zu Glatz. Seine Übertragung in die einsame Kapelle des Heiligenberges wird auf folgende Weise erzählt. Bei den häufigen Fehden zwischen einem gewissen Herrn Hanüs und der Stadt Pribram soll es aus der Arnest`schen Schlosskapelle in die Pfarrkirche von Pribram übertragen und nach immer größerer Verbreitung der husitischen Lehre von einigen frommen Bürgern in die Hospitalkirche des heiligen Johann versetzt worden sein. Nachdem aber diese Kirche zerstört wurde, brachte man das heilige Bild in die stille Kapelle des Heiligenberges. –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Zweiter Teil, 1869, Sp. 2694 – Sp. 2697
Fortsetzung: Die Tätigkeit der Jesuiten auf dem Heiligberg
(*) heute: Pribram Svata Hora
(**) Ernst von Pardubitz