Maria bei der Himmelfahrt ihres Sohnes

Die Himmelfahrt Jesu ist zu sehen: Jesus in Seinem verklärten Leib, schon von der Erde gehoben, segnet die Männer und Frauen mit ausgebreiteten Händen; die Apostel, Jünger und Maria knien und schauen nach oben; einer der Jünger liegt mit gefalteten Händen am Boden und betet an

Der Mutter Gottes liebliche Osterzeit – Teil 2

Maria bei der Himmelfahrt ihres Sohnes Jesu

So feierte Maria Ostern, das hochfeierliche und höchste Fest des Heilandes und der jungen Christenheit in unbeschreiblicher Freude des Herzens. Und diese Freude dauerte fort die ganze Zeit, die der Heiland noch hier war, bis zu seiner Himmelfahrt. Wahrscheinlich wohnte Maria den meisten Erscheinungen bei, mit denen der Herr die Seinen beglückte, und alle erweckten neuen Trost und neue Freude in dem Herzen der Mutter. Sie freute sich über das hochherrliche Leben, das der Herr jetzt führte. Es war wirklich ein glorreiches Leben. Glorreich, weil leidlos und erhaben über alle Beschwerden des irdischen Daseins; glorreich, weil wahrhaft göttlich, da es seine göttlichen Eigenschaften zur Schau trug; glorreich, weil überfließend an herrlichen Taten, indem er, wie es heißt, viel sprach vom Reich Gottes (Apg. 1, 3), viele Einrichtungen für die Kirche traf, den Glauben an seine wahre Auferstehung und an das Geheimnis der heiligsten Dreifaltigkeit begründete (Mt. 28, 19), zwei Sakramente, die Buße und die Taufe, einsetzte und für immer die Kirche auf das unerschütterliche Fundament des Primates stellte – alles unschätzbare Gnaden und Einrichtungen. Besonders aber hatte Maria ihre Freude an dem Leben der höchsten Güte, Liebe und Freundlichkeit, die der Herr gegen alle ohne Ausnahme, gegen die Apostel, die Jünger und Jüngerinnen kund gab. Wie freute sich Maria über die Erscheinungen, mit denen er Magdalena, die Frauen, den hl. Petrus, die Jünger in Emmaus und den hl. Thomas beglückte! Über alles freute sie sich mit einer bescheidenen, stillen, demütigen Freude, wie es ihrer Stellung zukam. Sie bekräftigte alle in dem Glauben, daß der Herr wirklich auferstanden, durch ihren süßen Frieden und ihre Freudigkeit.

So kam nach Verlauf von vierzig Tagen der glorreiche Abschluss der Erdenfahrt ihres Sohnes in dem Geheimnis der Himmelfahrt. Gewiß war die Mutter Gottes gegenwärtig bei dem Abschiedsmahl, das der Heiland aus Erden-Gewohnheit in Jerusalem mit seinen Aposteln und Jüngern hielt. Ob sie nicht, als der Herr mit seinen Aposteln und Jüngern aus dem Saal ging, an ihn herantrat und ihn bat, sie mit sich in den Himmel zu nehmen und sie jetzt schon sterben zu lassen? Der Herr verneinte das, sie habe hienieden noch eine Aufgabe zu erfüllen und stellte sie den Aposteln als ihre Mutter und Fürbitterin vor, und sie beugten sich ehrfurchtsvoll vor ihr. Dann gingen sie alle hinaus auf den Ölberg. Hier sprach der Herr noch manches Wort mit jedem und wohl auch mit seiner Mutter. Er wurde dann innerlicher und durchscheinender, endlich wie leuchtendes Sonnenlicht. Vom Himmel herab ließ sich ein Glanzkreis auf ihn nieder, der regenbogenfarbig schimmerte. Noch einmal blickte er mit unendlicher Liebe nach seiner Mutter und nach den Aposteln, legte dann die linke Hand auf die Brust, erhob seine gebenedeite Rechte und segnete alle Anwesenden und die ganze Welt. Dann strahlte das Licht von oben mit dem Glanz des Heilandes wie in eine schimmernde Wolke zusammen, er erhob sich langsam vor allen Augen und fuhr empor, bis sich seine Gestalt in Himmelslicht auflöste, wie wenn eine Sonne in die andere eingeht. In dieses Licht gingen auch die Scharen der Heiligen des Alten Bundes ein und verschwanden mit dem Herrn in des Himmels Seligkeit. Ein Lichttau ließ sich von der Glanzwolke auf alle nieder, so daß sie wie geblendet dastanden und auf ihr Antlitz fielen. Die Mutter Gottes aber stand und schaute ruhig empor, und da mag es geschehen sein, daß sie, wie in wenigen Augenblicken ihres Lebens, der Anschauung Gottes gewürdigt wurde und mit dem Heiland im Geiste zum Himmel fuhr. Nach der Erscheinung der Engel löste sich der Glanz auf, und nun wußten alle, wie ihnen geschehen war. Der Herr war weg von ihnen, zum himmlischen Vater.

Endlich zogen alle zurück in die Stadt, ruhig, getröstet und erfreut über alles Herrliche, das sie gesehen, vor allem Maria. Ja, sie vor allen. Dieses Herz hatte nur eine Liebe, die war ihr Jesus, sie hatte nur eine Freude, wenn es ihm gut ging. Die Auffahrt in den Himmel aber war für Jesus der Höhepunkt der Beseligung und Verherrlichung. Beim Tode wurde die Seele Jesu verherrlicht, bei der Auferstehung der Leib. So blieb zur Verherrlichung nichts mehr zu wünschen übrig, deshalb war ihre Freude voll. „Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch freuen, daß ich zum Vater gehe“ (Joh. 14, 28). Niemand liebte Jesus mehr, und deshalb war ihre Freude die größte. Für den Heiland gab es keinen herrlicheren Abschluss als die Himmelfahrt, und für uns wurde sie die Quelle hoher Güter. Für uns war sie eine mächtige Erhöhung des Glaubenslebens, der Hoffnung und der Liebe. Für uns nahm der Herr vom Himmel schon Besitz; er ging nur hin, uns den Ort zu bereiten (Joh. 14, 2), um uns von dort den heiligen geist zu senden, durch den wir in den Himmel gelangen sollen. –
aus: Moritz Meschler SJ, Unsere Liebe Frau, Ihr tugendliches Leben und seliges Sterben, 1913, S. 160 – S. 163

Teil 1: Der Mutter Gottes liebliche Osterzeit

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