Die Kraftmittel gegen die Selbstmordneigung
Die Autorität der Lehre und der Bindung in der katholischen Kirche ist auf den ganzen Erdenrund gleich und einheitlich. Bereits in der Volksschule wird dem kindlichen Gewissen eingeschärft: „Du darfst dich nicht selbst töten.“ Die Kirche hebt auch das Verbot des Begräbnisses für Selbstmörder nicht auf. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser strenge Standpunkt auf die Selbstmord-Neigung unter den Katholiken herabmindernd einwirkt. Diese Bindungen in der eindrucksfähigen Jugend, dieses in Gemüt und Gedächtnis aufgestapelte Bewusstsein des Verbots üben ihre Wirkungen auch dann noch aus, wenn der Kinderglaube und die kirchliche Gebundenheit schon lange nicht mehr lebendig sind…
Der Einfluß der Beichte
Das Geheimnis dieses Erfolges klärt sich sodann vollends, wenn wir die Bedeutung des Sakramentes der Buße ins Auge fassen, das als das wirksamste konkrete Mittel gegen den Selbstmord betrachtet werden muss. Die Überzeugung des katholischen Christen, daß er durch die Ohrenbeichte Befreiung von dem Druck der Gewissensbisse und – Kraft göttlicher Gnade – Verzeihung erlangen kann, macht die Beichte in der Hand der Kirche zu dem erfolgreichsten Mittel der Seelenlenkung und Selbstmord-Verhütung…
Schon im Jahre 1913 schreibt der Selbstmordforscher Osiander (Über den Selbstmord):
„Warum ein Katholik weit schwerer zu dem Entschluss kommt, sich selbst zu ermorden, als ein Reformierter, Lutheraner oder anderer Akatholik, liegt meines Erachtens darin, daß der Katholik die Beichte und letzte Ölung als Sakramente betrachtet, die ihm selbst neben dem heiligen Abendmahl eine gewisse Hoffnung einer seligen Zukunft zusichern… Da der Katholik aber beim Selbstmord dieser Mittel zu einer seligen Ewigkeit entbehren muss, so kann nur ein irreligiöser oder ganz verrückter Katholik sich solcher Mittel vorsätzlich entziehen und einer Ewigkeit entgegen gehen, an die er entweder gar nicht glaubt, oder an die er bei gänzlicher Verstandes-Verwirrung gar nicht denken kann.“
… So sagt Prinzing (Trunksucht und Selbstmord):
„Der Katholik wird durch die Beichte, der er sich nicht leicht entziehen kann, immer wieder der Kirche zugeführt, und selbst wenn er derselben innerlich gleichgültig gegenüber steht, bleibt er doch in Fühlung mit einer Religion, die den Selbstmord aufs schärfste verdammt.“
Der Berliner Nervenarzt Dr. Placzek urteilt in seinem Buch „Selbstmordverdacht und Selbstmordverhütung“ (1915):
„Es sind nicht zu unterschätzende Einrichtungen für ein Kummer beladenes Gemüt, wenn der Mensch seine Kirche immer offen findet, wenn er von seinem Geistlichen in naiver Gläubigkeit eine Entlastung der schmerzbeladenen Seele erhoffen kann, wie sie nun einmal die Beichte gewährleistet… Wer unbefangen die Wirkungsweise der Konfessionen zu würdigen sucht, der muss der katholischen Kirche die Macht zuerkennen, und muss diese Wirkung in der zweifellos vorhandenen Tatsache beweiskräftig gegeben sehen, daß weit weniger Katholiken überall Selbstmord begehen als Andersgläubige.“
„Als letzten Grund für das Überwiegen der Selbstmordziffern bei den Protestanten“, schreibt Pastor Füllkrug, „erscheint uns und vielen anderen der Beichtstuhl in der katholischen Kirche, für den es etwas annähernd Ähnliches in der evangelischen Kirche nicht gibt. Der katholische Beichtstuhl bietet tatsächlich dem von Selbstmord-Gedanken geplagten Gemeindeglied eine Möglichkeit, über seine Not zu sprechen, sie einmal in anderer Beleuchtung zu sehen, und dadurch schon halb frei von ihr zu werden.“
Karner ist der Meinung, „daß die Beichte das letzte und einzige Mittel sein kann, einem vor dem Selbstmord stehenden Menschen Rettung zuzuführen. Wer Buße tut, kann in der Absolution auch für seine in den tiefsten Tiefen der Seele lagernden Konflikte, auch für die Sünde eines völlig verwüsteten und zerstörten Lebens Vergebung und mit ihr neuen Lebensmut erlangen… Die praktische Seelsorge darf die Bedeutung der Beichte als eines Mittels zur Bekämpfung des Selbstmordes nicht unterschätzen.“ –
aus: Dr. Hans Rost, Die katholische Kirche die Führerin der Menschheit, o. J. S. 330 – S. 331