Alle Religionen gleich wahr oder gleich falsch?

Indifferentismus gegenüber der Wahrheit

Sind alle Religionen gleich wahr oder gleich falsch?

Zusammenfassung der Dritten Konferenz

Man pflegt mitunter, meine Herrn, die Religion als etwas rein Äußerliches aufzufassen, und ich möchte sagen, wie ein Kleid zu betrachten. Aus einer solchen Auffassung und Betrachtung folgt dann das Schlagwort, das wir gestern geprüft und verworfen haben, nämlich „Alle Religionen sind gleich.“ Die Religion ist nicht etwa, nach dem Ausdruck eines Ungläubigen „wie ein Rock“. Wenn sie auch so etwas wäre, so kommt es ja doch „auch im Leben vor, daß man nicht jeden Rock anziehen darf, und der göttliche Heiland selbst erzählt uns von einem, der, weil er ohne hochzeitliches Kleid gekommen war, deswegen dort hinaus geworfen wurde, wo Heulen und Zähneknirschen ist.

Indessen die Religion ist etwas vor Allem Innerliches, sie ist begründet in den tiefsten Tiefen der menschlichen Natur, sie ist begründet in seinem Ursprung und in seinem Ziel; das ist doch wahrhaftig nicht wie ein Kleid.

Wir haben gestern gesehen, wie dieser Satz: „Alle Religionen sind gleich“, was immer für ein Sinn ihm untergelegt wird, ein sehr irriger und der Vernunft durchaus widersprechender ist. „Alle Religionen sind gleich.“ Soll das heißen gleich wahr oder gleich falsch? Dann ist es so viel: Alle Religionen sind gleich Null. Soll es wiederum heißen: Alle Religionen sind überhaupt für den Menschen gleichgültig, so ist denn die Erfahrung entgegen, welche lehrt, daß nicht jedes Bekenntnis dem Menschen gleichgültig ist, und auch nicht gleichgültig sein kann. Es kann in Bezug auf den Menschen doch wahrlich nicht einerlei sein, ob er ein Götzendiener ist und die Verehrung seiner falschen Götzen in Menschenopfer und in Wollust setzt, oder ob er, wie sein Meister und Heiland umher geht und Gutes tut; das ist doch, meine ich, auch für den Menschen nicht einerlei. Die Religion ist auch nicht einerlei in Bezug auf Gott, der die höchste Wahrheit und Heiligkeit und Weisheit ist.

Es ist nur Ein Gott, und es ist nur eine Menschennatur, und darum nur Ein Band, das Gott mit den Menschen verknüpft, Ein Verhältnis, Eine Religion. Es fragt sich jetzt, was das für eine ist? Wir haben, meine Herren, schon einen ziemlich weiten Schritt gemacht, und wir haben daraus, daß die Religion, weil in der Menschennatur begründet, ein allgemeines Gut, für alle zugänglich sein muss, weil sie zugleich aus einer festen Überzeugung in das Leben hinüber fließen und wirksam sein soll, den Menschen zur Liebe und zum Dienst Gottes, des höchsten Wesens, zu führen – – ich sage, wir haben daraus gefolgert, daß, so groß und so erhaben – – die menschliche Vernunft in abstrakto ist, im konkreten sie kaum ausreicht. Viele haben gar nicht die Fähigkeit und gar nicht die Zeit, gar nicht einmal den Mut, sich auch nur mit den ersten Wahrheiten der Religion zu befassen; und wenn der müde Arbeiter, und wenn der ermattete Landmann sich erst klare Begriffe über Gott und über die Unsterblichkeit der Seele schaffen müsste, so würden die Wenigstens diese Religion haben.

Wir schlossen dann weiter, daß es darum wohl der Weisheit und Güte Gottes angemessen erscheint, dieser Schwäche (die sich in allen Systemen der rein rationalistischen Philosophie bis auf die neueste Zeit, fast möchte ich sagen, glänzend bekundet hat) zu Hilfe zu kommen, sich mitzuteilen und die Belehrung der Menschen zu übernehmen. Und wir fanden diesen an sich einfachen klaren Vernunftschluss durch das Zeugnis des ganzen Menschengeschlechtes und aller Völker bestätigt, die eine Religion überhaupt hatten, oder zu haben vorgaben, und die alle deren Ursprung in den Himmel setzten, alle den ersten Quell der Religion nicht hier auf Erden suchten, sondern glaubten, er leite sich von Gott her, alle Gottes Stimme für die religiöse Erkenntnis und für die religiöse Liebe als das erste belebende Wort annahmen und ansahen, ja alle sogar in gewissen, allgemeinen Sätzen merkwürdig übereinstimmten. Die Übereinstimmung so vieler Jahrhunderte, so vieler Nationen, trotz aller anderen Verschiedenheiten, die ist doch, meine ich, ein Zeugnis der Wahrheit. Wir folgerten darum weiter, daß Gott wirklich gesprochen hat, daß es also eine geoffenbarte Religion gibt, und weil die wahre Religion nur Eine ist, daß der sogenannte Deismus notwendig von der Vernunft ausgeschlossen werden muss. Das war der Inhalt der gestrigen Konferenz. –
aus: Theodor Schmude SJ, Conferenzen über den religiösen Indifferentismus, 1863, S. 37 – S. 39

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