Warum christliche Religion für das Volk gut ist

Indifferentismus gegenüber der Wahrheit

Christliche Religion ist für das Volk gut

Zusammenfassung der Zweiten Konferenz

Das erste Schlagwort, daß die Religion für das Volk gut sei, haben wir bereits untersucht und als unstichhaltig befunden. Zwar haben wir zugegeben und sehr gerne zugegeben, daß ohne Religion das Volk mit seinem Elend und mit seinen Leidenschaften nicht bestehen könnte, daß mithin, wenn nicht die ganze soziale Ordnung in Trümmer gehen soll, das Volk Religion und höhere Prinzipien haben müsse, die es trösten, die es eindämmen und der rechtmäßigen Autorität unterwerfen. Wir haben deswegen diejenigen angeklagt, die es sich zur Aufgabe machen, das Volk um den letzten Rest seines Trostes und seiner Erhebung zu bringen; wir haben aber auch zu gleicher Zeit, und ich meine mit allem Recht, geschlossen, daß eben, weil die Religion für das Volk gut ist, sie für die ganze Gesellschaft notwendig ist. Ein Irrtum kann unmöglich für die Dauer gut sein, und das Volk wird unmöglich so weit das Menschenherz und die Verhältnisse des Lebens durchschauen können und lange bei der Religion bleiben, wenn diese bei denen, auf die es blickt, bei den Gebildeten und Höheren in Verachtung steht. Ist also nach dem Geständnis selbst eines ungläubigen Philosophen die Religion für das Volk notwendig, so ist es Pflicht für die Gebildeten und für die Höheren, ebenfalls Religion zu haben.

Das war die erste Antwort auf die erste Frage und das erste Schlagwort. Wir haben dann noch ein wenig tiefer sondiert. Notwendig nennt man im Allgemeinen das, was nicht anders sein kann, oder ohne welches etwas Anderes, für das es, nötig ist, nicht bestehen und seinem Zweck nicht entsprechen kann.

Nun haben wir vor allem einen Blick in das Menschenherz getan, und halten dort eine gesetzgebende Stimme wahrgenommen, der wir Achtung schuldig sind und die Achtung so zollen, daß, sobald wir daraus vergessen, wir selbst unruhig darüber werden. Wir haben dabei gefunden, daß sich dort ein Gut ankündigt, und zwar ein so hohes Gut, daß kein anderes weder von den wirklichen, noch von den denkbaren ihm vorzuziehen ist, das folglich das höchste Gut ist, und wir haben endlich gefunden, daß dieses höchste Gut sich als Macht offenbart, unter welche sich der Mensch so tief, wie unter keiner anderen beugt, ja welche die einzige Macht genannt werden kann, daß es also eine Allmacht ist, unter die wir uns naturnotwendig beugen, von der wir abhängen, der wir unsere Ehrfurcht zollen müssen; und darin besteht ja die Religion. Wir haben außerdem in unserem Herzen einen eigentümlichen Zug beobachtet, nämlich das Verlangen und die ausgesprochene Sehnsucht nach Glückseligkeit. Indem wir nun den Begriff etwas analysierten, bemerkten wir, daß Glückseligkeit nur in der Erreichung dessen besteht, was unseren Fähigkeiten entsprechend ist, hier auf Erden sicherlich in dem Streben nach dem, in dem allein unsere Erkenntnis und unsere Liebe ruhen kann, d. i. nach der höchsten Wahrheit und dem höchsten Gute, nach Gott. In dieser Erkenntnis also und in dieser Liebe liegt allein unser Glück und unsere wahre Seligkeit, aber eben darin besteht auch die Religion.

So notwendig es mithin ist, schlossen wir, daß der Mensch sich nach der Seligkeit sehnt, so notwendig ist ihm auch die Religion selbst. Und wir bekräftigen das Ganze mit der einfachen Erwägung, daß der unendliche Gott, der die Fülle alles Seins, der Urquell und der Inbegriff aller Seligkeit ist, uns nur geschaffen haben kann, damit wir ihn verherrlichen, damit wir gewissermaßen Priester der ganzen Schöpfung werden und Gott in seiner unendlichen Majestät loben und ehren und lieben. Nun aber besteht darin die Religion. So notwendig es also für den Menschen ist, seinem Endzweck gemäß zu handeln, wenn er anders nicht von seiner Natur abfallen und nicht eben dadurch auch von seiner Lebensbedingung, von seinem einzigen und eigentümlichen Sein abfallen will; ebenso notwendig ist für ihn die Religion, durch die er eben seinen Zweck erfüllt. Und damit war auch zugleich jenes andere leichtfertige Wort widerlegt, daß die Religion nur für Frauen sei. Ich meine, die Männer haben vor Allem ein Recht darauf, Menschen zu sein. –
aus: Theodor Schmude SJ, Conferenzen über den religiösen Indifferentismus, 1863, S. 25 – S. 26

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