Was ist religiöser Indifferentismus?

Was ist denn also dieser religiöser Indifferentismus?

Was ist denn also dieser erwähnte Indifferentismus? Er ist ein Zustand, in welchem man aus Grundsatz sich um keine Religion bekümmert, in welchem man einen Grund zum Stolze darin findet, daß man gar nicht frägt, ob irgend ein Wechselverhältnis zwischen Gott und dem Menschen bestehe, – denn das ist ja die Religion – und wenn etwa eines besteht, welches eigentlich dieses sei.

Es ist ein Zustand, in welchem man die Religion nicht achtet und auch vorgibt, sie nicht zu verachten, in welchem man das Religiöse nicht haßt, wenigstens wie man sagt, aber auch nicht liebt, in welchem man die religiöse Wahrheit nicht verneint, aber auch nicht bejaht, sondern sie ganz und gar als nichts bedeutend hinstellt und behandelt. Es hat einmal ein bekannter Prediger diesen Gemütszustand mit jener Antwort verglichen, die ein Herr von seinem Bedienten auf die Frage, was denn für ein Wetter sei, erhielt: „Es ist gar kein Wetter,“ sagt er. Diese einfache Definition würde schon genügen zu zeigen, was eigentlich an dem Indifferentismus ist; er ist eine Art Lethargie des Geistes gegen das Höhere, es ist eine Apathie gegen Alles, was an Gott und an die Pflichten gegen Gott erinnert.

Dieser Indifferentismus, so aufgefaßt, ist nicht eigentlich Unglaube, er ist auch nicht eigentlich Zweifel an der Religion. Nein! Es kann Ungläubige geben, welche die Religion hassen, und sie als falsch und verderblich verachten; diese werden wir immer bemitleiden müssen, aber wir müssen gleichwohl sagen, daß noch immer eine Lebensfähigkeit in ihnen sich äußert, sie haben doch noch irgend ein Gefühl dem Höheren gegenüber, auch wenn es ausschließlich im Hasse besteht. Sie mögen auch vielleicht, hie und da wenigstens, noch einigermaßen zu entschuldigen sein; Erziehung, Gewohnheit, Gelegenheit, vielleicht falscher, schiefer Unterricht mögen dazu beigetragen haben. Ebenso kann der Zweifler, der noch sucht, sich von seinen Zweifeln zu befreien, vielleicht noch einige Teilnahme verdienen; und wenn er redlich forscht und wenn er beharrlich und aufrichtig Gott sucht, wird er sogar unsere Achtung sich erwerben können. Aber ein Mensch, der gar nicht sucht, ein Mensch, der vollkommen ruhig dabei bleibt, der vielleicht noch vornehm auf jene, die suchen, herabblickt, ein Mensch, der eitel darauf ist, daß er überhaupt die religiöse Wahrheit nicht sucht: ein solcher Mensch verdient unsere vollste Verachtung; denn er entwürdigt sich selbst. Sie werden das, meine Herren! so gleich klarer einsehen.

Wir alle sind überzeugt, daß es eine Religion gibt, daß die Religion im Allgemeinen dem Menschen notwendig ist, daß sie die eigentliche Grundlage bildet, auf der sich das Wohl des Menschengeschlechtes erhebt. Wir alle sind davon durchdrungen, daß die Religion das Heiligste für den Geist und das Herz, und die mächtigste Stärkung für alle Fälle dieses irdischen Daseins ist. Wir sind alle von dieser Wahrheit erfüllt. Aber denken Sie sich einen Menschen, der gar nicht darnach strebt; er leugnet nicht, daß das vielleicht wahr sei, was die Religion lehrt und vorschreibt, daß es vielleicht einen Gott über ihn gebe, dem er schon durch das Recht der Erschaffung angehört. Er leugnet auch nicht, daß vielleicht dieses wunderbare Recht ein ewiges ist und mit dem Tode nicht aufhört; er leugnet auch nicht, daß vielleicht dieser unendliche Gott sich gewürdigt hat, Mensch zu werden, den Menschen selbst zu unterweisen, und ihm seine Ideen mitzuteilen und zu offenbaren; er leugnet auch nicht, daß vielleicht dieser Gott die gläubige Annahme dieser Wahrheit zur Pflicht gemacht hat, und daß vielleicht, wenn er diese Wahrheit annehmen und darnach sein ganzes Leben lenken und ordnen würde, die ewige Seligkeit seiner harre; er leugnet auch nicht einmal, daß vielleicht, – ich betone dieses Wörtchen „vielleicht,“ – daß vielleicht, wenn er sich sträubt, der Pflicht des Glaubens zu genügen, oder wenn seine Werke und seine Liebe in beharrlichem Widerspruch mit der Wahrheit, die ihm der Glaube vorhält, geraten, seiner in der Ewigkeit eine Trennung von Gott, von dem ewigen Gute, harre; er leugnet alles dies nicht, wie er es auch nicht bejaht, und gibt also gewissermaßen zu, daß es doch möglich sei. Dennoch kümmert er sich nicht darum und es ist ihm einerlei.

Wie nun aber, wenn es Wahrheit wäre? Wie? wenn diese Möglichkeit zur Wirklichkeit würde? Wie? wenn er wirklich einmal dem unendlichen Gott Rechenschaft geben müßte? Das Leben ist für nicht Wenige namenlos schwer und hart. Es ist oft eine Kette von Leiden und Entbehrungen und Opfern, und der Tod steht uns so nahe, wir wissen nicht, wann er uns einmal von dieser Erde hinweg nimmt. Diese zwei letzten Wahrheiten weiß der Indifferentist, er weiß aber nicht, was nach dem Tode ist; er weiß nicht, ob er vernichtet oder ob er gerichtet werden wird: und dennoch kümmert er sich nicht. Pascal nennt einen solchen Menschen ein „Ungeheuer,“ und er hat Recht; denn es ist die tiefste Verkommenheit eines sorglosen Geistes. Er kümmert sich um alles andere; wenn er krank ist, so sucht er auf jede Weise die Krankheit zu bannen und die Genesung wieder zu erhalten; wenn er irgend einen zeitlichen Vorteil ersieht, er wird schwerlich die Gelegenheit sich entkommen lassen, um diesen Vorteil zu erringen. Es geht ihm nahe, wenn ihm seine Ehre auch im geringsten geraubt wird; es ist ihm, wenn er irgend ein Gut liebt, wahrhaftig nicht gleichgültig, ob er es erlangt oder nicht. Aber es ist ihm gleichgültig, ob er ewig selig wird oder nicht; und es ist ihm gleichgültig, weil es ihm überhaupt gleichgültig, über die höhere Wahrheit nachzudenken. Sagen Sie selbst, meine Herren, mit welchem Namen soll man einen solchen Menschen bezeichnen? Tor ist beinahe zu wenig. –
aus: Theodor Schmude SJ, Conferenzen über den religiösen Indifferentismus, 1863, S. 3 – S. 5

Die weiteren Folgen sind unter dem Link „Texte zu: Der Indifferentismus“ zu finden:

Teil 2: Indifferentismus – religiöse Gleichgültigkeit oder Haß?

Teil 3: Indifferentismus gegenüber der Wahrheit: Zusammenfassung der Ersten Konferenz

Teil 4: Die Religion ist keine Frage des Gefühls

Teil 5: Indifferentismus gegenüber der Wahrheit: Der Mensch ist für die Religion erschaffen

Teil 6: Indifferentismus gegenüber der Wahrheit: Warum christliche Religion für das Volk gut ist

Teil 7: Indifferentismus gegenüber der Wahrheit: Sind wirklich alle Religionen gleich?

Teil 8: Indifferentismus gegenüber der Wahrheit: Alle Religionen gleich wahr oder gleich falsch?

Teil 9: Indifferentismus gegenüber der Wahrheit: Alle Sätze des Glaubens gleichgültig?

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