I. Der christliche Ehestand Ursprung der Ehe
Gott selbst hat die Ehe in auffallend feierlicher Weise eingesetzt. Mit wunderbarer Einfachheit und Tiefe erzählt die hl. Schrift, wie der dreieinige Gott seiner sichtbaren Schöpfung dadurch die Krone aufsetzte, daß er den Menschen nach seinem Ebenbild und Gleichnis schuf und ihn als seinen Stellvertreter und Verwalter der ganzen Erde zum König gab. Mit dieser Krönung jedoch war sein Plan noch nicht vollständig ausgeführt, es fehlte noch die andere Hälfte des Menschengeschlechts. Er wollte nicht, daß der Mann einsam und allein das königliche Szepter des Erdreiches führe, daß er ohne freundschaftliche Unterhaltung mit seinesgleichen regiere, daß er niemanden an der Seite habe, dem er die Gedanken seines Geistes, die Gefühle seines Herzens, die Wünsche seiner Liebe anvertrauen könne, daß er nicht wisse, wer nach ihm der Thronerbe seines mächtigen Reiches sein werde. Darum sprach Gott: „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei, lasset uns ihm eine Gehilfin machen, welche ihm ähnlich sei.“ (1. Mos. 2,8) er nahm aus der Seite des schlafenden Adam eine Rippe, baute aus derselben ein Weib und führte sie dem Manne zu. Adam jubelte in freudigem Erstaunen beim Anblick seiner Gehilfin: „Dies ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch! Der Mann wird Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen.“ (1. Mos. 2,22f.) Diese wenigen Worte sagen mit bewunderungswürdiger Zartheit alles, was über den Ursprung und den Zweck der Ehe gesagt werden kann.
Fürs erste sagen sie, daß das Weib ebenso gut wie der Mann ein mit großer Sorgfalt ausgeführtes Werk Gottes, ja ein vorzügliches Werk seiner besonderen Fürsorge für den Menschen und die Menschheit ist. Der mit Vorbedacht gewählte Ausdruck! „Gott baute“ deutet hin auf die Feinheit und Schönheit, auf den Adel und Liebreiz, auf die Anmut und Züchtigkeit, womit der göttliche Bauherr sein Meisterwerk – die Gehilfin des Mannes – ausgestattet hat.
Fürs zweite sagen sie, daß Gott bei der Erschaffung des Weibes doch den Vorrang des Mannes, d. h. dessen natürliche Überlegenheit und Autorität über seine Gehilfin gewahrt und über jeden Zweifel sicher gestellt, aber auch nicht unterlassen hat, den Mann vor der Versuchung zum Stolz und vor dem Missbrauch seines Vorranges zu warnen. Denn Er erklärte ihm ja: „Es ist nicht gut für dich, daß du allein seiest. Ungeachtet deiner königlichen Würde bist du doch nicht so vollkommen und dir selbstgenügend, daß du die Gesellschaft und Hilfe der von Mir dir gegebenen Gefährtin entbehren kannst.“
Fürs dritte sagen sie, daß Gott ebenfalls auch die Würde des Weibes gegenüber dem Vorrang des Mannes gewahrt und mit Nachdruck erklärt hat, das Weib sei keineswegs nur die Magd oder Sklavin des Mannes, sondern dieser müsse sie als ebenbürtige Gefährtin und Gehilfin ehren; sie sei reich genug an Gaben und Vorzügen, um die Mängel des Mannes zu ergänzen, ihn mit Rat und Tat unterstützen, ihm die Freuden des Lebens erhöhen zu können. In dem Beruf „die Gefährtin des Mannes zu sein“ hat Gott dem Weibe die Stellung angewiesen, in welcher sie sowohl gegen die Gefahren ihrer Schwäche als auch gegen die Versuchungen zur Eitelkeit geschützt bleibt. –
aus: Otto Bitschnau, Christliche Standesunterweisungen, 1896, S. 5 – S. 6