Heiligenkalender
18. Mai
Der heilige Theodot Gastwirt und Märtyrer
(Willensstärke)
Dreihundert Jahre nach Christi Geburt war in Ancyra, einer Stadt Kleinasiens, eine sehr heftige Christenverfolgung. Ein Christ, Namens Viktor, saß damals im Gefängnis und sollte sich entscheiden, ob er den Götzen opfern oder sterben wolle. Sein Freund Theodot besuchte ihn im Gefängnis und redete ihm auf das Inständigste zu, Christus ja nicht zu verleugnen.
Auf diese Ermahnungen hin bestand Viktor anfänglich standhaft die Qualen; als er aber bald die Märtyrerkrone verdient hatte, schien er wankelmütig zu werden und bat, man möge aufhören mit den Martern, er wolle sich noch einmal mit dem Richter besprechen. Man führte ihn nun mit seinen Wunden ins Gefängnis zurück, wo er dann alsbald starb, so daß man nicht sicher weiß, ob er im Zustand des Abfalls oder noch in der Treue gestorben ist, weshalb er auch nicht als Märtyrer verehrt wird.
Einst hatte Theodot die Leiber von sieben Jungfrauen, welche den Märtyrertod erlitten haben, nachts hinweg geschafft und beerdigt, worüber die heidnische Obrigkeit höchst aufgebracht wurde. Wo man einen Christen sah, wurde er gepackt und auf die Folter gelegt, um von ihm heraus zu bringen, wer die Leichname entwendet habe. Theodot wollte sich selbst ausliefern und angeben, er sei der Täter; allein seine Freunde gaben es nicht zu. Ein Christ, Namens Polychronius, verkleidete sich in Bauerntracht, um ungekannt Erkundigung einzuziehen in dieser Angelegenheit. Allein er wurde erkannt, ergriffen und gefoltert. Zuerst litt er standhaft; als ihm aber mit dem Tod gedroht wurde, zerfloß seine Standhaftigkeit, wie wenn man ein Stück Eis auf einen heißen Ofen legt. Er gestand, Theodot habe die Leiber der Jungfrauen hinweg genommen, und zeigte den Ort an, wo sie jetzt zu finden seien.
Theodot erfuhr solches, bevor er zu Gericht gezogen wurde; er sagte den Brüdern Lebewohl, forderte sie auf für ihn zu beten, und bereitete sich vor zu dem großen schritt, den er bald tun sollte. Einige wollten ihn bereden zu fliehen; allein Theodot sagte: „Wenn ihr meine Freunde seid, so geht zum Richter und sagt, ich stehe vor der Türe.“
Als Theodot in den Gerichtssaal geführt wurde, waren Folterbank, Glutpfanne und andere Werkzeuge zur Marter hier aufgestellt. Der Richter erklärte nun dem Vorgeführten, er werde mit allen Strafen verschont bleiben, wenn er dem ans Kreuz gehenkten Jesus widersage; ja der Richter machte ihm so glänzende Anerbietungen, daß die Umstehenden ihm Glück wünschten. – Theodot jedoch antwortete ganz freimütig: „Was ihr von euern Göttern erzählt, sind so schlechte und schändliche Taten, daß eure eigenen Gesetze dagegen sind. Hingegen unser Herr Jesus Christus ist ganz rein, und seine göttliche Wesenheit ist durch viele Weissagungen und die größten Wunder bewiesen.“
Über diese Antwort wurden die umstehenden Heiden und der Richter auf`s Äußerste erbittert. Dieser befahl, den Theodot sogleich auf die Folter zu legen, ja er sprang vor wildem Zorn vom Richterstuhl auf, um selbst dabei Hand anzulegen. Theodot wurde nun mit eisernen Haken zerfleischt, dann scharfer Essig in die Wunden gegossen und mit Feuerflämmchen daran gebrannt. Theodot trug aber so standhaft und ruhig diese Qualen, wie wenn er nicht seinen eigenen, sondern einen fremden Leib zum Peinigen hingegeben hätte; denn seine Seele war ganz gefestigt in dem Herrn der Welt. Da aber Theodot auch während der qualvollen Pein immer noch mit der gleichen Standhaftigkeit Jesum Christum bekannte, so befahl der Richter, ihm mit Steinen ins Gesicht zu schlagen und dann die Zähne auszureißen. Dazu sagte der Märtyrer: „Du magst mir wohl sogar noch die Zunge ausschneiden lassen, Gott hört die Seinigen auch ohne den Laut der Stimme.“
Endlich ließ ihn der Richter ins Gefängnis führen, um später einen zweiten Versuch zu machen. Da nun die Leute auf der Straße zusammen liefen, um den fürchterlich zugerichteten Mann zu sehen, sprach er: „Seht an mir die wunderbare Kraft Christi, der mich gestärkt hat, solche Marter zu ertragen; es geziemt sich aber auch, ihm solche Opfer zu bringen, da er zuerst für einen Jeden von uns so unendlich viel gelitten hat.“
Nach fünf Tagen wurde Theodot wieder vorgeführt. Der Richter versuchte auf`s Neue, ihn durch Versprechungen und Drohungen vom Christentum abwendig zu machen; namentlich sagte er: „Die bisherigen Martern sind nur ein Schatten gegen das, was dir bevorsteht, wenn du die Götter nicht anbetest.“ Theodot erwiderte: „Du wirst nichts ersinnen, was stärker ist als die Kraft meines Herrn Jesu Christi.“
Nun ließ der Richter alle Qualen, die er zu erdenken wußte, in Anwendung bringen; sie mussten z. B. die Henkersknechte die zusammen geklebten Wunden von der vorigen Marter her wieder aufreißen, dann den aufgerissenen Leib glühend gemachten Scherben wälzen usw. Als aber auch dieses die Standhaftigkeit des Märtyrers nicht erschütterte, sprach der Richter endlich das förmliche Todesurteil aus, daß nämlich Theodot mit dem Schwert enthauptet und sein Leichnam verbrannt werden sollte, damit die Christen ihn nicht beerdigen könnten. Auf den Richtplatz geführt, fing der Märtyrer an laut zu beten: „Herr Jesus Christus, Schöpfer Himmels und der Erde, der du diejenigen nicht verlässest, welche auf dich hoffen: ich danke dir, daß mich gewürdigt hast ein Bürger deines Reiches zu werden; ich danke dir, daß du mir kraft und Mut verliehen hast, den Teufel zu überwinden. Gib deinen Dienern Ruhe, und laß bei mir das Wüten der Feinde zu Ende gehen; gib deiner Kirche den Frieden und mache sie frei von der Gewalt des Teufels!“ Zu den umher stehenden Christen sprach er: „Ihr Brüder müsset nicht trauern, sondern preiset unsern Herrn Jesus Christus, der bewirkt hat, daß ich meinen Lauf vollende und den Feind überwinde; übrigens werde ich im Himmel mit Zuversicht Gott für euch bitten.“ Hierauf empfing er freudig den Schwertstreich, der seiner Seele die Türe in den Himmel öffnete.
In dieser Geschichte wird von drei Christen erzählt, welche alle Drei vor den heidnischen Richter um ihres Glaubens willen gezogen wurden. Alle Drei hatten zuerst den Vorsatz für Christus zu sterben, aber nur ein einziger, Theodot, hielt Stand bei den harten Qualen bis ans Ende- die andern zwei, Viktor und Polychronius, ließen sich überwältigen. Woher kommt wohl dieser Unterschied, da die Kirche doch lehrt, jedem Menschen sei so viele Gnade zur Seite, als ihm notwendig ist. Der Unterschied kommt von der eigenen Mitwirkung, vom freien Willen des Menschen. Der freie Wille ist übrigens, wie die Gnade selbst, etwas Geheimnisvolles und in seinem letzten Wesen unergründlich. Wohl aber erkennt man so viel davon, daß er durch Übung stark wird, hingegen schwach wird und jeder stärkeren Versuchung unterliegt, je weniger der Mensch vorher durch tugendhaftes Kämpfen und Ringen seinen Willen gebraucht hat. Solches zeigt sich auch in der Geschichte des hl. Theodot. Er hatte schwerere und längere Qualen zu bestehen, als Viktor und Polychronius – und zeigte sich hierbei nicht schwach, wie diese beiden – aber er hatte schon vorher ein Leben geführt, wodurch er stark und fest werden musste, um solchen Kampf durchzufechten. Theodot führte nämlich eine Wirtschaft, nicht um reich zu werden, sondern um bei der damaligen Christenverfolgung leichter den Christen beistehen zu können; denn er machte sein Haus zu einem Zufluchtsort der verfolgten. Er war nach dem Ausdruck des hl. Paulus Alles Alles, die Armen unterstützte er, die Kranken verpflegte er; er ermunterte zur Ertragung des Märtyrertodes, die gemordeten Bekenner begrub er, obschon Todesstrafe darauf stand, wenn es vor der heidnischen Obrigkeit bekannt wurde. Er selbst war aber schon in jugendlichen Jahren so sehr der Gottseligkeit, dem Beten, fasten, Almosen ergeben, daß ihm Gott die Gnade schenkte, an Leib und Seele zu heilen, d. h. manchem Kranken, über den er betete, die Gesundheit zu erlangen, und manchen Sünder durch sein Zureden zur Bekehrung zu bringen. Armut zog er dem Reichtum vor, wenn man diesen nicht zu guten Werken anwende; und Müßiggang, Weichlichkeit und Vergnügungssucht hielt er für ganz unverträglich mit der Entschlossenheit für Christus zu sterben. Man wird es ganz natürlich finden, daß ein solcher Mann bis ans Ende ausgedauert hat.
Sieh`, mein Christ, du hast vielleicht schon manchmal in schweren Versuchungen gemeint, hier sei es nicht möglich der Sünde zu widerstehen. Allein dieses Gefühl der Ohnmacht kam vielleicht durch deine eigene Schuld – du hast kein Leben der Vorbereitung geführt. Wer sich z. B. Nicht übt die kleinen Verdrießlichkeiten, welche das tägliche Leben mit sich führt, in christlicher Sanftmut und Geduld zu ertragen, der wird allerdings meinen, er müsse in Zorn und Schimpfen ausbrechen und könne nicht verzeihen, wenn ihm einmal eine recht schwere Beleidigung widerfährt. So auch mit andern Sünden. Bedenke wohl – wenn dir Gott ein längeres Leben schenkt, kommen vielleicht noch schwere unvorgesehene Versuchungen – sie werden in der Regel dein Untergang sein, wenn du nicht im voraus gerüstet und gefestigt bist. Sorge also dafür, daß du stark und fest werdest; sieh`, es gibt fast alle Tage und alle Stunden Gelegenheit, ungehörigen Neigungen und Gelüsten zu widerstehen, Unangenehmes still zu tragen, Widriges tapfer anzugreifen und durchzuführen, oder mit andern Worten: es gibt alle Tage und Stunden Gelegenheit, sich selbst zu verleugnen. Je mehr, je getreuer, je standhafter du dieses getan hast, desto besser bist du vorbereitet, desto sicherer wirst du siegen, wenn auch schwere Versuchungen kommen. Wer aber weichlich und gelüstig in den Tag hineinlebt, dessen Tugend leicht einem Kartenhäuschen; schon der Hauch einer Versuchung macht dieselbe zusammen fallen. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 2 April bis Juni, 1872, S.234-238