Der heilige Germanus, Patriarch von Konstantinopel
Der heilige Germanus, der Sohn eines vornehmen Bürgers in Konstantinopel, war von Jugend auf eine der Zierden der Geistlichkeit dieser Stadt. Wegen seiner Tugenden und seiner Verdienste wählte man ihn im Jahre 715 zum Patriarchen zu eben dieser Zeit, wo die Kirche von großen Stürmen heimgesucht, von schweren Gefahren bedroht war. – Der heilige Patriarch widerstand mutig den Feinden, scheute nicht die Gefahren, wankte nicht in den Stürmen und rettete so das Heil vieler Tausenden. In seinem Kampf stand ihm besonders die allerseligste Jungfrau bei, der er mit besonderer Andacht ergeben war. Kaum hatte er von seiner Würde Besitz genommen, als das morgenländische Reich durch solche Empörungen erschüttert wurde, daß in weniger denn drei Jahren zwei Kaiser vom thron gestoßen wurden, und endlich Leo der Isaurier, dieser Feind der Mutter des Herrn und seiner Heiligen, den Thron erhielt. Schon begann Konstantinopel von den traurigen Folgen dieser Übel sich zu erholen, als eine Armee Sarazenen, Araber und anderer ungläubiger Völker, die zu Schiff ankamen, sich um die Stadt lagerten, um sie zu erobern und zu plündern. Die Belagerung dauerte drei Jahre; innerhalb dieser Zeit kamen die Bürger mehrmals i Gefahr, dem Feind zum Raub zu werden. Nach langem, mutigem Widerstand ließen ihre Kräfte nach; sie konnten die Belagerung nicht ferners mehr aushalten. Nun entschloss sich der heilige Patriarch, der das Volk immer gemahnt, ermuntert und getröstet hatte, den Zorn Gottes durch wahre Buße zu versöhnen, und dessen Güte durch die Fürbitte der Lieben Frau anzuflehen, und seine Barmherzigkeit durch die Vermittlung dieser mächtigen Mutter zu gewinnen.
Zu diesem Ende verordnete er einen dreitägigen feierlichen Bittgang um die Wälle der Stadt, wobei das vom heiligen Lukas gemalte Marienbild sollte herum getragen werden. Da dies geschah, und das Volk mit Tränen und Seufzern den Beistand der Himmelskönigin anrief, fing der sarazenische Feldherr, welcher der Prozession von Ferne zusah, an, den glücklichen Ausgang der Belagerung zu bezweifeln. Auch seine Soldaten wurden überdrüssig, murrten und begehrten mit solchem Ungestüm in ihr Land zurück zu kehren, daß sich endlich der barbarische Fürst, nachdem er wider die heiligste Jungfrau, die diese Stadt so augenscheinlich schützte, gräuliche Lästerungen ausgestoßen hatte, in Friedens-Unterhandlungen mit dem Kaiser einzulassen sich genötigt sah. Unter den Friedensbedingungen war auch diese, daß ihm und seinen Offizieren gestattet sei, in die Stadt zu kommen, weil er begierig war, sie zu sehen, da sie eine so lange Belagerung ausgehalten hatte.
Doch wunderbar! Ein Teil seiner Geleitschaft zog zwar frei durch das Stadttor hinein; als aber er folgen wollte, stand sein Pferd plötzlich still, und war trotz aller Anstrengung nicht weiter zu bringen. Der Barbar fühlte eine geheime Gewalt, die ihn zurück hielt; staunend hob er seine Augen in die Höhe und erblickte oberhalb dem Tor ein Marienbild. Bei diesem Anblick erinnerte er sich seiner Lästerungen gegen die heilige Jungfrau, und von Schrecken befallen, zog er aus Furcht vor einer noch größeren Züchtigung sich zu seinem Kriegsheer zurück. Mit diesem ging er zu Schiff. Weil er aber in seiner Gottlosigkeit verharrte, und die heilige Jungfrau zu lästern nicht aufhörte, erhob sich ein schreckliches Ungewitter; die ganze Luft schien nur Donner und Blitz zu sein, und die rächende Hand Gottes schleuderte die feurigen Keile seines Zornes dermaßen über die schiffe des Barbaren, daß ein Teil zu Asche verbrannte, und der Gottlose selbst in den Wellen des Meeres sein Grab fand.
Nachdem Konstantinopel wunderbarer Weise durch die Fürbitte der Gottesmutter aus den Händen der Barbaren befreit worden, befahl der heilige Patriarch, diesen Tag zum ewigen Angedenken jährlich feierlich zu begehen. Papst Gregor II. macht in einem Brief an den heiligen German von dieser Begebenheit Meldung und frohlockt mit dem heiligenPatriarchen über die Wohltaten, die er von der Gottesmutter erhalten, und über die Wunder, die sie zum Schutz und zur Erhaltung seines Volkes gewirkt hatte.
Wie sehr der heilige Patriarch die Gottesmutter liebte, geht aus seinem Kampf gegen den Bilderstürmer Kaiser Leo, dem Isaurier, klar hervor. Dieser Kaiser befahl im Jahre 725 die heiligen Bilder aus den Kirchen weg zu nehmen. Der Patriarch weigerte sich zu gehorchen, und verteidigte in seiner Gegenwart die Rechtmäßigkeit der Verehrung der Bilder Christi und seiner glorwürdigen Mutter mit aller Kraft, wobei ihn der heilige Johannes Damaszenus unterstützte. Vergebens suchte der Kaiser anfänglich den heiligen durch Schmeichelei zu gewinnen, und dann durch Drohungen einzuschüchtern; der heilige German blieb unerschütterlich, sah sich aber endlich gezwungen, der Gewalt zu weichen. Er musste im Jahre 730 seinen Bischofssitz verlassen und zog sich in das Haus seiner Väter zurück; dort starb er, den bedauerungswürdigen Zustand der Kirche beweinend, am 12. Mai 733. (Buttler. Abelly.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 1180 – Sp. 1182