Heiligenkalender
4. September
Die heilige Rosalia von Palermo, Einsiedlerin
Die heilige Jungfrau Rosalia ward zu Palermo in Sizilien im Anfang des 12. Jahrhunderts geboren. Ihr Vater Sinibaldus, Herzog und Herr von Rosa und Quisquina, stammte vom heiligen Kaiser Karl dem Großen her. Rosalia wurde zwar bei Hofe erzogen, lebte aber so, daß es schien, als wäre sie mitten unter den Nonnen in einem Kloster erwachsen. Ihr ganzes Tun und Lassen richtete sich nach den Grundregeln des heiligen Evangeliums ein. Im Reden, in Sitten und Gebärden war sie eingezogen und in der Andacht gegen Gott und die Heiligen war sie ein Vorbild für alle; daher fand sie an den Vergnügen der Welt, an Reichtümern und Ehren keine Freude. Durch Gebet und Wachsamkeit erhielt sie unter so vielen Gefahren, in denen sie sich wider ihren Willen befand, ihre Unschuld und Reinigkeit unverletzt. So wuchs sie zur Jungfrau heran, und ward von vielen wegen ihrer Schönheit und wegen anderer Vorzüge zur Ehe begehrt. Da faßte sie, um Gott den Herrn in jungfräulicher Reinigkeit zu dienen, den Entschluß sich in der Stille vom Hofe zu entfernen. Einige tausend Schritte von Palermo liegt der Berg Montereale, mit dichtem und finsterem Gehölz bedeckt. Dahin floh Rosalia, den Schutz der liebreichen Mutter Maria anrufend. Dort traf sie in einem Felsen eine Höhle an, die nur einen sehr engen Eingang von oben herab hatte. Diese erwählte sie zur Wohnung. Ober derselben zeichnete sie diese Worte in einen Stein: „Ich Rosalia, eine Tochter Sinibalds, des Herrn von Quisquina und Rosa, habe fest bei mir beschlossen, aus Liebe zu meinem Heiland Jesus Christus in dieser Höhle zu wohnen.“
Viele Jahre lang lebte die hl. Jungfrau an diesem Orte, und niemand wußte es; denn sie nahm sich sehr in acht, damit sie ja von keinem Menschen gesehen und mit Gewalt in das väterliche Haus zurück gebracht würde. Ihre ganze Beschäftigung war das Gebet, das Lob Gottes, die Betrachtung der himmlischen Freuden. Bei allem dem wurde sie dennoch von dem Satan entsetzlich und fast ohne Unterlaß mit vielen schweren Anfechtungen gepeinigt und beunruhigt.
Nachdem sie in dieser Höhle lange Zeit nur Gott allein gelebt hatte, wurde sie durch einen von ihm gesandtenEngel ermahnt, diese Wohnung zu verlassen und auf einen anderen Berg, den Monte Pellegrino, sich zu begeben. Dieser war nicht so weit von Palermo entlegen und gerade der väterlichen Residenz gegenüber. Rosalia hatte auf demselben ihre väterlichen Besitzungen vor Augen. Da hatte sie Gelegenheit, recht heldenmütig über die Welt und ihre Eitelkeit zu siegen. Auf diesem Berge war ebenfalls eine Höhle, die aber weit enger und schauerlicher als die vorige – sehr finster und ohne einigen Schutz wider die Winde und das Ungemach der Witterung war. Die größte Beschwernis mußten ihr die stets von oben herab rieselnden Wassertropfen gemacht haben.
Da verblieb sie wie eine Taube in den Ritzen der Felsen verborgen und seufzte nach ihrem himmlischen Bräutigam. Da brachte sie ihr ganzes noch übriges Leben in größter Strenge und Heiligkeit zu. Ihre ganze Nahrung bestand in einigen wilden, in der Nähe wachsenden Kräutern. Wie einsam und schauerlich es hier aber auch für jeden andern Menschen sein mochte – für Rosalia war es nicht so, indem sie an diesem Orte noch öfter als früher sich himmlischer Besuche erfreute, ja sogar von hl.Engeln mehrmals mit dem Brot des Lebens gespeist wurde. Seit ihrem Verschwinden hatten die Eltern sie überall aufsuchen lassen. Als man nach langer Zeit auf dem Berge Montereale die genannte Inschrift gefunden hatte, die ihren dortigen Aufenthalt anzeigte, wurden noch mehrere Boten ausgesendet. Gott fügte es aber, daß man seine Dienerin nach längerer Zeit in der eben beschriebenen Berghöhle fand, aber nicht mehr am Leben. Sie lag auf der Erde, mit einer Hand ihr Haupt stützend, und die andere auf ihre Brust gelegt, gleich einer schlafenden Person. So fand man sie im Jahre 1160.
Nach einer andern Erzählung soll man die Gebeine der heiligen Rosalia in der genannten Höhle, aber erst im Jahre 1625 gefunden haben. In diesem Jahre wurde der Ort geoffenbart, wo man ihre Gebeine fand. Es war damals in Palermo die Pest, an welcher täglich innerhalb weniger Stunden siebzig bis hundert Personen starben. Einem frommen Bürger wurde geoffenbart, daß die Stadt nicht früher von diesem Übel befreit werden würde, als bis der Leib der heiligen Rosalia in dieselbe feierlich würde übersetzt sein. Sogleich stellte man eine feierliche Prozession an, brachte die heiligen Reliquien in die Stadt, und sogleich nahm die Seuche ein Ende. Wegen dieser Begebenheit wird die heilige Rosalia noch heut zu Tage als eine Patronin wider die Pest verehrt und angerufen. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 702 – S. 704