Heiligenkalender
23. August
Heilige Aszelina, Zisterzienserin und Büßerin
(Liebschaften)
Die Mutter dieser gottseligen Jungfrau war eine Verwandte des hl. Bernard, und gleichfalls sehr fromm. Sie betete täglich, daß Gott Alles von ihr hinweg nehmen möge, was ihrer Seele an vollkommener Liebe und Einigung mit Gott hinderlich sei. Als hierauf ihr Mann starb, entschloss sie sich der Welt ganz zu entsagen; sie unterwarf sich den Unterweisungen des hl. Bernard und ihr einziges Bestreben ging nur noch dahin, vollkommener zu werden und ihre kleine Tochter recht gottesfürchtig zu erziehen.
Aszelina zeichnete sich schon als Kind durch Verstand und Tugendhaftigkeit so sehr aus, daß sich der hl. Bernard und seine Brüder selbst darüber wunderten. Weil sie wußte, daß die Jungfrauschaft besonders wohlgefällig vor Gott mache, so machte sie das Gelübde, lebenslänglich in jungfräulichem Stand zu bleiben; eingedenk aber, daß alle Vorsätze ohne Gottes Beistand nicht haltbar sind, bat das gottselige Mädchen inständig um seinen Schutz und Segen zu ihrem Vorhaben. Gott schien auch mit außerordentlicher Fürsorge sie vor jedem Fehltritt bewahrt zu haben. So wird erzählt, daß sie schon in der Kindheit eigentümlich gewarnt worden sei. Wenn nämlich Aszelina in jugendlicher Leichtfertigkeit unberechtigter Weise etwas nehmen wollte, z. B. Eine Nadel oder ein Stückchen Käse, so soll sie gefühlt haben, daß jemand sie am Kleid zurück hielt, und hörte eine Stimme sagen: „Laß bleiben, es ist nicht gut für dich“, während doch kein Mensch im Zimmer zu sehen war. Auf diese Weise bekam Aszelina nicht nur wie andere Menschen innerliche Einsprechungen durch den Schutzengel, sondern wurde sogar auch äußerlich gemahnt.
Da Aszelina allmählich zur Jungfrau heran wuchs, entkleideten ihr alle weltlichen Beschäftigungen und Vergnügungen immer mehr und sie fand ihre einzige Freude nur im Umgang mit Gott, im Gebet und Betrachtung. Wie sie aber an Tugenden reich geschmückt war, so hatte sie auch körperlich eine ungewöhnliche Schönheit. Aber gerade diese Schönheit brachte sie, wie es so oft geschieht, in große Gefahr.
Einmal begleitete nämlich Aszelina ihre Hausgenossen an einen Ort, wo sie mit einander Wachskerzen für den Gottesdienst verfertigten. Da war auch ein Jüngling zugegen, welcher der Kleidung nach dem geistlichen Stand sich widmen wollte; dieser betrachtete mit leichtfertigen Blicken die schöne Gestalt der jungen Aszelina und faßte eine sündhafte Neigung zu ihr. Er suchte nun und fand Gelegenheit, allein mit Aszelina zu sprechen. Er grüßte die Jungfrau mit süßen Worten und geheuchelter Einfalt und Bescheidenheit, fragte sie, ob sie nicht Lust habe, den Gesang nach Noten zu lernen, er wolle ihr recht gern Unterricht darin geben. Während er aber noch solches redete, kamen Leute in das Zimmer und er musste sich entfernen. Da schickte er einen Brief und auch Verse an Aszelina.
Sobald er wieder Gelegenheit ausgespürt hatte, mit der Jungfrau unter vier Augen zu reden, rückte er deutlicher mit der Sprache heraus, wie er eine so große Liebe zu ihr habe, und er bitte sie inständig auch um ihre Liebe. In ihrer kindlichen Unschuld an nichts Arges denkend, antwortete Aszelina mit Tauben-Einfalt: „Wenn du die Welt verlassest und geistlich wirst, werde ich dich lieb haben.“ Diese Worte erfüllten den schlechten Menschen mit Freude, und er zweifelte nicht mehr, daß er seine schändlichen Absichten erreichen werde. Er versprach der Jungfrau, wenn sie ihn ebenso lieben wolle, wie er sie, werde er in den Priesterstand eintreten. Wirklich meldete er sich zur Aufnahme unter den sogenannten Regularklerus; er hoffte dadurch leichter Zutritt bei Aszelina zu bekommen und allmählich durch öftere Besuche mehr und mehr ihr Herz zu gewinnen. Schon suchte dieser Wolf im Schafskleid drei Monate lang die Jungfrau mit seinen Künsten zu umgarnen, als Jemand, dem Anschein nach ein armer Bettler, zu ihr kam und ihr die schlechten Absichten ihres vorgeblichen Freundes entdeckte; er sprach: „Sei auf der Hut, Tochter, der Teufel stellt dir nach und sucht sich durch jenen Geistlichen zu verderben.“ Erschrocken darüber, teilte Aszelina sogleich als treue Tochter die Sache ihrer Mutter mit. Der Bettler war aber verschwunden; Niemand hatte ihn kommen oder gehen sehen; darum glaubte man, es sei der Schutzengel der unschuldigen Jungfrau gewesen, welcher sie zur rechten Zeit gewarnt habe.
Es ist schon oft geschehen, daß ganz fromme Mädchen, die ins Kloster zu gehen oder barmherzige Schwestern zu werden vorhatten, später ganz weltlich wurden oder sogar ins Laster verfielen. Woher kam dieses? In der Regel daher, daß ein Mädchen unnötige Besuche von irgend einer Mannsperson annimmt, dadurch allmählich eine Neigung erwacht, die immer mehr zunimmt bis zur vollständigen Verliebtheit, wobei dann Gott eine Nebensache wird; schon manche Fromme ist auf diesem Weg später so tief oder noch tiefer gefallen, als sonst leichtsinnige Personen, auf welche jene sonst mit Abscheu und Verachtung herab gesehen hat. Aber auch, wenn es nicht einmal zum Ärgsten kommt, so ist doch jede Liebschaft verwerflich, wenn nicht Absicht und Aussicht baldiger Verehelichung vorhanden ist; denn die Zeit der Liebschaft ist eine Zeit der Gefahr zur schweren Sünde, sei es auch nur innerlich in unreinen Begierden, und ist sehr oft auch eine Abgötterei, indem man mehr die geliebte Person, als Gott im Kopf und im Herzen trägt. Wenn daher der Funke einer unnützen Neigung zu einer Person bei dir anfängt zu glimmen, so brich ganz den Umgang ab und befolge das Wort des Heilandes: „Wenn dich dein Auge ärgert, so reiß` es heraus, denn es ist dir besser einäugig in das Reich Gottes einzugehen, als mit beiden Augen in das Höllenfeuer verstoßen zu werden, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.“
Es versteht sich von selbst, daß Aszelina nach dieser Warnung jenem schlechten Menschen für immer den Abschied gab worauf dieser auch das geistliche Kleid wieder ablegte und in der Welt ein unsittliches Leben führte. Aszelina wurde hierdurch für die Zukunft vorsichtiger und nahm sich vor, von keiner Mannsperson mehr, scheine sie auch noch so heiligmäßig, Besuche anzunehmen. Die Mutter aber entschloss sich, mit der Tochter in eine Einöde, wo ein alter, frommer Priester lebte, sich zurück zu ziehen, um abgeschiedener von der Welt zu leben.
Von nun an war das höchste Anliegen und Gebet der hl. Aszelina, daß sie sich ganz nach dem Willen Gottes bilde. Vor Allem war sie mit Ängstlichkeit darüber wachsam, Leib und Seele in wahrer Unschuld zu erhalten. Zuweilen brachte sie ganze Tage im Gebet zu; jeden Tag züchtigte sie ihren Leib sieben Mal und machte wenigstens achtzig Kniebeugungen. Damit die Schönheit ihres Gesichtes weder ihr selbst, noch Anderen zur Schlinge des Satans werde, so vertilgte sie dieselbe durch strenge Fasten und indem sie sich mit Asche bestreute; ihr schönes langes Haar aber schnitt sie ab. Sie ließ nicht nur keine sündhaften Gedanken in sich aufkommen, sondern auch schon die unnützen und weltlichen Gedanken vertrieb sie mit Gebet oder Arbeit oder Betrachtung. Einmal, da viel heftiger als sonst ihrem Geist weltliche Eitelkeiten vorschwebten und die gewöhnlichen Mittel dagegen nichts helfen wollten, stürzte sie sich in einen Dornbusch, um durch die Schmerzen eine andere Stimmung zu bekommen.
Obschon Aszelina in ihrem Leben niemals sich auch nur in unreinen Gedanken freiwillig aufgehalten hatte, so ängstigte sie sich doch viel darüber, ob sie denn vor dem unendlich Heiligen noch unter die wahren Jungfrauen gezählt werde; sie habe eben doch jenen Menschen öfters angehört, und trage vielleicht gar auch Schuld daran, daß er den geistlichen Stand verlassen und einem verdorbenen Wandel sich hingegeben habe. Da sie wieder einmal ihre Angst in inbrünstigem Gebet ausgoß, erbarmte sich Gott und tröstete die arme Seele. Sie sah den Evangelisten Johannes in großem Glanz, der mit freundlichem Angesicht und vornehmlicher Stimme zu ihr sprach: „Sei standhaft, Tochter, und kämpfe, denn du wirst bei den Jungfrauen Christi deinen Platz und Lohn haben.“
Da nun diese Zeit die Zisterzienser-Klöster gegründet wurden, trat Aszelina auch in ein solches ein. In diesem höchst strengen Kloster war sie allen Schwestern ein Vorbild. Die Tränen der Zerknirschung waren bei ihr so reichlich, daß sie vor dem Altar eine kleine Vertiefung oder ein Grübchen in dem Boden machte, und dann nicht eher von dem Gebet abließ, bis das Grübchen von ihren Tränen angefüllt war. Sie hatte auch einmal hierüber eine Offenbarung, daß die Tränen, welche aus inniger Andacht des Herzens hervor kommen, wie eine Taufe den Menschen reinigen, wenn er nachher nicht wieder zu den Eitelkeiten zurück kehre. (siehe dazu den Beitrag: Wie die vollkommene Reue erwecken)
Jeden Tag betete sie einmal die 150 Psalmen; an manchen Tagen in der Woche zweimal; jeden Samstag 1000mal den englischen Gruß, desgleichen an allen Marientagen. In ihrer großen Demut sagte sie selbst einmal: „Ich bin mir nichts Gutes bewußt, als daß ich unaufhörlich Gott im Sinn habe“ Im Schweigen war sie so standhaft, daß sie zur Zeit des klösterlichen Stillschweigens nicht einmal mit der Tochter des Königs von Frankreich reden wollte, da diese doch gekommen war, um die hl. Aszelina zu sehen. Ihr inniger Herzenswunsch war, daß sie doch auch als Märtyrerin für Christus ihr Blut vergießen dürfte.
Wenn man bedenkt, was für ein strenges Büßerleben Aszelina führte, nachdem sie nur die unbegründete Besorgnis hatte, ihre Jungfrauschaft sei nicht vollkommen rein wegen ihrer Unvorsichtigkeit in der Jugend: was soll man von denen denken, welche Jahre lang schwere Sünden gegen die Keuschheit begangen haben, und zuletzt meinen, durch eine leichtfertige Beichte ohne ernstlichen Schmerz und Buße sie Alles bei Gott wieder in Ordnung gebracht!
Aszelina wurde noch so berühmt wegen der mannigfachen Wunder, welche durch ihr Gebet geschahen, daß selbst der Erzbischof von Köln sie einmal kommen ließ, um einer besessenen Frau zu helfen. Sue wußte ihren Todestag ein Jahr vorher schon, desgleichen daß ihr die ewige Seligkeit bestimmt sei. In Wahrheit konnte sie mit dem Apostel sprechen: „Einen guten Kampf habe ich gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt; im Übrigen wartet meiner die Krone der Gerechtigkeit.“ –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 3 Juli bis September, 1872, S. 304 – S. 309