Heiligenkalender
15. November
Der heilig Fintan von Rheinau, Eremit
(Gelübde)
Im neunten Jahrhundert war das Meer und alle Landschaften, welche am Meer lagen, höchst unsicher durch eine wilde Nation von Seeräubern, die Normannen. Da geschah es auch einmal in Irland, daß ein Jüngling von Adel, Namens Fintan, von jenen überfallen und als Sklave fortgeführt wurde. Das Schiff aber, worauf sich Fintan befand, kam während der Fahrt in Kampf mit einem andern normannischen Schiff; in dem Edelmut seines Herzens beteiligte sich auch Fintan freiwillig an dem Kampf, um den Herrn zu verteidigen, welcher ihn als Sklaven gekauft hatte. Der heidnische Norman war über diese schöne Tat des christlichen Sklaven so erfreut, daß er ihm die Ketten abnehmen ließ; jedoch ihm auch die Freiheit zu schenken, so weit ging seine Großmut nicht. Als das Schiff an einer Insel hielt, um frisches Wasser einzunehmen, durfte Fintan auch an das Land. Alsbald sah er sich auf der Insel um, wie er sich der Gewalt der Räuber entziehen könne. Er fand eine Höhlung unter einem Felsen am Meer; hier verbarg er sich. Allein nach einiger Zeit kam die Flut und das steigende Wasser warf seine Wellen bis in die Höhle hin; zugleich suchten ihn die Räuber, welche wieder abfahren wollten, und er hörte sie über dem Felsen seinen Namen rufen. Doch Fintan, im Vertrauen auf Gott, hielt einen Tag und eine Nacht in der Höhle aus, bis die Räuber abgefahren und wieder Ebbe eingetreten war.
Allein die Insel war ganz öde und Fintan hatte bei allem Herumstreifen nichts gefunden, als wilde Kräuter, von welchen er verzehrte, um dem Hungertod zu entgehen. Schon war er drei Tage voll Kummer auf der Insel herum geirrt, da sah er, wie die Delphine und Walfische so fröhlich auf den Meereswellen spielten und in allerlei Bewegungen ihre Lebenslust zeigten. Dieser Anblick predigte dem trostlosen Jüngling, er solle auf Gott vertrauen; der Schöpfer, welcher selbst dem Tier Leben und Freude gibt, werde des Menschen nicht vergessen. Mit neuer Zuversicht und zu Tränen gerührt betete Fintan zu Gott, er möge ihm aus seiner Not helfen, er wolle dann allen weltlichen Vergnügungen, selbst dem Vaterland entsagen, eine Wallfahrt nach Rom machen und alle seine Kräfte dem Dienst Gottes widmen.
Fintan hatte hiermit ein großes Gelübde gemacht; es ist nämlich ein Gelübde, wenn man Gott etwas verspricht, das Gott gefällt und wozu man sonst nicht verpflichtet ist. Wenn du z. B. Gott versprichst, jedes Jahr einen armen Erstkommunikanten kleiden zu lassen, oder jeden Freitag in die Kirche zu gehen, so hast du ein Gelübde gemacht, weil du Gott ein gutes Werk versprochen hast, wozu du sonst nicht verbunden bist. Gelübde sind etwas Gottgefälliges, weil man damit Gott ein Opfer bringt und sich selbst vor Wankelmütigkeit im Guten bewahrt. Auf ein rechtes Gelübde hin schenkt Gott oft manche Gnade, die man vielleicht ohne Gelübde nicht erlangt hätte, z. B. Gesundheit, Errettung von einer Gefahr, Hilfe im Elend. Hat man aber einmal ein Gelübde gemacht, so ist man auch heilig daran gebunden, genau und getreu zu erfüllen, was man Gott versprochen hat. Sehen wir nun, was auf das Gelübde des hl. Fintan erfolgt ist und wie er es gehalten hat.
Gleich nach diesem Gebet und Gelübde fühlte sich Fintan ungemein getröstet und ermutigt. Auf innerlichem Antrieb und im Vertrauen auf Gott wirft er sich samt den Kleidern in das Meer, und von den Wellen getragen kommt er wohl behalten an die Küste von Schottland. Nachdem er einige Tage umher geirrt war, fand er einige Leute, die aber seine Sprache nicht verstanden; sie führten ihn daher zu dem Bischof, welcher in Irland studiert hatte. Diesem gefiel der Jüngling und sein ganzes Benehmen so wohl, daß er ihn zwei Jahre lang bei sich behielt und auch zum Priester weihen wollte. Allein Fintan widersetzte sich dem, weil er sobald als möglich sein Gelübde ausführen wollte. Endlich fand sich eine Gelegenheit, mit einem schiff nach Frankreich zu reisen; hier angelangt, wanderte er in die Stadt Tours, um an dem berühmten Grab des hl. Bischofs Martin seine Andacht zu verrichten. Von hier kam er in vielen und mühsamen Wanderungen endlich nach Rom, wo er bei den Apostelfürsten sein Gelübde löste. Sodann kehrte er in die Schweiz zurück und hielt sich einige Zeit in dem Kloster Pfeffers auf, mit dem Gedanken, sich hier in den Orden aufnehmen zu lassen. Allein da er in eifrigem Gebet Gott anfragte, sah er in einer Erscheinung einen Ort, den der Rhein in seltsamen Krümmungen ganz umströmt. Er verließ deshalb Pfeffers wieder und traf in Alemannien einen Grafen Wolfenus. Dieser faßte eine solche Verehrung und Liebe zu dem gottseligen Fremdling, daß er ihn einige Jahre an seinem Hof behielt, wo Fintan mitten unter den Ergötzlichkeiten eines vornehmen Herrn durch große Tugendstrenge eine lebendige Predigt war.
Das Kloster Rheinau war damals in keinem guten Zustand; dem Grafen war daran gelegen, daß wieder Ordnung und Zucht daselbst hergestellt werde. Er machte daher dem hl. Fintan den Antrag, dort einzutreten; dieser fand bei seinem Besuch in Rheinau, daß gerade dieses der Ort sei, den ihm Gott zu Pfeffers in einem Gesicht gezeigt hatte. Hier nahm er nun das Ordenskleid und zeigte alsbald einen solchen Eifer und heiligen Wandel, daß die übrigen Mönche ihn mehr nur anstaunen als nachahmen konnten.
Beten, Fasten und Wachen waren gleichsam sein Zeitvertreib. Während er aber viel strenger gegen sich war, als es die Ordensregel forderte, so war er höchst gutherzig gegen die Armen. Im ersten Jahr gab er ihnen ein Viertel seiner Brotportionen, im zweiten die Hälfte, im dritten Jahr behielt er nur noch ein Viertel für sich. Harte Steine waren sein Nachtlager, und auf diesen ruhte er nur so lange, bis die andern Mönche eingeschlafen waren; dann stand er auf und brachte die übrige Zeit in der Kirche mit Gott zu. Öfters erquickten seine in Gott versenkte Seele himmlische Erscheinungen.
Allein nach einiger Zeit genügte ein solches Leben dem hl. Fintan nicht mehr. Nachdem er sich in vielem Gebet mit Gott beraten hatte, begehrte er von dem Abt des Klosters die Erlaubnis, sich ganz abzuschließen in eine Klause. Es wurde ihm nun eine solche hergerichtet neben der Kirche, wo er sich einschließen ließ und daselbst wie in einem Kerker 22 Jahre zubrachte. Von allen Seiten kamen zu dem heiligen Mann Bedrängte, Angefochtene, Sünder und Gerechte, um von ihm Trost, Belehrung, Rat, Ermahnung und Zuspruch zu bekommen. Während aber der hl. Fintan mit größter Liebe täglich mit den Weinenden weinte, mit den Bedrängten seufzte und mit den Fröhlichen zu Gott frohlockte, war er jetzt noch härter gegen sein eigenes Fleisch. Er trug stets auf bloßem Leib ein stechendes Bußkleid. Die zweiundzwanzig Jahre, da er in der Klause wohnte, kam er nie in ein Bett, wärmte er sich nie an einem Feuer oder Ofen, aß er nie mehr Brot; hingegen empfing er täglich das hl. Abendmahl. Anfänglich hatte er einige Male die heftigsten Versuchungen, teils durch übermäßigen Hunger, damit er sein Fasten breche, teils durch Zweifel, als sei seine Lebensweise nichts wert. Gegen alle diese Anfechtungen nahm er seine Zuflucht zum Gebet und bekam jedesmal Erleuchtung und Kraft, sie glücklich zu überwinden, so daß er seine letzten Lebensjahre in großer Gemütsruhe und Frieden zubrachte bis zu seinem seligen Ende.
Der hl. Fintan hatte bei seinem Eintritt in das Kloster Rheinau das gewöhnliche Ordensgelübde abgelegt; nach einigen Jahren aber machte er das Gelübde, sich lebenslänglich in eine Zelle einschließen zu lassen. Wenn man nämlich ein Gelübde gemacht hat, so darf man dasselbe vertauschen mit einem andern Gelübde, in welchem etwas Besseres und Vollkommeneres versprochen wird. Wer z. B. das Gelübde gemacht hat, jeden Sonntag Nachmittag einen Rosenkranz in der Kirche zu beten, kann dieses Gelübde mit dem Versprechen vertauschen, jeden Tag die hl. Messe mit Andacht anzuhören, weil letzteres noch mehr wert ist als ersteres. Hingegen darf der Christ niemals sich selbst von einem gemachten Gelübde lossagen, wohl aber darf die Kirche Dispens geben, wo es zur größeren Ehre Gottes und zum Heil der Kirche gereicht, wenn von dem Gelübde abgewichen wird. Wir finden im Leben des hl. Fintan auch eine solche Ausnahme. Einmal ging er nämlich in den letzten 20 Jahren seines Lebens aus der Zelle heraus. Die Sache verhielt sich nämlich so:
Zur Zeit, da der hl. Fintan noch im Kloster war, brachte Graf Wolfenus das Haupt und einen Arm des hl. Blasius aus Rom, um sein Lieblingskloster Rheinau damit zu begaben. Die Nacht, bevor die Reliquien feierlich in der Kirche aufgestellt werden sollten, brachte daselbst der hl. Fintan im Gebet zu. Da sah er eine schneeweiße Taube, die sich auf den Altar setzte, auf welchen die Reliquien den folgenden Tag gelegt werden sollten; dieselbe setzte sich auch auf seine Schultern, hernach verschwand sie. Darum sieht man auch den hl. Fintan abgemalt mit einer Taube auf den Schultern. Im Jahre 856 wurde ein Klösterlein im Schwarzwald in der Art mit dem Kloster Rheinau verbunden, daß von hier Brüder dorthin geschickt wurden, um den Gottesdienst zu besorgen. Man beschloss nun in Rheinau, mit dem verbrüderten Kloster auch den geistlichen Schatz zu teilen, nämlich den Arm des hl. Blasius in die Kirche zu Sankt Blasien überzutragen. Da nun Fintan eine ganz besondere Verehrung zu diesem Heiligen hatte, und wie es schien, der hl. Blasius auch eine besondere Freundschaft für Fintan, so entstand in dessen Seele eine große Begierde, selbst das Heiligtum seines himmlischen Gönners nach Sankt Blasien zu bringen. Um aber zu erfahren, ob dieses außerordentliche Verlangen aus Gott oder von der Natur komme, so betete er die nacht, bevor die Übertragung stattfinden sollte, höchst eindringlich um Erleuchtung. Da kam er in Entzückung und sah darin, wie er mit vielem Volk über die Rheinbrücke ziehe, die weiße Taube auf den Schultern. Diese Erscheinung galt ihm als Antwort; er nahm von seinem Abt Dispens von seinem Gelübde und trug den Arm des hl. Blasius in die Klosterkirche am Schwarzwald. Wahrscheinlich weilte Fintan noch einige Zeit hier, um in gleicher Weise wie in Rheinau durch Wort und Beispiel die Brüder anzuleiten zu wahrhaft frommem Klosterleben. Später entstand aus dem kleinen Anfang das große berühmte Kloster Sankt Blasien. –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 4 Oktober bis Dezember, 1872, S. 270 – S. 274