Friede den Menschen die guten Willens sind

Friede den Menschen, die guten Willens sind

Das außerordentliche Bußleben dieses Heiligen, das von unzähligen Augenzeugen aus Asien, Afrika und Europa angestaunt wurde, ist von einem doppelten Gesichtspunkt aus zu betrachten. Einerseits wollte Gott der bußscheuen Welt zeigen, was der gute Wille des Menschen mit der Gnade vermag; andererseits wollte Er den rohen Nomaden-Völkern jener Länder durch diese wundervolle Erscheinung den Weg zur Glaubensgnade bahnen.
Der berühmte Geschichtsforscher Friedrich v. Hurter sagte: „Das Christentum muss von Gott geoffenbart sein, weil nur die göttliche Weisheit das Gesetz aufstellen konnte: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen, die guten Willens sind.“ Ein einfacheres, der Natur und Vernunft gemäßeres Gesetz der Glückseligkeit ist nicht denkbar: und doch hab` ich – ich bin weit in der Welt herum gekommen, hab` viel über die Vergangenheit studiert und sehr viel in der Gegenwart beobachtet – sehr wenig guten Willen angetroffen.“ Der Ausspruch verdient dein Nachdenken über die Frage:

1) Worin besteht denn der gute Wille? Er besteht in der Freudigkeit des Herzens und in der Aufforderung der Gnade, dem Ruf Gottes jederzeit und ohne Zögern zu folgen – sogar bis zur höchsten Stufe der christlichen Vollkommenheit. Der gute Wille wägt nicht ängstlich die verschiedensten Rücksichten ab, fragt nicht Fleisch und Blut um Rat, ob es wolle oder nicht; er horcht einfach auf die Stimme Gottes und antwortet fest: „Herr, hier bin ich.“ So handelte der hl. Simeon. Die Gnade ruft ihn zur „Seligkeit der Trauernden“, und er folgt ihr; sie zieht ihn in das Kloster, und er gehorcht; sie ermuntert ihn zu strenger Buße, und er vollbringt sie; sie führt ihn in die Einöde, und er geht; sie mahnt ihn, eine Mandra zu bauen, und er bewohnt sie; sie heißt ihn nacheinander vier Säulen besteigen, und er besteigt sie; sie befiehlt ihm, auf der höchsten Stufe auszuharren, und er harrt aus mit der Einfalt eines folgsamen Kindes; sie bestimmt ihm die Stunde seines Scheidens, und er geht ein in den Genuss des Trostes, den Jesus den Trauernden verheißen. Beachte es wohl, gerade wegen dieses guten Willens hatte Jesus die Freude, über Simeon (hoffentlich auch über dich!) nicht klagen zu müssen, wie Er einst über Jerusalem weinend geklagt hat. „Jerusalem, Jerusalem, die du die Propheten mordest und steinigst die, welche zu dir gesandt worden, wie oft wollte Ich deine Kinder versammeln, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt: du aber hast nicht gewollt!“ (Matth. 23)

2) Welches ist das beste Mittel, den guten Willen lebenslänglich zu bewahren? Antwort: „Fürchte Niemanden und Nichts, als dich selbst, deinen Eigensinn, deine Eigenliebe; verleugne dich selbst, damit du ungehindert dem Ruf der Gnade folgen magst.“ Lerne den Gebrauch dieses Mittels vom hl. Simeon: aus Furcht vor sich selbst flüchtete er sich unter eine strenge Ordensregel; aus derselben Furcht zügelt er mit scharfem Zaum sein Fleisch, schmiedet er sich mit einer schweren Eisenkette an einen Felsblock, umzäunt er sich auf hoher Säule mit einem Geländer und will eilends herab steigen, als die geistlichen Oberen seinen Eigenwillen auf die Probe stellen. Diese Furcht vor sich selbst schärft dir Jesus mit den ernsten Worten ein: „Wenn dich dein rechtes Auge ärgert, so reiß es aus und wirf es von dir; denn es ist dir besser, daß eines deiner Glieder verloren gehe, als daß dein ganzer Leib in die Hölle geworden werde…“ (Matth. 5) Sei überzeugt, du hast keinen mächtigeren und gefährlicheren Feind deines Seelenheiles, als dich selbst, deine dir angeborene Begierlichkeit, welche beständig wider deinen Geist und die göttliche Gnade streitet. Bewahre also den guten Willen! –
aus: Otto Bitschnau O.S.B., Das Leben der Heiligen Gottes, 1880, S. 13 – S. 14

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