Über die Freimaurerei im 19. Jahrhundert
Diese weit verbreitete Gesellschaft zeigt schon dadurch ihre Unehrlichkeit, daß sich die Mitglieder nicht einmal getrauen, öffentlich ihre Namen zu nennen, gerade, wie wenn sie zu einer Gauner- Gesellschaft gehörten. Wenn sie in einer Stadt ein Versammlungshaus haben, so schleichen sie abends hinein, wie sich ein liederlicher Ehemann in ein schlechtes Haus schleicht, ängstlich, daß er nicht gesehen werde. Dabei geben sie ihren Gesellschaften ganz lächerlich hochtrabende Titel; so z. B. nennt sich die Freimaurer-Sippschaft i Freiburg „Losche zur edlen Aussicht!“ und spottet, ohne es zu wissen, über sich selber; denn ihr Haus stund hinter dem Viehmarkt und hatte die Aussicht gerade auf einen Kuhstall neben dem Judenwirtshaus – das war bis in die siebziger Jahre herauf die edle Aussicht der Freimaurer in Freiburg.
Doch wollen wir dieses Freimaurertum einmal sortieren. Ich könnte zwar von den verschiedenen Ämtern und Rangstufen und Aufnahme-Zeremonien reden, womit diese alten Knaben Komödie und Affenspiel treiben; allein es ist nicht der Mühe wert, diese Possen aufzuzählen. Wohl aber will ich zeigen, was für Persönlichkeiten in dieser Duckmäuser-Gesellschaft zu finden sind. Es gibt der Hauptsache nach viererlei Sorten:
1. Die Einfältigen.
Wenn so ein wohlhäbiger Gewerbsmann üppig wird, so möchte er auch etwas Absonderliches sein. In früheren Zeiten hat man Bürgermilitär gehabt; da hat dann so ein Stadtbürger sich von Frau und Kindern bewundern lassen, wenn er in seiner blauen und roten Montur aufgetreten ist, eine Flinte in der Hand und einen grausamen Säbel an der Seite. Jetzt haben derlei Leute ein anderes Spiel der Eitelkeit: sie lassen sich aufnehmen in eine Freimaurer-Losche und meinen: jetzt seien sie Menschen von höherem Rang. Wenn sie dann das Gefasel von „Weltbaumeister“, „großer Orient“, „aufgehende Sternflamme“ und dergleichen gelinden Unsinn hören, so machen sie ernsthafte, wichtige Gesichter und Augen wie Nachteulen und meinen: in diesem Strohgeschwätz stäken unergründlich tiefe Gedanken. Solche Leute wissen oft nicht einmal, daß die Freimaurerei eiN Abfall vom Christentum ist; ich kannte einen solchen Gewerbsmann, der in der Losche selber Reden hielt und doch nach Einsiedeln wallfahrtete.
2. Spekulanten.
Die Freimaurer halten zusammen wie die Juden; sie helfen einander zu Anstellungen, zu Lieferungen, sie preisen und empfehlen ihre Leute schriftlich und mündlich, kaufen und bestellen nur bei Gewerbsleuten, die auch Freimaurer sind; unterstützen hie und da einen mit Vorschuss, der am Umfallen ist. Dieser Vorteil wird auch als Lockspeise denen vorgehalten, welche man gerne für die Freimaurerei werben möchte. Daher wird auch so mancher Komödiant, Handelsreisende, Kaufmann, Fabrikant, Möbelschreiner, Hutmacher usw. Freimaurer; es ist der gewöhnliche Eigennutz, weshalb mancher Freimaurer wird und seine Religion dafür preisgibt.
3. Abgelöschte Christen.
Die christliche Religion enthält nicht nur tröstliche Wahrheiten, sondern auch sehr schreckhafte. Dazu gehört insbesondere die Glaubenswahrheit, daß der Mensch sogleich nach dem Tode gerichtet wird; daß es eine ewige Strafe in der Hölle gibt; daß Augenlust, Fleischeslust, Hoffart des Lebens, überhaupt jede Todsünde, wen sie nicht bereut und gebeichtet wird, in die Verdammung bringt usw. Zudem fordert die katholische Kirche von ihren Angehörigen, daß sie in die Kirchen gehen, faste beichten. Das gefällt nun vielen nicht, denen es in der Welt gut geht; sie wollen nicht den schmalen Weg der Gebote Gottes und der Selbstverleugnung gehen und mögen auch nicht im Gewissen beunruhigt sein und bang haben. Darum werfen sie den Glauben hinweg, wie ein betrunkener Handwerksbursche sein Felleisen, damit er leichter laufe. Wo könnten solche Wohlleben nun besser Ruhe und Trost finden als bei der Freimaurerei? Da wird gut gegessen und getrunken, da sind Ehrenmänner, die auch nicht in die Kirche gehen; da werden Reden gehalten von Licht, Aufklärung, Freiheit, Humanität, Brüderlichkeit, und wenn sie in einer Losche noch einen Studierten haben, der ihnen halb unverstandene Redensarten, wie man sie in der Philosophie hat, vordeklamiert, dann wird es ihnen gar so wohl, und sie fürchten vorderhand keine Hölle und keinen Teufel. Damit sie aber in ihrem trostreichen Unglauben nicht weiter beunruhigt werden, gehen sie nicht mehr in die Kirche und lesen in keinem katholischen Buch, wohl aber desto fleißiger in Zeitungen, von denen die katholische Kirche und Geistliche gelästert werden, wie die Badische Landeszeitung, Konstanzer, Freiburger Zeitung oder die feine Gartenlaube usw.
4. Die Verteufelten.
In neueren Zeiten gehen Männer, welche eine höhere Bildung oder Stellung haben, bei uns nicht mehr zu den Freimaurern; die Possen mit Schürzlein und blechernen Ordenssternen, die Geheimtuerei, der halb sinnlose Wortschwall ihrer Festreden ist ihnen zu abgeschmackt. Nur in dem Fall lassen sich bedeutendere Personen aufnehmen, wenn sie im Sinn haben, die Herde der Freimaurer zu kommandieren, gleichsam ihr Leithammel zu sein. In manchen Gebieten geht nun aber das Bestreben solcher Anführer mit ungeheurem Grimm dahin, die katholische Kirche zu stürzen und deshalb auch in allen Ländern Revolution anzuschüren, wo die katholische Kirche noch Geltung hat. Diese Menschen sind ganz eigentlich die Antichristen, die Apostel des Teufels; dahin gehörte z. B. der Räuberhauptmann Garibaldi, welcher Stuhlmeister der Freimaurer war. Weil die Nähe des Todes einem großen Teil der Freimaurer die Besinnung wieder gibt, daß es eben doch schrecklich sei, mit seinen Sünden in die Ewigkeit zu gehen, so wollen sich sehr viele wieder die Sterbesakramente geben lassen. Allein wo die Freimaurerei von jenen verteufelten Häuptern hat, da wird der todkranke Freimaurer gehütet von seinen Brüdern, damit kein Priester zu ihm kann, selbst wenn er es verlangt. Es ist deshalb ganz passend, daß in Amerika eine Freimaurer-Losche auf ihrem großen Siegel, das auf die Diplome gedruckt wird, zwei Teufel abgebildet hat; denn die ganze Freimaurer-Geschichte kommt vom Teufel und führt zum Teufel.
Aus dem ganzen geht hervor, daß die Freimaurer eine höchst verderbliche Gesellschaft bilden. Sie ist eine Schmarotzer-Pflanze im Staat; denn die Freimaurer verüben die ärgste Ungerechtigkeit im Staat. Es sind fast lauter wohlhabende Leute, welche einander zu einflussreichen Stellen helfen; diese Leute machen dann wieder Anordnungen und Gesetze, durch welche gemästet wird. Sie suchen die christlichen Grundsätze zu unterdrücken, indem sie die Kirche aus der Schule austreiben, die Feiertage abschaffen, und auf diese Weise den Armen auch noch um die Religion, seinen einzigen Trost, zu bringen suchen. Arme Leute nehmen sie nicht in ihre Gesellschaft auf. Der reiche Prasser sucht aber den armen Lazarus auch noch um die Hoffnung auf den Himmel zu bringen; weil der Prasser nichts davon will, so soll auch der Lazarus nichts davon haben. Endlich sind die Freimaurer die ärgsten Heuchler: sie verhehlen ihre Namen, und doch wollen sie der Welt weismachen, was sie für tugendhafte, wohltätige Menschen seien, die alle Verehrung verdienen; hingegen lästern sie über niemanden mehr als über die, welche uneigennützig und unaufhörlich tätig sind für das Heil der Menschen, …; während der Freimaurer dem Wohlleben, dem Eigennutz und der Hoffart frönt und, gleich denen von Kapharnaum den Fluch sich aufladet, daß er von Christi Religion nichts wissen mag. Darum sind auch alle Freimaurer vom Papst exkommuniziert, und es geschieht ihnen kein Unrecht, wenn man die Vornehmsten bezeichnet als eine große Gesellschaft von feinen Gaunern; Gauner an ihren Mitmenschen und Gauner an ihrer eigenen armen Seele. –
aus: Alban Stolz, ABC für große Leute, Freiburg 1913, S. 27 – S. 31