Wozu und wie die Kinder erzogen werden sollen
Eine christliche Mutter und eine unchristliche Mutter
Die Mutter der Büßerin Thais legte, ohne daran zu denken, den Grund zu deren ausschweifenden Leben. Sie war eben ein unchristliches Weib und der Eitelkeit und den Vergnügungen ergeben. Zwar hatte sie ihr einziges Töchterlein sehr lieb, aber diese Liebe war nichts anderes, als unheilige Affenliebe. Sie erinnerte sich nicht, daß ihr Kind ein teures Pfand sei, welches ihr Gott der Herr anvertraute. Sie wollte zwar nicht, daß ihre Tochter einen bösen Lebenswandel führe, und hätte sich gewiß zu Tode gegrämt, wenn sie voraus gewußt hätte, in welch großes Verderben dieselbe noch geraten werde. Allein sie wandte nicht die Mittel an, um dieselbe vor diesem Verderben zu bewahren, und führte sie unbehutsamer und leichtfertiger Weise dahin, wo sie das Gift der Sünde einsaugen musste. Sie hatte sich an der aufblühenden Schönheit ihrer Tochter ganz versehen: es gefiel ihr, wenn sich das Töchterlein schön putzte und wenn sie überall in Gesellschaften bewundert wurde! Allein daran dachte sie nicht, daß gerade diese Schönheit, dieser Putz, diese Gefallsucht ihrer Tochter zum Verderben gereichen würde. Sie erzog im Herzen ihrer Tochter die Natter der Hoffart, und diese Ausgeburt der Hölle verletzte sie bis zum Tode.
O welch entsetzliches Unheil kann eine unchristliche Mutter anrichten, wie viele Mädchen haben den Verlust ihrer Unschuld und ihrer Seligkeit ihren leichtsinnigen, gottvergessenen Müttern zu verdanken!
Dagegen, wie viel des Guten stiftet eine wahrhaft christliche Mutter, welche von ihrem Beruf tief durchdrungen ist! Eine fromme christliche Mutter ist das größte Glück für die Kinder. Sie sucht das Kind schon zu heiligen, noch ehe es geboren ist. Sie betet für dasselbe, opfert es Gott, empfiehlt es der seligsten Jungfrau und bittet, daß es zur heiligen Taufe gelange. Sie selbst befleißt sich in dieser Zeit eines frommen, friedfertigen, keuschen Wandels; denn sie weiß, daß das Kind unter dem Herzen schon gute und böse Eindrücke empfängt und dann zur Welt bringt. Das neu geborene Kind opfert die Mutter dem himmlischen Vater, der es erschaffen, dessen Eigentum es ist. Ist das Kind getauft, so erinnert sich die christliche Mutter, daß dies Kind ein Tempel des heiligen Geistes, ein Kind Gottes des Allerhöchsten und um den Preis des Blutes Jesu Christi erkauft ist. Sie macht also das Kind schon frühzeitig mit seinem himmlischen Vater bekannt, lehrt es das heilige Kreuzzeichen machen, lehrt es beten und betet mit dem Kinde selbst das Morgen- und Abendgebet. Eine christliche Mutter schaut vor Allem darauf, daß das Herz des Kindes rein und unschuldig bleibt; sie läßt das Kind nichts sehen und nichts hören, was zu bösen Dingen reizt, und entfernt von ihm Alles, was es beflecken könnte. Sie spricht gerne mit dem Kinde von Gott, von dem süßen Jesus, von der lieblichen Mutter Maria, vom lieben Schutzengel; sie sagt dem Kinde oft, daß Gott Alles sieht und wie sehr Gott jede Sünde haßt. Sie duldet am Kinde keine Unart, keine Bosheit, keinen Eigensinn, keinen Ungehorsam. Sie gibt und gewährt dem Kinde nicht Alles, was es begehrt, sie überfüllt es nicht mit Speise und Trank, mit Naschereien, sie hält es zurück von der Gasse, von bösen Kindern. Sie wacht beständig wie ein Engel über dem Kinde bei Tag und Nacht. Sie duldet am Kinde keine Eitelkeit, keine Putzsucht und getraut sich nicht, es an Orte und Gesellschaften zu führen, wo es nichts Gutes sieht und hört. Sie läßt das Kind nicht zum Tanze und hält es zurück vor jedem verdächtigen Umgang. Sie mahnt, warnt und straft das Kind aus Liebe, und was besonders die Hauptsache ist, sie geht dem Kinde mit dem besten Beispiel voran. Und eine Mutter, die dieses tut und nicht abläßt, unaufhörlich ihr Kind der Obhut Gottes und der heiligsten Jungfrau zu empfehlen, wird gewiß Freude an ihrem Kinde erleben und im Tode getrost das Haupt zur Ruhe legen. Eine christliche Mutter stirbt gewiß eines süßen Todes, aber eine unchristliche? Mit einer solchen möchte ich nicht sterben!
Gebet.
O gütigster Vater! Laß doch alle Mütter erkennen, welch hohen, heiligen Beruf sie haben und gib ihnen die Gnade, ihre Kinder zu deiner Ehre und nach deinem Wohlgefallen zu erziehen! Heilige Mutter Gottes! Bitte bei Gott, daß er seiner heiligen Kirche recht viele fromme, gottesfürchtige Mütter schenken wolle. Amen. –
aus: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Bd. 2, 1904, S. 1805 – S. 1806