Heiligenkalender
30. Mai
Heilige Johanna von Orleans und Unsere Liebe Frau von Bellemont
Nicht weit von Vaucouleurs an der Grenze von Lothringen und der Champagne liegt die Wallfahrtskapelle Bellemont. Hierher kam oft vom nahen Dorf Dom Remi die berühmte Jungfrau von Orleans. Sie war eines Landmannes Tochter und musste als Mädchen die Schafe ihres Vaters weiden. Zur Jungfrau heran gewachsen, ward sie von ihrer Mutter in der Haushaltung gebraucht. Im Spinnen und Nähen besaß sie eine große Geschicklichkeit. Sie hatte ein sehr sanftes Gemüt, ein argloses, unschuldiges Herz, Demut und Bescheidenheit zierten sie, und still und in sich gekehrt wandelte sie vor Gott. Von Kindheit an fühlte sie sich mit zartester Liebe zur allerseligsten Jungfrau hingezogen. War es ihr möglich, so trieb sie ihre Herde in die Nähe der Kapelle von Bellemont, um dort vor dem Bild der Lieben Frau beten zu können. – Wenn die Mädchen des Dorfes unter der Eiche tanzten, so flocht sie Kränze, trug sie zur heiligen Kapelle und bekränzte damit das Gnadenbild. Es entstand zwischen ihr und der glorreichen Jungfrau ein traulicher Verkehr; Maria war ihre Mutter, der sie Alles sagte, was sie auf dem herzen hatte. Fand man sie nicht zu Hause, so durfte man sicher hoffen, daß sie zur kleinen Einsiedelei von Bellemont gegangen, um zur lieben Mutter Gottes zu beten.
Damals hatten die Engländer durch ihre Einfälle in Frankreich unsägliches Elend über dieses Land gebracht. Der König Karl VII. von Frankreich hatte kaum mehr einen Strich Landes, den er sein nennen konnte. Traurig saß er zu Chinon, ohne Geld, ohne Soldaten, und hielt Alles für verloren. Aber gerade als die Not am größten, war die Hilfe Gottes am nächsten.
Das Elend ihres Königs ging auch den rohesten Landleuten zu herzen. Auch zu Dom Remi im haus des Vaters der Johanna sprach man von der Not des Vaterlandes, vom Unglück des Königs, vom Übermut der Feinde. Die 18jährige Johanna hörte still zu; ihr ging die Bedrängnis des Königs und des geliebten Vaterlandes tief zu Herzen. Sie wünschte ein Mann zu sein, um für den König kämpfen zu können. – Wenn in stiller Nacht Alles im Hause schlief, dann warf sie sich auf die Knie und richtete die glühendsten Gebete an die gebenedeite Jungfrau und die Heiligen, daß sie ihr doch die Gnade gewähren möchten, den unschuldigen, jungen König aus der Hand seiner Feinde zu retten. – Sie eilte oft zur geliebten Kapelle nach Bellemont, vergoss dort bittere Tränen über die traurige Lage des Vaterlandes und flehte zur Lieben Frau, doch ihre mächtige Hand auszustrecken und die Feinde zu demütigen. – Sie hatte keinen andern Gedanken mehr, als dem unglücklichen König zu helfen.
Da geschah es, daß die allerseligste Jungfrau ihr erschien; auch Gott der Vater ließ sich zu ihr herab, die heiligen Engel verkehrten mit ihr und trösteten sie. Eines Tages, als sie wieder mit heißester Inbrunst zur heiligen Jungfrau flehte, erschien ihr der heilige Erzengel Michael und sagte ihr: Diejenige, welche der große Gott für seine Mutter erkennt, hat mir befohlen, zu dir zu kommen und dir anzukündigen, daß du das Schwert ergreifen, deinen Leib in Eisen hüllen und die Sache der Gerechtigkeit verteidigen sollst. Du wirst die Stadt Orleans von den Feinden befreien und den König nach Reims zur Krönung führen. – In der Katharinenkirche zu Fierbois liegt hinter dem Altar ein Schwert vergraben, das lasse erheben, mit diesem umgürte dich!“
Als die Jungfrau diese Worte vernommen, da fühlte sie sich wunderbar gestärkt. Die schwäche ihres Geschlechtes ist weg, sie fühlt sich stark wie ein Mann, sie hält kein Hindernis mehr für unüberwindlich, sie erkennt sich als die Gottesgesandte und ist voll Mut, das aufgetragene Werk zu vollbringen.
Nach Hause gekommen, hört sie, daß im nächsten Städtchen Vaucouleur ein Ritter des Königs mit einer kleinen Schar Soldaten weile. Sie verläßt ihr Dorf, Vater, Mutter und Brüder, geht zu diesem Ritter und erzählt von ihrer göttlichen Sendung. Dieser aber hält die Jungfrau für aberwitzig und schickt sie nach Hause. Johanna aber kommt wieder und verlangt zum König geführt zu werden. Ihre Worte machten jetzt einen gewaltigen Eindruck auf ihn, er willfahrt ihr und nimmt sie mit zum König.
Kühn und mit Hoheit tritt sie in das Zimmer des Königs; sie erkennt ihn, obwohl er sich mitten unter seine Ritter gestellt, und ohne ihn je gesehen zu haben, findet sie ihn gleich heraus. Sie naht sich ihm und sagt ihm insgeheim, was er die letzte Nacht zur gebenedeiten Jungfrau gebetet hatte, die er kindlich verehrte. Der König ward darüber sehr betroffen, denn Niemand wußte, was er gebetet; er läßt nun ihren Beruf strenge von Bischöfen und Gottesgelehrten prüfen. Sie besteht die Prüfung; kein Mensch mehr zweifelte an ihrer himmlischen Sendung. Der König läßt ihr nun eine passende Rüstung machen, so daß sie vom Haupt bis zu den Füßen wie ein Ritter in Eisen gehüllt war. Dann verlangte sie eine Fahne, auf welcher der Erlöser mit der Weltkugel in der Hand gemalt war, zu dessen Seiten anbetend zwei Engel knieten, denn so hatte sie den Herrn in der Erscheinung gesehen. Hierauf gab sie den Platz in der St. Katharina-Kirche zu Fierbois an, wo das ihr angedeutete Schwert verborgen liege. Der König schickte dahin und man fand ein Schwert, das mit drei Kreuzen, oder wie andere sagen, mit dreiLilien bezeichnet und mit Rost bedeckt war. Kaum aber hatte man es der Jungfrau gegeben, so fiel, wie sie es ansah, der Rost von selbst ab, zum Erstaunen des Königs und aller, die zugegen waren, dann umgürtete sich die Jungfrau damit, und bediente sich dessen immer im Kriege. Der König gab ihr Soldaten, so gut er sie liefern konnte. Damit ging sie gerade auf die Stadt Orleans los, welche die Feinde belagerten. Sie zog mitten durch sie, versah die Stadt mit Lebensmitteln und vertrieb sie bald von den Mauern der Stadt. Nun gab die Nachricht von diesem Sieg dem König und allen guten Franzosen wieder Mut, von allen Seiten eilten Ritter und Soldaten herbei, welche in kurzer Zeit eine mächtige Armee bildeten.
Die Engländer taten wohl ihr Möglichstes, um sich zu behaupten, allein wo Johanna sich sehen ließ, flohen sie, und so konnte sie nun auch den König nach Reims zur Krönung führen.
Johanna hatte den Auftrag, den ihr die heilige Jungfrau gegeben, erfüllt; sie wollte die Waffen weg legen und wieder in ihres Vaters Haus zu ihrer ländlichen Arbeit zurück kehren. Allein der König und seine Ritter ließen sie nicht ziehen. Ein inneres Gefühl sagte ihr wohl, daß ihr Bleiben Unglück über sie bringen werde, allein sie ließ sich doch überreden, behielt die Waffen, setzte den Kampf gegen die Engländer fort, ward von denselben gefangen, und aus Hass und Rachgierde als Hexe in der Stadt Rouen öffentlich auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Schon umhüllt von Rauch und Feuer rief sie die Liebe Frau und die Heiligen an, dankte Gott noch einmal für alles Gute, das er ihr verliehen, und als sie sterbend das Haupt senkte, da war das letzte Wort, das sie durch die Flammen vernehmbar zum Himmel empor schickte: Jesus! Jesus! Jesus! – Die Erde hatte sie verkannt, der Himmel ward ihr Lohn!“ (Annegarn. Poire.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 540 – Sp. 542
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- jeanne-darc-1674356_640: pixabay