Die Katakomben-Päpste der ersten Jahrhunderte
Das Senfkörnlein des Evangelium war von den Aposteln in die Erde gesenkt worden und unter ihrer eifrigen Pflege hatte es kräftig Wurzel geschlagen und hoffnungsvolles Wachstum verheißen. Es sollte aber nicht bloß mit dem Schweiß der Apostel, sondern auch mit ihrem Blut vergossen werden. Es gaben alle Apostel bis auf Johannes für die Wahrheit ihrer Lehre durch den Martertod Zeugnis. Petrus hatte in Rom sein Leben auf dem Kreuz wie sein Herr und Meister ausgehaucht und unzählige Christen daselbst den qualvollsten Tod um des Glaubens an Christus willen erduldet. Doch das Blut der Apostel und der ersten Gläubigen genügte nicht. Mit Strömen von Blut sollte das sich entwickelnde Senfkörnlein des Evangeliums begossen werden, bis es zum Welt überschattenden Baum würde, unter welchem die Völker der Erde wohnen. Nero war nur der Vorläufer jener grausamen Christenverfolger des heidnischen Roms, die sich im Laufe von drei Jahrhunderten in ihrem blutigen Handwerk ablösten. Von Grund aus wollte man das Christentum ausrotten; es sollte gänzlich von der Erde vertilgt werden. Jeder Anlass wurde benützt, um gegen die Christen zu wüten. Wurde ein Krieg unglücklich geführt, trat eine Seuche auf, hatte ein Unwetter die Felder verwüstet, ein Erdbeben eine Stadt in Trümmer gelegt, schwieg ein heidnisches Orakel, so hatten das die Christen verschuldet. Es waren Strafgerichte, welche die Götter der Christen wegen verhängten, und sofort hieß es: „Die Christen vor die Löwen!“ Die Christen hatten kein Existenzrecht; sie waren Feinde der Götter und des Staates.
Kein Alter, kein Stand, kein Geschlecht wurde verschont. Kinder und altersschwache Greise, Frauen und zarte Jungfrauen, Senatoren und Offiziere fanden ebenso wenig Gnade oder Rücksicht, wie kräftige Männer, Sklaven und Sklavinnen. Wer wäre imstande, die Opfer zu zählen? Ihre Namen kennt Gott der Herr.
Es hat nicht wenige Schriftsteller gegeben, die im Übereifer die Zahl der Märtyrer zu hoch einschätzten, dagegen wurde sie besonders von Nichtkatholiken gegen alle Zeugnisse der Geschichte zu sehr herab gedrückt…
Und der weltberühmte Katakomben-Forscher de Rossi versichert: „Je mehr ich im Studium der Geschichte und der Denkmäler der Jahrhunderte der Verfolgung voran schreite, desto mehr überzeuge ich mich, daß die Zahl der Märtyrer sehr groß war, deren Namen nicht auf uns gekommen sind.“ (Siehe Dr. M. Linsenmayer: „Die Bekämpfung des Christentums durch den römischen Staat“)
Vorzugsweise hatte man es auf die Vorsteher der Kirche, der Priester und Bischöfe, und namentlich auf die Päpste abgesehen. Die Verfolger richteten sich nach dem Grundsatz: „Schlage den Hirten und es zerstreuen sich die Schafe.“ Daher waren die Christen genötigt, sich im geheimen zu versammeln, Schlupfwinkel aufzusuchen, in Gräbern und Grüften die heiligen Geheimnisse zu feiern…
Die uns noch erhaltenen Dokumente für die Papstgeschichte der ersten drei Jahrhunderte sind die wenigen Briefe einzelner Päpste aus dieser Zeit, sind die Werke hauptsächlich christlicher Schriftsteller aus dieser Periode, die der Gefahr des Unterganges entgingen, sind Bruchstücke, die uns aus den Werken früherer Autoren spätere Schriftsteller noch erhalten haben. Endlich sind es Inschriften, bildliche Darstellungen und örtliche Überlieferungen, die uns bestimmte geschichtliche Aufschlüsse gewähren. Vo einzelnen Päpsten des in Frage stehenden Zeitalters aber wissen wir weiter nichts als ihre Namen und die Regierungszeit, wie sie uns die Papstkataloge zur Kenntnis bringen.
Papstkataloge sind die Verzeichnisse der Päpste in der Ordnung, wie sie aufeinander folgen. Es wurden gleich vom Anfang der Gründung der Kirche nach Art der römischen Verwaltungslisten, wie in einzelnen Kirchen Verzeichnisse der Bischöfe, so in Rom Papstverzeichnisse angelegt, die den Namen, die Herkunft, die Zeit der Weihe und des Todes bis auf den Monat und Tag angaben. Aus diesen Verzeichnissen sind die Papstkataloge entstanden, die wir noch besitzen. Auf diese Verzeichnisse beriefen sich die Kirchenväter und Kirchenschriftsteller der ersten Jahrhunderte im Kampf wider die Irrlehrer und wiesen den apostolischen Ursprung der Kirche Roms vom Apostel Petrus und den Vorrang dieser Kirche über die andern nach. Siehe Grisar, Ro: 243, und Kirchenlexikon: „Papstkataloge“.
Die Päpste dieser Periode werden durchgehends als Märtyrer angeführt, obschon wir von mehreren derselben weder eine Angabe über ihr Martyrium noch überhaupt eine Nachricht besitzen, daß zur Zeit ihres Todes eine Verfolgung der Christen geherrscht habe. Sie mögen aber nichts desto weniger mit Fug und Recht als „Märtyrer“ bezeichnet werden, weil in damaliger Zeit nicht bloß diejenigen als Märtyrer galten, die um ihres Glaubens willen ihr Blut vergossen, und unter den Martern starben, sondern auch jene, welche um des Glaubens willen die Folter oder schwere Mißhandlungen erduldeten, oder in den Bergwerken oder in der Verbannung dem Elend preisgegeben waren. Wie viele Drangsale, Verfolgungen und Leiden mögen diese Katakomben-Päpste nicht ausgestanden haben, Leiden, die für sie ein qualvolles Martyrium, ja die Ursache eines frühzeitigen Todes gewesen sind, obschon die Geschichte kein Sterbenswörtlein uns darüber meldet! –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste 1907, S. 77 – S. 80