Die guten Hirten auf dem Stuhl Petri
Der heilige Papst Siricius (regierte von 384-399)
Wenige Tage nach dem Hinscheiden des heiligen Damasus, am 17. Dezember desselben Jahres wurde der Kardinalpriester in Rom, ein Sohn des römischen Bürgers Tiburtius, der heilige Siricius einstimmig zum Papst gewählt. In einem schreiben an den römischen Stadtbeamten Pinian sprach Kaiser Valentinian II. freudig die Anerkennung des Neugewählten aus und rühmte dessen Frömmigkeit. Der Gegenpapst Ursinus gab seine Ansprüche auf den römischenStuhl immer noch nicht auf. Der heilige Siricius leitete die Kirche Christi vom Dezember des Jahres 384 bis zum November des Jahres 399, also voll fünfzehn Jahre.
Diesen Papst schildert uns die Geschichte als einen besonderen Liebling des römischen Volkes. Das will etwas heißen in einer Stadt, in der man nur Großes zu sehen gewohnt war. Siricius besaß aber auch einen festen Charakter, war sehr ernst und vor allem erfahren in den kirchlichen Vorschriften und in der Verwaltung seines Amtes. Kaum hatte der heilige Siricius die oberste Leitung des Reiches Christi auf Erden in seine Hand genommen, als eine Gesandtschaft von spanischen Geistlichen in Rom eintraf und ein Schreiben des Bischofs Himerius von Tarragona mitbrachte, worin dieser über mehrere wichtige Fragen vom Papst Aufschluß erbat.
In der katholischen Kirche reicht die Gewohnheit, daß die Diener Gottes ehelos blieben, bis auf die Apostel zurück. Diakone, Priester und Bischöfe konnten zwar die heiligen Weihen empfangen, wenn sie verheiratet waren; aber nach Empfang ihrer Weihen durften sie eine Ehe nicht mehr eingehen. Taten sie es dennoch, so durften sie ihr heiliges Amt nicht mehr weiterführen. Wiederholt schärfte der Papst die in den Kirchenversammlungen aufgestellten Gesetze über die Ehelosigkeit der Geistlichen ein. In dem Antwortschreiben an den genannten Bischof gestattete aber der Papst, daß spanische Geistliche, welche als Büßer oder zweimal Verheiratete in den Priesterstand eingetreten waren, in ihrem Amt zu verbleiben. So hielt der Papst die strengen Kirchengesetze aufrecht, erlaubte aber auch bei besonderen Umständen eine heilsame Nachsicht. Am 6. Januar des Jahres 386 hielt der Papst zu Rom eine von achtzig Bischöfen besuchte Kirchenversammlung ab, in welcher verschiedene ältere Kirchengesetze neu eingeschärft wurden. Durch ein Rundschreiben teilte der Papst die Beschlüsse dieser Versammlung denjenigen Bischöfen mit, die selbst nicht kommen konnten.
Jovinian(us), ein Ordensmann aus einem mailändischen Kloster, fand keine Freude mehr an den strengen klösterlichen Lebensweise und verließ seine Zelle. Um diesen Schritt zu beschönigen und sein nicht erbauliches Leben zu entschuldigen, lehrte er die größten Torheiten, z. B. Daß ein Getaufter nie mehr verloren gehen könnte, daß der jungfräuliche nicht vorzüglicher sei, als der eheliche. Gegen ihn und seine Anhänger hielt der Papst, besorgt um die Reinhaltung des katholischen Glaubens, im Jahre 392 in Rom eine Kirchenversammlung und schloß den abtrünnigen Mönch und seine Anhänger von der Gemeinschaft der Gläubigen aus. Der heilige Bischof Ambrosius von Mailand hielt darauf in seiner Stadt auch eine Kirchenversammlung, in der er die neue Irrlehre ebenfalls verwarf.
Es war notwendig, daß die Kirche in Glauben und Leben wohl geordnet den kommenden Ereignissen entgegen trat. Siricius als Papst und Theodosius als Kaiser verfolgten das gleiche Ziel auch unterstützten sich gegenseitig. Besonders half der Kaiser die Priscillianisten unterdrücken. Diese Irrlehrer erlaubten sich bei ihren Versammlungen unsittliche Handlungen, die das christliche Familienleben zu zerstören drohten. Über diese Irrlehrer richtete der Papst auch ein schreiben an die spanischen Bischöfe, in welchem er den Rat erteilte, die Irrenden unter bestimmten Bedingungen wieder in die katholische Kirche aufzunehmen.
Kaiser Theodosius erfuhr an sich selbst die beseligende Kraft des Glaubens; daher stand er treu zum Papst, welcher alle Pflichten eines guten Hirten erfüllte. Doch auch an Siricius haben die Feinde der Päpste etwas zu tadeln. Ein Priester, Rufinus aus Aquileja übersetzte eine Schrift des großen Kirchenlehrers Origenes und legte die Arbeit dem Papst vor. Dieser vertraute auf die Gelehrsamkeit des ihm bekannten Priesters und lobte das Buch, ohne es genau gelesen zu haben; ja er stellte ihm und einigen seiner Freunde, als sie im Jahre 398 Rom verließen, Briefe aus, worin ihnen bezeugt wurde, daß sie in Verbindung mit der Kirche stünden. Papst Siricius war eben selbst ohne Mißtrauen und nahm ohne weiteres die beste Gesinnung auch von anderen an, die er bisher als unbescholten gekannt hatte. Übrigens ist anzunehmen, daß Rufinus auch selbst nichts Schlimmes wollte, Irrtümer im Glauben durch aus nicht zu verteidigen beabsichtigte. Hochachtbare Bischöfe haben auf die Empfehlung des Papstes hin, dem Rufinus ihre volle Wertschätzung erwiesen, ein Beweis dafür, daß sie an seiner guten Absicht und Gesinnung nicht zweifelten. Trotzdem wurde dem Papst sein Verhalten gegen Rufinus, besonders vom heiligen Hieronymus sehr verübelt, als sich herausstellte, daß in dem Buch des Rufinus zahlreiche Irrtümer enthalten waren.
Von der Wirksamkeit des heiligen Papstes Siricius ist noch anzuführen, daß auch ihm sehr am Herzen lag, die Rechte des Papstes als obersten Bischofs und Leiters der gesamten Kirche zu wahren. Dazu bot sich ihm wiederholt Gelegenheit. Als der Kaiser Theodosius die Landschaft Illyrien mit dem Oströmischen Reich vereinigte und so von dem römischen Patriarchat trennte, ernannte der Papst sogleich den Bischof von Thessalonich zum päpstlichen Vikar dieser Länder. Papst Siricius sandte auch die Beschlüsse der von ihm berufenen römischen Kirchenversammlungen an die Kirchen von Nordafrika mit der Weisung, sich genau daran zu halten. Er brachte somit die oberste Gewalt des römischen Bischofs überall zum Ausdruck und fand auch ohne Widerspruch Anerkennung. Schließlich richtete der Papst, um die Weihe unwürdiger Bischöfe und Priester zu verhindern, an verschiedene Bischöfe noch besondere Mahnschreiben.
In Rom erbaute der Papst an der Straße nach Ostia die prächtige Kirche des heiligen Paulus, welche im Jahre 1823 durch eine Feuersbrunst zerstört wurde.
Der heilige Papst Siricius scheint der erste gewesen zu sein, welcher sich in öffentlichen Urkunden des Ausdruckes „Papst“ bediente. Dieses Wort heißt auf Deutsch „Vater“ und wurde in der ersten christlichen Zeit allen Bischöfen beigelegt. Seit dem Ende des vierten Jahrhunderts wurde es der ausschließliche Titel des römischen Bischofs.
Kaiser Theodosius starb im Jahre 395. Vier Jahre später am 26. November des Jahres 399 folgte ihm der heilige Papst Siricius in die Ewigkeit nach. Er erreichte das hohe Alter 70 Jahren. Als Papst hatte er 32 Bischöfen und 31 Priestern die heiligen Weihen erteilt. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 86 – S. 90
Die Ehelosigkeit der Priester
Schon in den ältesten Zeiten war es der Wunsch der Kirche, jungfräuliche Priester zu haben. Damals war dies undurchführbar. Man konnte aus den bekehrten Juden und Heiden nicht genug geeignete Männer finden, die unverheiratet waren, um sie ordinieren zu können. Daher lag es in der Natur der Sache, daß im Anfang vorwiegend verheiratete ordiniert wurden. Immer jedoch hielt die Kirche die Idee des Priesterzölibates fest. Sie wählte auch in der ersten Zeit mit Vorliebe jungfräuliche zum heiligen Dienst. Wurden verheiratete erwählt, so durften es nur solche sein, die nie in zweiter Ehe gelebt hatten. Ferner gestattete sie nie den Priestern nach der Ordination (Weihe) zu heiraten. Die Synode von Elvira (305) verordnete, daß die Bischöfe, Priester und überhaupt alle Kleriker, welche den heiligen Altardienst versehen, sich des ehelichen Umganges enthalten müssen. Als auf dem allgemeinen Konzil von Nizäa (325) mehrere Priester beantragten, daß der volle Priesterzölibat in der ganzen Kirche als strenges Gesetz bestimmt werde, erklärte Paphnutius, man solle es dulden, daß diejenigen Priester und Diakonen, welche vor ihrer Weihe geheiratet hätten, auch nachher in der Ehe leben dürften, und diese Gepflogenheit duldet die Kirche auch jetzt noch bei den mit der katholischen Kirche vereinten Griechen und Orientalen, wie bei den Ruthenen. Man ließ diesen Vorschlag durchgehen, aber im Abendland schrieben alsbald die Bischöfe ihren Diakonen den Zölibat streng vor, und es währte nicht lange, bis die vollkommene Ehelosigkeit als strenges Gesetz galt. Als nun Himerius über diesen Punkt an den Papst schrieb, nämlich daß Priester auch nach der Weihe in der Ehe leben, und anfragte, was zu geschehen habe, so verfügte Siricius 385, daß diejenigen, welche aus Unwissenheit den Zölibat verletzt hätten, in ihrem Weihegrad verbleiben könnten, wenn sie wahrhaft Buße getan und die Frauen entlassen hätten; sie dürften jedoch niemals zu einem höheren Weihegrad aufsteigen. Was aber jene betreffe, doie ihre Vergehen noch entschuldigen wollten durch die Berufung auf die Leviten des alten Bundes, so sollten diese gänzlich und für immer ihres priesterlichen Amtes entsetzt bleiben. So streng wurde schon damals die Übertretung des Zölibates geahndet. –
aus: Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste, I. Band, 1907, S. 151 – S. 152