Die antichristliche Tätigkeit – Verstellung als Wirkungsweise
Als Christus seine Apostel in die Welt hinaus sandte, befahl er ihnen, in seinem Namen oder im Namen seines himmlischen Vaters zu predigen und zu wirken. Die Apostel waren Vertreter und Boten Christi im wahren Sinn des Wortes: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestellt, daß ihr hingeht und Frucht bringt“ (Joh. 15, 16). Deshalb sollte das Evangelium gepredigt, das Volk regiert und die Sakramente gespendet werden nicht im Namen der Apostel, sondern mi Namen Christi. Der wirkliche und alleinige Urheber der apostolischen Taten ist Christus selbst. Er ist es, der lehrt, regiert und heiligt. Die Apostel, die in aller Zeit und von allen Völkern berufen werden, sind nur „Gottes Mitarbeiter“ (1. Kor. 3, 9). Sie leben, wirken und sterben als Beauftragte: „Niemand von uns lebt ja für sich, und niemand stirbt für sich. Leben wir, so leben wir für den Herrn; sterben wir, so sterben wir für den Herrn“ (1. Kor. 14, 7-8). In der Kirche darf man das Wort nur im Namen Christi ergreifen und nur ihn, den Gekreuzigten und Auferstandenen, predigen.
Ganz anders ist es in der Gemeinschaft des Tieres. Wohl sendet auch der Teufel seine auserwählten in die Welt hinaus. Doch die ‚Priester‘ des Tieres wirken stets in ihrem eigenen Namen…
Über seine Apostel waltet Christus als eine höhere Wirklichkeit, als der Maßstab für ihre Worte und Taten. Der Teufel indessen versteckt sich hinter der menschlichen Wirklichkeit und läßt den Menschen sein eigener Maßstab sein. Christus selbst deutete auf diesen Unterschied, indem er zu den Juden sagte: „Ich bin im Namen meines Vaters gekommen, aber ihr nehmt mich nicht auf. Wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommen wird, den werdet ihr aufnehmen“ (Joh. 5, 43-44)…
Warum aber trägt der Teufel nicht seinen laut ausgesprochenen Namen? – Die Antwort darauf finden wir in jenem unheimlichen klaffenden Abgrund, der zwischen der menschlichen Natur und der teuflischen Absicht liegt. Das eigentliche Vorhaben der satanischen Existenz besteht gerade darin, all das ins Nichtsein zurück zu führen, was einst der Herrgott durch sein schaffendes Wort aus dem Nichts hervor gerufen hat. Alles Geschaffene „ist wert, daß es zugrunde geht“, erklärt Goethes Mephistopheles und drückt damit die satanische Einstellung zum Sein aus. Der Teufel ist nicht nur der Feind Gottes, sondern auch der Feind der Schöpfung. Er ist der Feind des Daseins überhaupt. Dem Menschen jedoch ist solch ein überaus negativer Wesenszug fremd. Zwar kann auch er einmal dämonisch werden und alles verneinen, aber erst dann, wenn er die von Solowjew erwähnte satanische ‚Firmung‘ empfängt. In sich selbst jedoch, in den Tiefen seiner Natur, bleibt der Mensch stets ein Bild und Gleichnis Gottes, des Schöpfers. Das Schöpferische liegt dem menschlichen Wesen zugrunde und bestimmt seine Existenzakte. Eigenschaften des Schöpfers offenbaren sich in jeder menschlichen Haltung. Infolge dessen ist immer das Sein das Ziel der menschlichen Tätigkeit: das Ziel einer Tätigkeit, die sich in der Liebe, in der Pflege, im Schaffen und Schützen äußert…
Hirt des Seins zu sein, ist die ursprüngliche Bestimmung des Menschen. Die pure Verneinung ist ihm unerträglich. Die Verneinung ist ja im Wesen das Nichtsein. Da aber der Mensch eine unergründliche Angst vor dem Nichtsein hat, erschrickt er auch jedesmal, wenn er einer Verneinung in ihrer reinen Gestalt begegnet oder wenn eine Verneinung sich irgendwie vor seinen Augen entschleiert. So erlebt der Mensch auch den Teufel als ein Schrecken erregendes Wesen gerade deshalb, weil dieser „der Geist, der stets verneint“, ist. Die Angst vor dem Teufel ist eine Angst vor dem Nichts. Kein Mensch erträgt es daher, mit einem ausgesprochenen und unmittelbaren Zeichen des Teufels bezeichnet zu sein. Als Träger und Verbreiter des Nichtseins findet der Teufel keinen Zugang zum menschlichen Geist. Will er sich diesen trotzdem zugänglich machen, so ist er von selbst darauf angewiesen, eine Scheingestalt des Seins anzunehmen. Der Teufel redet den Menschen nur unter dem Schein des Positiven an. Die Verkleidung und Verstellung ist die einzige Wirkungsweise, die es ihm ermöglicht, an den Menschen heran zu treten und sein Handeln zu beeinflussen.
Die Eigenliebe bietet sich als das geeignetste Mittel dazu an. (siehe dazu den Beitrag: Antichristlicher Geist der Eigenliebe) Da sie eine radikale Abkehr vom Sein ist, verneint sie dieses aus sich heraus und schlägt einen Weg zum Nichtsein. Als eine Hinwendung auf das eigene Ich des Menschen behält sie aber noch einen Schein de Seins und verhüllt dadurch vor den Augen des Geistes den sich öffnenden Abgrund des Nichts. Diese ihre Eigenschaften befriedigen geradezu das eigentliche Streben des Teufels. Mit ihrer grundsätzlichen Neigung zum Nichtsein entspricht die Eigenliebe der Absicht des Teufels, alles zu vernichten. Mit ihrem noch behaltenen Schein des Seins erfüllt sie den satanischen Wunsch, sich nicht als reine Verneinung bloß zu legen. So sucht sich der Teufel die Eigenliebe aus, um mit ihrer Hilfe unauffällig tätig zu bleiben. Die Eigenliebe ist also ein Versteck und gleichzeitig eine Festung des Teufels. Gleichsam we ein dichtes Tuch verhüllt sie diesen radikalen Verneiner vor den Augen des Menschen und macht ihn dadurch annehmbar und erträglich. Die Akte der Eigenliebe sind ihrem Wesen nach ein Dienst für den Teufel, weil sie die Nichtsein bringenden Akte sind. Die teuflische Sendung erfolgt daher immer in Form der Eigenliebe, denn nur in dieser Form kann der Teufel seine ‚Apostel‘ in die Welt hinaus senden und zugleich seinen Namen verschweigen. –
aus: Antanas Maceina, Das Geheimnis der Bosheit, 1955, S. 83 – S. 86