Der Widersacher Christi ist Antichrist

Die Predigt des Antichristen, von Satan eingegeben

Der Widersacher Christi ist der Antichrist

Der Widersacher Christi steht Christus gegenüber als eine geschichtliche Macht

Da die Geschichte die Unterscheidungszeit ist, klärt sie von selbst in ihrem Lauf nicht nur die Rolle Christi, sondern gleichzeitig auch die seines Widersachers, den die Heilige Schrift und die christliche Tradition mit dem Namen Antichrist bezeichnen. Der Antichrist steht Christus gegenüber als eine geschichtliche Macht, die ihn leugnet, ihn pausenlos bekämpft und seinen historischen Werken fortdauernd Schaden zufügt. Die in der Geheimen Offenbarung erwähnten zwei Tiere (13, 1-11), die große Buhlerin, „ die über vielen Wassern thront“ (17, 2), das große Babylon (18, 2), der Drache und die alte Schlange (20,2) sind nichts anderes als Symbole der geschichtlichen Formen und Gestalten, die sich der Antichrist im Laufe der Zeit aneignet und durch die er das historische Leben beeinflußt.

Das Tier des Meeres tut sein „großsprecherisches Lästermaul“ (13, 5) auf und lästert während „zweiundvierzig Monaten“ den Namen Gottes (13, 6). Das Tier der Erde „wirkt große Zeichen, und sogar Feuer läßt es vom Himmel fallen“ (13, 13); es belebt das Bild des ersten Tieres, so daß es redet und den Tod all denen bringt, die es nicht anbeten (13, 16). Mit der großen Buhlerin treiben „die Könige der Erde“ Unzucht, beschenken sie „mit Gold, Edelsteinen und Perlen“ und berauschen sich mit ihr am Blut der Heiligen und der Zeugen Christi (17, 2-6).

Von dem großen Babylon, dieser prunkvollen Weltstadt, bereichern sich die Kaufleute und werden dadurch „Fürsten der Erde“ (18, 23); die Stadt selbst vergiftet durch ihre Zauberkünste alle Völker und beschmutzt sich mit dem Blut „der Propheten und der Heiligen und aller Erschlagenen auf der Erde“ (18, 24). Die Geschichte ist also voll antichristlicher Bestrebungen und Taten. Sie ist das eigentliche Wirkungsfeld nicht nur für Christus, sondern auch für seinen Widersacher.

Der Antichrist in der Naturwelt

Einen gewissen antigöttlichen Charakter können wir bereits in der Naturwelt feststellen. Jene universale Harmonie und erstaunliche Zweckmäßigkeit, die wir besonders im Reich des Lebendigen bewundern, sind hie und da gleichsam von einer schwarzen Hand verwirrt und verdreht. Irgendein böser Plan taucht aus manchem Gesetz der Welt empor. Irgendein Spott und Hohn erklingt dann und wann in der Symphonie des Kosmos. Es gibt in der Natur manches, was zum Auslachen der göttlichen Schöpfung geplant und tatsächlich verwirklicht ist, jener Schöpfung, von der einst gesagt worden war, sie sei sogar „sehr gut“ (Gn. 1, 13 u. 31).

Der menschliche Verstand findet keine richtige Antwort darauf. Jedoch im Licht der Offenbarung sind diese Missgeburten und Missgestalten, diese Karikierungen und Verhöhnungen in der Natur durchaus verständlich. Der Satan wurde doch zur Erde herab geworfen und mit ihm auch seine Engel (vgl. Offb. 12, 9-12). Hatten sie sich bereits im Himmel gegen Gott und sein Wort erhoben, so setzten sie ihre Empörung ebenso auf der Erde fort und griffen alles, was göttliche Züge an sich trug. Die unschuldige und ursprünglich gute Natur fiel ihnen zunächst zum Opfer. Sie wurde entstellt und verstümmelt, ihrer Unschuld beraubt und mit dem Bösen durchtränkt.

Zwar droht die Offenbarung mit der Vertilgung für die, „welche die Erde verdarben“ (11, 18), damit aber gibt sie selbst zu, daß die Erde tatsächlich verdorben ist. Ist die Geschichte, wie gesagt, in erster Linie Kulturwerdung, d. h. die zunehmende Beherrschung der Natur durch die schöpferische Macht des Geistes, so findet der Mensch sein Arbeitsgebiet schon verunreinigt vor und hat deshalb mit dem Satanischen auch in seinen eigenen Werken zu kämpfen. Der Antichrist steckt bereits in den untersten Regionen des irdischen Daseins und nagt selbst an dem physischen Bestand der Geschichte. (1)

Die Natur kann sich nicht entscheiden

Doch die Natur ist stumm und passiv. Sich zu entscheiden, vermag sie nicht. Sie kann das Toben des Drachen nur erleiden und seufzend warten, bis sie „von der Knechtschaft der Vergänglichkeit“ erlöst und zur ursprünglichen „Freiheit der Kinder Gottes“ (Röm. 8, 21) erhoben werden wird. Die Natur ist lediglich ein Objekt für die Anschläge des Teufels. Sie wehrt sich dagegen nur mit ihrer ungemein zähen Leidensfähigkeit. Indessen gibt die Geschichte eine direkte und aktive Antwort auf die Bestrebungen der alten Schlange.

Der Mensch als der eigentliche Träger der geschichtlichen Existenz ist nicht mehr ein rein passives Objekt, sondern zugleich auch ein Mitwirker: Mitfreund oder Mitfeind. Den Bemühungen des Drachen und seiner Engel stellt er nicht nur seine Natur, sondern auch seien freien und bewussten Geist entgegen. Der freie Geist aber entscheidet sich, und nicht immer ist diese Entscheidung positiv in Hinblick auf Gott und seinen Christus. Die Natur kann nie von Gott abfallen und ihr Harren auf Erlösung einbüßen. Sie kann nur von einem anderen ihrer sichtbaren Göttlichkeit in ihren konkreten Erscheinungen beraubt, nie aber wesentlich gottlos gemacht werden.

Dem Geist dagegen stehen beide Möglichkeiten offen: die positive oder die Entscheidung für Gott und Christus, und die negative oder die Entscheidung gegen Gott und Christus. Die negative Möglichkeit ist gerade der Weg, auf dem der Antichrist Eingang in die Geschichte findet. Nachdem der Drache durch die von ihm gestiftete Verwirrung in der Natur über die Schöpfung Gottes gespottet hat, versucht er in der nachchristlichen Geschichte die Erlösung zu verhöhnen und sie sinnlos zu machen.

Der Antichrist ist keine zufällige Erscheinung des historischen Prozesses

In ihrem Verlauf wird also die Geschichte nicht nur die Offenbarung des Gottmenschentums, die Entfaltung des mystischen Leibes Christi in Raum und Zeit, sondern gleichzeitig auch das Hervortreten der Gottlosigkeit in ihrer schärfsten Form, die Objektivierung der civitas diaboli auf Erden. Dem Fleisch gewordenen und in der Kirche fortdauernd wirkenden Logos entgegen erhebt sich sein Widersacher, sein Leugner von Anfang an, und versucht, die gesamte geschichtliche Existenz der Menschheit in den Bereich seiner Leugnung einzubeziehen. Die Geschichte ist nicht nur gesta Dei oder gesta Christi per homines, sondern auch gesta diaboli per homines (Teufelstaten durch die Menschen).

Der Antichrist erweist sich nicht als eine zufällige Erscheinung des historischen Prozesses, sondern als sein Bestandteil, als die verwirklichte Möglichkeit der negativen Entscheidung des Geistes, als die gottlose Gestalt der geschichtlichen Objektivationen auf allen Gebieten des Lebens. Mit Recht behauptet daher Berdjajew (2): „Der Antichrist ist ein Problem der Geschichts-Metaphysik“; genauer ausgedrückt: der Geschichts-Theologie, denn weder die Geschichts-Wissenschaft noch die Geschichts-Philosophie vermag etwas über den Antichrist auszusagen.

Nur das Erscheinen Jesu Christi auf Erden offenbarte seinen Widersacher. Und je sichtbarer dieses Erscheinen in der Kirche ist, desto sichtbarer wird auch der Antichrist. Und wenn die zweite Fülle der Zeit bevorsteht und die zweite Ankunft Christi sich ankündet, dann erscheint auch der Antichrist in seinem größten Zorn. „Wie das erste Kommen unseres Herrn“, sagt J. H. Newman, „seinen Vorläufer hatte, so wird das zweite den seinen haben. Der erste war ‚mehr als ein Prophet‘, der heilige Täufer. Der zweite wird mehr als ein Feind Christi sein; er wird das Bild selber des Satans sein, der furchtbare und hassenswerte Antichrist.“ (3)

Der verfälschte Christus

Was ist aber der Antichrist in sich selbst? Worin besteht sein Wesen? –

Darauf gibt uns der hl. Johannes eine sehr deutliche Antwort: „Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet“ (1. Joh. 2, 22); und an der anderen Stelle: „Jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, ist nicht aus Gott. Das ist der Geist des Antichrist“ (4, 3). Den gleichen Hinweis finden wir im zweiten Brief des Heiligen: „Viele Verführer“, schreibt er, „sind in die Welt hinaus gegangen, die nicht bekennen, daß Jesus Christus im Fleisch erschien. So einer ist der Verführer und Antichrist“ (2. Joh. 7).

Die Worte des hl. Johannes besagen klar: Das Wesen des antichristlichen Geistes besteht in der Leugnung der gottmenschlichen Fülle Christi. Christus ist der wahre Gott und der wahre Mensch. Er ist die hypostatische Ganzheit. Wer also einen Grundbestandteil dieser Ganzheit leugnet, „trennt Jesus – solvit Iesum“, wie die Vulgata diese Stelle übersetzt (1. Joh. 4, 3), zerstört dadurch seine Persönlichkeit und wird somit zum Antichrist.

Der Antichrist steckt also überall, wo Christus nur irgendwie verfälscht ist. Es ist ohne Belang, ob diese Fälschung durch die Philosophie oder durch die Kunst, durch die Gemeinschaft oder nur durch die innere Einstellung des Einzelnen zum Ausdruck kommt. Wo sie nur erscheint, ist der Antichrist bereits da. Der Antichrist ist Objektivation des verfälschten Christus. Er ist jenes „Geheimnis der Bosheit“, das bereits am Werk ist (vgl. 2. Thess. 2, 6).

In diesem Sinne ist der Antichrist so alt wie die Geschichte selbst. Mehr noch: er war bereits im himmlischen Prolog des historischen Prozesses einbeschlossen. Verweigerte Luzifer dem göttlichen Logos Dienst und Verehrung deshalb, weil dieser zur Menschwerdung bestimmt war, wie es Duns Scotus lehrt (4), so wurde er von selbst zum Widersacher Christi schon vom ersten Anfang an. Jede weitere geschichtliche Verleugnung des Menschensohnes ist im Wesen nichts anderes als die Fortsetzung und Entwicklung jener ursprünglichen Ablehnung, die bereits im Himmel stattgefunden hat.

Das Böse feiert seinen besonderen Sieg in einer menschlichen Person

Gleichwohl ist es möglich, daß diese allgemeine negative Haltung Christus gegenüber am Ende der Geschichte, wenn die Enthüllung der göttlichen und der dämonischen Macht besonders deutlich wird, einen personalen Ausdruck findet. Die Heilige Schrift selbst gibt uns Anhaltspunkte für diese Deutung.

Als der hl. Paulus die Thessalonicher davor warnte, an die baldige Ankunft des Herrn zu glauben, wies er sie gerade auf den Antichrist hin als auf ein Zeichen des bevorstehenden Endes der Geschichte: „Zuvor muss der Abfall kommen und der Mensch der Sünde geoffenbart werden, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich erhebt über alles, was Gott und Heiligtum heißt, der sich in den Tempel Gottes setzt und sich für Gott ausgibt“ (2. Thess. 2, 3-5).

Ist die irdische Geschichte, wie schon gesagt, ein ständiges Zunehmen an Bösem, so ist es gar nicht ausgeschlossen, daß diese böse Macht sich auf einem Punkt konzentriert und in einer menschlichen Person ihren besonderen Sieg feiert und dadurch eine gewisse ‚Inkarnation‘ als Nachäffung der göttlichen Fleischwerdung erfährt… Christus ist (…) eine persönliche, in ihrer Art einzige Verkörperung des Guten.

Der Antichrist ist folgerichtig ebenfalls eine persönliche, in ihrer Endgültigkeit und Vollendung einzige Verkörperung des Bösen. Er erscheint als Träger des luziferischen Hasses gegen den göttlichen Logos und zugleich gegen alles, worin der Logos sich nur offenbart. War die vorchristliche Geschichte eine lange Vorbereitungszeit für das Erscheinen des Gottmenschen, so kann die nachchristliche Geschichte die Vorbereitung für den Teufelsmenschen sein.

Das Erscheinen des Antichrist in der persönlichen Gestalt wäre eine verhöhnende Antwort Luzifers auf die ihm einst geoffenbarte Fleischwerdung des göttlichen Logos. Hierin liegt der theologische Sinn all jener Vermutungen, die wir in der christlichen Literatur aller Jahrhunderte finden und die uns stets einprägen, daß der Antichrist doch als Person einmal den Thron dieser Welt ersteigen wird. Da der Antichrist die Taten Christi, wie wir bald sehen werden, immer und überall nachäfft, sind diese Vermutungen wohl begründet.

Der Antichrist ist eine dauernde Erscheinung der Geschichte

Und doch wäre es falsch, ja sogar gefährlich, den Begriff des Antichrist nur auf diese persönliche Erscheinung des Bösen zu beschränken und den ganzen antichristlichen Kampf nur auf die Anschläge dieser merkwürdigen Persönlichkeit zurück zu führen. Es wäre falsch, so zu denken und zu handeln, als ob der Antichrist lediglich eine Erscheinung der letzten Epoche wäre und als ob die ganze Geschichte frei von seinem Einfluss verliefe.

Wenn auch die Offenbarung uns Ansätze gibt, den Antichrist auch als Person zu deuten, so weist sie uns ebenfalls darauf hin, daß der Antichrist eine dauernde Erscheinung der Geschichte ist. Der hl. Paulus drückt das ziemlich klar aus, indem er sagt: „Das Geheimnis der Bosheit ist schon am Werk; nur muss erst der aus dem Weg geräumt sein, der es bis jetzt aufhält. Dann wird jener Gottlose offenbar werden“ (2. Thess. 2, 7).

Anders gesagt, der Antichrist ist noch durch Gottes Bestimmung aufgehalten. Am Ende der Geschichte wird er sich zwar als ein Gottloser offenbaren, doch diese Offenbarung wird nicht etwas Neues sein, sondern nur eine unermessliche Zusammenballung der alten und in der Geschichte stets wirkenden bösen Mächte. Der Antichrist als Person wird lediglich als die reifste Frucht des ewigen antichristlichen Geistes sein.

Es scheint, daß der hl. Johannes dasselbe behauptet: „Wie ihr gehört habt, daß der Antichrist kommt, so sind jetzt schon viele Antichristen aufgetreten“ (1. Joh. 2, 18); und etwas später: „Viele falsche Propheten sind in die Welt hinaus gegangen“, und der Geist, der Jesus nicht bekennt, ist „bereits auf der Welt“ (4, 2-4). Gewiß, der hl. Johannes tröstet die Christen dadurch, daß Christus, der in uns lebt, größer ist „als der, der in der Welt ist“ (4, 5). Damit aber erkennt er deutlich an, daß der Widersacher bereits in der Welt wirkt.

Die letzte Stunde der Geschichte hat mit der Himmelfahrt Christi begonnen

Am merkwürdigsten ist es aber, daß der hl. Johannes auch diese fortdauernd wirkende antichristliche Macht für das Zeichen der letzten Stunde der Weltgeschichte hält. Er schreibt: „Kindlein, es ist die letzte Stunde. Wie ihr gehört habt, daß der Antichrist kommt, so sind jetzt schon viele Antichristen aufgetreten. Daher wissen wir, daß es die letzte Stunde ist“ (1. Joh. 2, 18-19). Das Erscheinen Christi auf Erden offenbarte, wie gesagt, auch seinen Widersacher im konkreten menschlichen Dasein. Damit aber schlug die Geschichte die Richtung nach ihrem Abschluss ein.

Konnten die Jahrtausende vor Christus sich dessen rühmen, daß sie zum Mittelpunkt der irdischen Zeit, zur Fleischwerdung des Logos, eilten, so bleibt den Jahrtausenden nach Christus nichts anderes, als zur zweiten Ankunft Christi, d. h. zum Ende, zu laufen. Die letzte Stunde der Geschichte hat mit der Himmelfahrt Christi begonnen. Das Auftreten der vielen Antichristen, der falschen Propheten, der Christus verneinenden Geister ist gerade das Zeichen, daß im Wesen nicht mehr viel Zeit bleibt, um die endgültige Enthüllung des Guten und des Bösen durchzuführen. Daher ist auch die Tätigkeit der antichristlichen Mächte jetzt viel intensiver und sichtbarer geworden als in der Zeit vor Christus.

Die Wirkung Satans in der heidnischen und in der christlichen Welt

In der heidnischen Geschichte versuchte der Drache sich des Menschen durch die Beherrschung seiner Physis zu bemächtigen. Die Besessenheit des Leibes war die Hauptform dieser Herrschaft. Der alte Antichrist offenbarte sich mehr als eine gottlose Gewalt über die Natur. In der christlichen Geschichte indessen greift die Schlange vorwiegend das geistige Gebiet der menschlichen Existenz an, weil diese durch das Sakrament der Taufe zur Wohnung der Heiligsten Dreifaltigkeit geworden ist.

Der neue Antichrist nimmt eine geistige Gestalt an und wird somit zu einer geschichtlichen Macht. Er verläßt „dürre Orte“ der Natur und zieht in die Kultur ein, in Philosophie, Kunst, Staat und Wirtschaft, und besetzt diese Gebiete nicht weniger, als er einst den menschlichen Körper zu besetzen pflegte. So wie der Teufel früher Staunen Erregendes durch die menschliche Physis wirkte, so tut er jetzt „große Zeichen und wunder“ (Mt. 24, 24) in der geistigen Welt, „um auch die Auserwählten, wenn es möglich wäre, irre zu führen“ (24, 25).

Der christliche Mensch ist nicht mehr Naturmensch, daher ist auch der Antichrist nicht mehr Naturgewalt. Er handelt heute nicht mehr als Medizinmann oder Magier, sondern als Philosoph, Künstler, Politiker, Staatsmann oder Wirtschaftsführer. Die Unterscheidung der Geister ist deshalb die wichtigste, wenn auch schwierigste Aufgabe der nachchristlichen Geschichtsperiode.

Das Geheimnis der Bosheit tut sein Werk immer umfassender

… Das Gefühl der Verfinsterung ist für den Gang der Geschichte bezeichnend. Die Übermacht des Bösen überzieht alles wie mit einem Schleier, und der Blick unseres Geistes kann nirgendwo reine Werte finden. Das Verderben der Erde, von dem die Offenbarung des hl. Johannes spricht (vgl. 11, 18), schreitet immer fort, der Mensch der Sünde offenbart sich immer deutlicher, das Geheimnis der Bosheit tut sein Werk immer umfassender. Der Antichrist tritt „unter allen möglichen Trugzeichen und Lügenwundern und mit allerlei Verführungen zur Bosheit“ (2. Thess. 2, 9) auf.

Die von Christus erlöste Geschichte will nicht „die Liebe zur Wahrheit“ annehmen, darum schickt ihr Gott „einen starken Irrwahn“ und sie glaubt dann der Lüge selbst (vgl. 2. Thess. 2, 12). Sie geht einen Weg, der in den universalen Zusammenbruch unausweichlich einmünden soll… Der Antichrist hat Glanz genug, aber „wirkliche Kraft keine“. Dieser Glanz jedoch blendet die Augen und verführt den Geist. Darin liegt die Stärke jeder antichristlichen Macht. Deshalb ist die genauere Erforschung der antichristlichen Erscheinungen in der geschichtlichen Existenz des Menschen eine immer von neuem gestellte christliche Forderung an jede Epoche.

Anmerkungen:

(1) Was wir als das Dämonische zu bezeichnen pflegen, ist, wie schon M. J. Scheeben mit Nachdruck hervor gehoben hat, eine ruchlose Unternehmung, das Wesen der Göttlichkeit zu unterwühlen (vgl. Scheeben, Die Mysterien des Christentums, 1951, S. 221)

(2) Wir verpflichten uns allerdings nicht zur Lehre Berdjajews vom „Drama der Gottheit“ oder vom „theogonischen Prozess“, die ihre Wurzel in der Mystik J. Böhmes faßt. Doch seine Gesamtschau der Geschichte als eines einheitlichen Prozesses, der das Wesen des Seins erschließt und an dem Welt, Mensch und Gott teilnehmen, ist begründet und tief. (Antanas Maceina)

(3) Der Antichrist nach der Lehre der Väter, 1951, S. 7

(4) Der Ansicht von Duns Scotus nach besteht die Sünde der gefallenen Engel gerade darin, daß sie Dienst und Verehrung dem Mensch gewordenen Logos schon im voraus verweigerten, als dieses Zentralgeheimnis ihnen von Gott geoffenbart wurde. –
aus: Antanas Maceina, Das Geheimnis der Bosheit, 1955, S. 37 – S. 45

siehe dazu den Beitrag: Bedingung für das Erscheinen des Antichristen

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