Was uns zu unserem Seelenheil nützen kann –
Die Unbefleckte Empfängnis Marias
„Großes hat an mir getan, der da mächtig ist, und dessen Name heilig ist.“ (Luk. 1,49)
Maria die Makellose
Unser göttlicher Heiland hat nicht gewartet, bis seine Mutter in der Feuerflamme sich befand, um sie dann dann erst in Sicherheit zu bringen, nein, er hat sie schon vor ihrer Empfängnis in Sicherheit gebracht, daß sie in die Flamme und den Weltbrand gar nicht hinein geriet. Der ersten Sünde war es ja eigen, daß sie einem großen Brand glich, der, einmal angefacht, in der Welt seitdem nie mehr erlosch, sondern immerfort brannte und immerfort brennt: es ist die Begierlichkeit, der Hang zu Bösen, den alle Adamskinder in der Seele mit sich herum tragen, um diese nur allzu leicht und allzu oft in Brand zu setzen. Alle aber, die je zur Welt gekommen, sind in diesen Weltbrand der Sünde hinein geraten, und alle, die je zur Welt kommen, werden hinein geraten, ausgenommen Maria: ihr göttlicher Sohn hat sie davor bewahrt: a peccato non redemit, sed jam antea exemit, er hat sie von der Sünde nicht erlöst, sondern sie schon vorher bewahrt, daß sie nichts mit der Sünde gemein bekam. Daher muß man ihr, dieser Mutter, zu solchem Sohn, und ihm, diesem Sohn, zu solcher Mutter gratulieren. Denn wie sie war keine mehr auf Erden: die Makellose, Unbefleckte.
Wovon nun aber sie bewahrt und befreit geblieben, das lastet um so schwerer auf uns: die Sünde und ihre Folgen. Siehe, in Sünde schon ward ich empfangen, und im Hang zum Bösen empfing mich meine Mutter. Und dieser Hang zum Bösen, er ist mit uns aufgewachsen, mit uns groß geworden und gleicht einem feuerspeienden Berg, der immer neue Sünden, immer neue Laster, immer neue Leidenschaften ausspeit und auswürgt. Wir stehen also gleichsam im Feuerbrand der Sünde und waten durch den Feuerstrom der Leidenschaften. Das ist aber stets eine große Gefahr für uns, in diesem Feuerbrand umzukommen. Wie glücklich wären wir also zu preisen, wenn auch wir jemand hätten, der uns aus diesen Flamen und dem gefährlichen Brand, in dem unsere Seele sich befindet, heraus retten würde! –
Nun seht, das tut Maria, die unbefleckt Empfangene; denn darum hatte die Sünde keine Macht über sie, damit sie Macht über die Sünde hätte. Zu ihr also, der Makellosen, müssen wir uns allzeit wenden, daß sie uns zu Hilfe komme und uns rette, wenn es bei uns brennt: allzeit, besonders aber an dem Tag, wo wir das Fest ihrer Unbefleckten Empfängnis feiern; denn an diesem Tage, wo sie der unaussprechlichen einzigen Gnade gedenkt, wodurch sie von aller Sünde ausgenommen, ist sie gewiß auch ganz besonders geneigt, des Elendes zu gedenken, in das wir durch die Sünde geraten…
Maria Hilfe der Christen
… ach, viele stehen mit ihrer Seele mitten im Brand der Sünden und Leidenschaften und sind in Gefahr, umzukommen; nichtsdestoweniger haben sie keine Sorge, das Feuer zu löschen, noch rufen sie um Hilfe, um aus dem Brand sich heraus zu retten. Es ist also ihre Schuld, ihre größte Schuld, wenn ihre Seele, der geistige Tempel Gottes, abbrennt. Solche Torheit wollen doch aber wir an unserer Seele nicht begehen, sondern sie mit allen Opfern gegen zeitliche und ewige Feuersgefahr versichern. Daher wendet euch nur herzhaft an die unbefleckte Gottesmutter, und wo ihr ein Muttergottes-Bild findet, da kniet euch hin und betet.
Wenn in einem Dorf oder Haus ein Brand ausbricht, da geht alsbald der Hilferuf von Nachbar zu Nachbar: Es brennt, es brennt! Bürger, hilf! Bürger, hilf! Da ist ja aber allezeit Feuer im geistigen Haus Gottes, in der Seele; da brennt`s Tag für Tag, und manchmal recht unheimlich, als ob etwas vom Höllenfeuer dabei wäre. Daher sollten wir denn auch Tag für Tag um Hilfe rufen und unsere Not signalisieren mit dem Wort: Bürger, hilf! Bürger, hilf! Wohin sollen wir uns denn mit diesem Hilferuf wenden? –
Vor allem am erfolgreichsten an Maria, die unbefleckt empfangene, die makellos gebliebene, die makellos gestorbene, die makellos in den Himmel aufgenommene, jungfräuliche Mutter des Herrn; denn darum ist sie ohne Sünde, um den Sündern desto leichter helfen zu können.
Franz August Graf von Chateaubriand erzählt in seiner „Reise nach Jerusalem“, er sei auf einem österreichischen Schiff am 1. August 1807 von Triest bei schönem, prachtvollem Wetter abgefahren. Am folgenden Tage erhob sich ein gewaltiger Sturm und drohte dem Schiff den Untergang. Nun meint er, Seeleute und Matrosen können auf dem Festland ungläubige Freigeister sein, aber im Augenblick der Gefahr, mitten in den Schrecknissen des Sturmes, da werde der Mensch fromm, und Not lehre ihn beten. Daher zündete der Schiffskapitän ein kleines Lichtlein vor einem Muttergottes-Bild an, das er in seiner Kajüte mit sich führte, und begann laut und feierlich die Muttergottes-Litanei den Matrosen vorzubeten, die mitten im Regen unter schrecklichen Donnerschlägen auf dem Verdeck entblößten Hauptes aufrecht standen oder auf den Kanonen knieten und dem Hauptmann antworteten:
Du reinste Mutter, bitte für uns!
Du keuscheste Mutter, bitte für uns!
Du unversehrte Mutter, bitte für uns!
Du unbefleckte Mutter, bitte für uns!
Noch nie, fügt Chateaubriand bei, habe ich so andächtig die Muttergottes-Litanei gebetet als in diesem Sturm auf dem Meere, noch nie so andächtig gerufen: Du getreue Jungfrau, bitte für uns! – Der Sturm dauerte in die Nacht hinein; dann aber ward Stille, und am Morgen bekamen wir fröhliche Fahrt. Maria hatte sich uns als Hilfe der Christen, als Morgenstern erwiesen.
Was ist denn aber, liebe Marienkinder, unser Leben anders als eine gefahrvolle Reise, eine stürmische Meeresfahrt zu dem himmlischen Jerusalem, auf der wir nur allzu leicht Schiffbruch leiden und unsere teuersten Güter, Glaube, Unschuld, Gnade, Seele und Seligkeit verlieren können? Daher bedürfen wir auf dieser Fahrt über das Meer des Lebens des Schutzes, der Hilfe, eines Sternes, der uns leuchtet und leitet durch des Lebens Nacht und Grauen zu des Himmels seligen Auen. Und nun seht, in allen Stürmen dieses Lebens, in allen Gefahren und Versuchungen, da ist es Maria, die hilft, die rettet, und der Sturm schadet denjenigen nicht, die zu ihr ihre Zuflucht nehmen. Machen wir es also für unser Leben, wie dieser Schiffskapitän und seine Matrosen, machen wir es wie die Sizilianer auf ihren Meeresfahrten, hängen wir ein Muttergottes-Bild als Fahne aus und beten wir täglich zu ihr hinauf:
O Sanctissima, o piissima
O dulcis Virgo Maria!
O allseligste,
Mildholdseligste,
Hohe Jungfrau Maria!
Du lichter Morgenstern,
Du Mutter unseres Herrn,
Erhör` unsre Bitte, Maria!
Ein schöner Rat des hl. Bernhard
Ja, befolgen wir den Rat des hl. Bernardus, der da so unnachahmlich schön sagt: O, wer immer sich in der Sündflut dieser Welt mehr zwischen Sturm und Wogen hin und her schwanken als auf fester Erde wandeln fühlt, er wende seine Blicke von Maria nicht ab, wenn er den Stürmen nicht erliegen will; wenn sich die Winde der Versuchung erheben, wenn du an den Klippen der Trübsal strauchelst, blicke auf zum Stern, rufe Maria!
Unter welcher Fahne aber bekommen wir wohl die fröhlichste und glücklichste Fahrt? – Unter der Fahne der Unbefleckten Empfängnis. Denn die liebsten Kinder sind Maria jene, die da rein und unbefleckt den Weg zum Himmel wandeln, rein und unbefleckt in ihren Gedanken, rein und unbefleckt in ihren Worten, rein und unbefleckt in ihren Werken. Lasset uns also, liebe Marienkinder, die unbefleckt empfangene Gottesmutter auf unsere Fahne stellen und unter ihrem Schutz weiter ziehen, auf daß wir keusch und rein ziehen einst zum Himmel ein. Amen. –
aus: Philipp Hammer, Marienpredigten, 1909, S. 18 – S. 21