Wann die vollkommene Reue erwecken

Zwei Männer und eine Frau knien in der Stube mit gefalteten Händen

Wenn Gemeinden ohne katholische Seelsorger sind

Buchtitel Der Tod ohne Priester Die vollkommene Reue Ein LEhr- und Trostbüchlein für römisch-katholische Christen

Die vollkommene Reue eine Gnadenquelle im Leben und ein Rettungsanker im Tode.

III. Wann soll man die vollkommene Reue erwecken?

1. Obgleich bei der Beichte die unvollkommene Reue genügt, so sollen wir doch bei derselben die vollkommene zu erwecken suchen. Die Früchte des Bußsakramentes richten sich vorzüglich nach der Reue. Je herzlicher diese ist, um so mehr zeitliche Strafe wird uns zugleich mit der ewigen nachgelassen und ein um so größeres Maß der heiligmachenden und anderer Gnaden uns zugeteilt. Fehlt die Reue aber gänzlich, dann ist die Beichte ungültig. Leider wird dieses von manchen Christen nicht beachtet. Die vom Geist Gottes so erleuchtete hl. Theresia schrieb einst an einen Priester: „Vater, predige recht oft gegen Beichten, die ohne Reue verrichtet werden; denn der Teufel hat kein Netz, worin er so viele Seelen fängt, als dieses.“ Die Reue muss vor der Lossprechung erweckt sein.

2. Ratsam ist, es, außer der Beichte öfters vollkommene Reue zu erwecken, etwa jeden Abend oder doch des Sonntags, auch nach Begehung ganz freiwilliger läßlicher Sünden, namentlich wenn wir zweifeln, ob die Sünde eine läßliche oder nicht vielmehr eine schwere gewesen. Zwei Gründe sollen uns dazu veranlassen.

Erstens haben wir niemals zweifellose Gewissheit darüber, ob wir uns im Stande der heiligmachenden Gnade befinden. Die Kirche lehrt: „Sowie kein Frommer an Gottes Barmherzigkeit, an Christi Verdienst und an der Wirksamkeit der Sakramente zweifeln darf: so kann doch andrerseits ein Jeder, wenn er auf sich selbst und seine Unwürdigkeit hinblickt, wegen seines eigenen Gnadenstandes Besorgnis und Furcht haben, da Niemand mit der zweifellosen Gewissheit des Glaubens wissen kann, ob er die Gnade Gottes erlangt habe.“ Konz. v. Trient 6. Sitzg. 9. Kap. In der hl. Schrift heißt es: „Der Mensch weiß nicht, ob er der Liebe oder des Hasses würdig sei.“ Pred. 9, 1. Selbst der große Weltapostel Paulus bekennt von sich: „Ich bin mir zwar nichts bewußt, aber darum noch nicht gerechtfertigt: der Herr ist`s, der mich richtet.“ 1. Kor. 4, 4.

Die Heiligen lebten in steter Besorgnis wegen ihres ewigen Heiles. Um wieviel mehr ziemt sich das für uns Sünder! Jedoch soll uns diese Ungewissheit nicht mit Verzweiflung, wohl aber mit heilsamer Furcht erfüllen. „Wirket euer Heil mit Furcht und Zittern!“ Phil. 2, 12. Eine oftmalige herzliche Reue mildert diese Furcht, denn der Psalmist sagt: „Ein zerknirschtes und gedemütigtes Herz wirst du, o Gott, nicht verachten.“ Ps. 50, 18. Die Liebesreue also, wenn sie unser Herz andauernd erfüllt, sichert uns die Barmherzigkeit Gottes und mit ihr unser ewiges Heil.

Aber auch angenommen, daß wir uns im Stande der heiligmachenden Gnade befinden, so sollen wir noch aus einem andern Grunde oftmals die vollkommene Reue erwecken. Dieser zweite Grund ist ihre große Verdienstlichkeit. Sie erlangt uns Verzeihung der läßlichen Sünden, in welche wir täglich fallen, und mindert die auf uns haftende zeitliche Strafe: dadurch aber verkürzt sie die uns erwartende Fegefeuer-Strafe. Auch vermehrt sie in uns die Gnade und Liebe Gottes, stärkt uns zum Guten und trägt so zur Erhöhung unserer zu hoffenden Seligkeit bei.

Deshalb sagt ein alter Katechismus: „Vollkommene Reu` und Leid ist oft zu erwecken, weil sie dem Menschen allzeit erlangt in diesem Leben eine neue Gnade, in jenem Leben eine neue Krone.“ Übrigens bedarf es für eine wahrhaft gottliebende Seele gar nicht einmal dieser besonderen Beweggründe. Für sie ist die öftere Erweckung der vollkommenen Reue etwas, was sich von selbst versteht. Auf Erden kann ja die Liebe Gottes nicht bestehen ohne den Schmerz, diesen liebenswürdigsten Gott so oft beleidigt zu haben: die vollkommene Reue ist gleichsam die irdische Form der vollkommenen Liebe.

3. Ganz besonders soll der Christ die vollkommene Reue erwecken, wenn er das Unglück gehabt hat, in eine schwere Sünde zu fallen. Lege dich niemals in einer Todsünde schlafen, du könntest in der Hölle erwachen! Auch ist es Glaubenslehre, daß man im Stande der Ungnade nichts für den Himmel verdienen kann. Solltest du jemals in eine schwere Sünde fallen, dann suche dich alsbald mit dem von dir beleidigten Gott durch eine wahre Liebesreue wieder zu versöhnen. Klage dich deiner Schuld vor ihm an, flehe fußfällig um Verzeihung, bitte um Zeit und Gnade zur Beichte und Bekehrung. Bereue deine Bosheit so herzlich, so bitterlich und kräftig, als du nur kannst. Der Schmerz muss deine ganze Seele durchdringen und sie von allen ungeordneten Neigungen losreißen. Wo vorher die Leidenschaft herrschte, muss nun die Liebe Gottes herrschen. Eine matte Reue und ein kraftloser Vorsatz tilgen die schwere Sünde nicht.

„Denn, lehrt der Römische Katechismus. Obwohl wir zugestehen, daß durch die vollkommene Reue die Sünden getilgt werden, wer weiß dann aber nicht, daß dieselbe so heftig, bitter und heiß sein müsse, daß die Bitterkeit des Schmerzes der Größe der Vergehungen entspreche?“ Man braucht jedoch diesen Schmerz nicht sinnlich zu empfinden, weil die Reue ein geistiger Schmerz, ein Seelenschmerz ist, eine Bewegung nicht des sinnlichen Gefühles, sondern des Willens. Solltest du nun nach einer solchen herzlichen Liebesreue plötzlich ohne die heiligen Sakramente sterben, dann wirst du an Gott einen versöhnten und barmherzigen Richter finden, der dich nicht auf ewig verstoßen wird. Fristet dir aber der Herr dein Leben, dann gehe zur hl. Beichte, sobald du Gelegenheit dazu hast.

Warnung.
Damit jedoch Niemand auf die vollkommene Reue als ein jederzeit gegenwärtiges Mittel wider die Gefahr ewiger Verdammnis sich verlasse und daraus die Freiheit nehme, zu sündigen: so ist wohl zu beherzigen, daß Gott die besondere Gnade, welche zu dieser Reue vonnöten ist und welche zu geben er sich durch kein Versprechen verpflichtet hat, voraussichtlich einen solchen vermessentlichen Sünder vorenthalten und ihn in seinen Sünden elendiglich werde zu Grunde gehen lassen. „Täuschet euch nicht, Gott läßt seiner nicht spotten!“ Gal. 6, 7.

4. Im Tode endlich ist diese Reue bei schwerer Sünde und in Ermangelung der hl. Sakramente das einzige Rettungsmittel. Wir dürfen vertrauen, daß Gott die dazu erforderliche Gnade denjenigen verleihen werde, die eines wahrhaft guten Willens sind und keine Gelegenheit haben, zu beichten. Das gilt namentlich von frommen Katholiken, die eines unversehenen Todes sterben, und von jenen Menschen, welche ohne ihre Schuld außerhalb der katholischen Kirche leben und sterben, aber nach Kräften die Wahrheit gesucht und die Tugend geübt haben.

Auch ein Irrgläubiger, ein Jude, ein Türke, ein Heide, kann dadurch noch selig werden, daß er auf dem Sterbebett sich zu Gott wendet, mit vollkommener Liebesreue um Verzeihung bittet und zugleich das zu tun und zu empfangen wünscht, was er mit der Gnade Gottes als zum Heil notwendig erkennt. Gott will ja, daß alle Menschen selig werden, allen bietet er seine rettende Hand und nur, wer sie zurück stößt, geht zu Grunde. Wie nachher zu zeigen, kann die vollkommene Reue mit Hilfe einer besonderen göttlichen Gnade in einem Augenblick und bloß mit dem Herzen erweckt werden. Die Gnade zündet zuweilen in der Seele plötzlich, wie ein Blitzstrahl. Insofern wir aber mitwirken müssen, wird uns diese Reue im Tode um so leichter werden, je öfter und herzlicher wir sie im Leben geübt haben. –
aus: Gemeinden ohne Seelsorger, Der Tod ohne Priester. Die vollkommene Reue. Ein Lehr- und Trostbüchlein für römisch-katholische Christen, Mit kirchlicher Approbation, 2. Auflage, 1874, S. 44 – S. 48

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