Unser Kriegsdienst und Harren auf Umwandlung

Unser Kriegsdienst auf der Erde und das Harren auf Umwandlung

 28. Mai

Cunctis diebuns, quibus nunc milito, exspecto, donec veniat immunatio mea.
„Alle Tage, seit ich jetzt Kriegsdienst tue, harre ich, bis meine Umwandlung kommt.“ (Job 14,14)

1. Erwäge, daß du dich selbst wie einen Kriegsmann zu betrachten hast, der in diese Welt gekommen ist, um zu streiten und zu kämpfen. Und darum musst du dir dies auch oft in Erinnerung bringen, und dir selbst sagen, daß es gegenwärtig deine Aufgabe ist, Kriegsdienst zu tun.
Drei Feinde sind es aber, wider welche dieser Kriegsdienst (siehe dazu den auch den Beitrag: Das Leben des Menschen ein Kriegsdienst) ganz besonders dir geboten ist: Die Welt, das Fleisch und der Teufel. Wahr ist es, daß diese drei Feinde dich nicht immer gleichermaßen angreifen. Bisweilen lassen sie dich, nach besonderer Fügung des Herrn, in seinem Dienst einige Ruhe genießen; und darum heißt es nicht, das Leben des Menschen auf der Erde sei eine Schlacht, sondern ein Kriegsdienst: „Ein Kriegsdienst ist des Menschen Leben auf der Erde“ (Job 7,1); nicht ein Streit, nicht ein Kampf, nicht ein Gefecht: ein Kriegsdienst, weil bei dem Kriegsdienst es bisweilen eine Zeit gibt, da man eines ruhigen Standes sich erfreuen darf, bei dem Kampf aber nicht.
Indessen kann man doch nicht in Abrede stellen, daß diese Zeit der Ruhe nur kurz ist, weil die Feinde des Menschen stets nur auf dessen Belästigung, auf Hinterlist und Tücke sinnen, so daß sie gerade dann, wann sie dir einigen Waffenstillstand gegönnt zu haben scheinen, dich wütender als je anzufallen pflegen. Eben darum ist es notwendig, daß du wenigstens immer mit den Waffen in der Hand gerüstet stehst, als wenn jeden Augenblick der Kampf dir bevorstünde. Und so ist es wohl richtig, daß du vielleicht nicht alle Tage wirklich zu kämpfen hast; aber was tut dies zur Sache? Du musst doch alle Tage im Kriegsdienst stehen: „Alle Tage, seit ich jetzt Kriegsdienst tue.“

2. Erwäge, daß du um so mehr Grund hast, festen Mut zu fassen, als es sich bei deinen Mühen nur um bloße Tage handelt: alle Tage heißt es, nicht alle Jahrhunderte, ja nicht einmal, alle Jahre.
Es scheint dir vielleicht dieser Kriegsdienst hart und schwer zu sein, weil du, wie die meisten Menschen, dir einbildest, daß noch lange Zeit zu leben habest. Setze dir keine solchen Vorstellungen in den Sinn. Denke vielmehr immer das Gegenteil, wie du siehst, daß der fromme Job es machte, der sonst doch so mutig zum Streit war.
Und nicht bloß an dieser Stelle, sondern fast bei jeder Gelegenheit führte er sich die Kürze seines Lebens zu Gemüt, indem er es bald mit dem raschen Vorüberfliegen eines Eilboten, bald mit einem Blatt, bald mit einer Blume, und bald mit einem Windhauch verglich, und zu sich selber sprach: „Wird nicht die Wenigkeit meiner Tage in Kurzem zu Ende sein?“ (ebd. 10,20)
Denn das ist das rechte Mittel, dessen der Mensch, der in Mühsal und Beschwerde lebt, sich bedienen muss, um sich selbst Mut zu machen, damit er seine Last desto mehr mit unbesiegbarer Geduld ertragen könne: er muss denken, daß sein Kriegsdienst bald zu Ende sein wird.
Du tust vielleicht das Gegenteil, und machst dir daher selbst mehr Schrecken, als sein soll. O wie viel kürzer wird vielleicht dein Leben sein, als du denkst! „Sieh! Ich komme bald. Halte, was du hast, damit Niemand deine Krone raube!“ (Apok. 3,11)

3. Erwäge, daß diese Ermutigung noch viel wirksamer sein wird, wenn du dabei dich erinnerst, daß am Ende deine ganze bisherige Lage eine andere werden wird. Denn von dem Kriegsdienst gehst du über zur Herrschaft, zum Thron, zum Zepter, – was du dir Alles eben durch deine Kriegsdienst gewonnen hast. Dies will der fromme Dulder sagen mit den Worten: „Alle Tage, seit ich jetzt Kriegsdienst tue, harre ich, bis meine Umwandlung kommt.“
Die Umwandlung ist dem Zustand entgegen gesetzt, in dem man vor der Veränderung sich befand. Und wenn daher der frühere Stand ein Stand der Mühe, der Furcht, der Unannehmlichkeit, der Unterordnung war (wie dies bei dem Kriegsdienst der Fall ist); so muss die Umwandlung darin bestehen, daß man zu einem Stand der Ruhe, der Sicherheit, der Freude und der Herrschaft gelangt, wie ihn die Herrlichkeit des Himmels uns gewährt.
Gewiß ist wenigstens, daß das Wort Umwandlung, so oft von dem zukünftigen Leben die Rede ist, in der heiligen Schrift allezeit in einem guten Sinn gebraucht wird; weshalb auch der Apostel sagt: „Alle zwar werden wir auferstehen, aber nicht Alle werden wir umgewandelt werden.“ (1. Kor. 15,51) Denn der Übergang von einem bösen zu einem schlimmeren Zustand, wie der dem Verdammten bevorsteht, wann sie ihre Leiber, welche schon zuvor den schwersten Übeln unterworfen waren, wieder annehmen werden, – kann eigentlich nicht eine Umwandlung des früheren Zustandes heißen, sondern nur eine Verschlimmerung desselben, und eine Vermehrung der vorigen mit noch ärgeren Übeln. Eine Umwandlung des Zustandes tritt bloß dann ein, wann ein Übergang vom Schlimmen zum Guten stattfindet, wie dies bei den Seligen geschieht.
Darum sehen wir auch die Umwandlung, welche bei der allgemeinen Auferstehung der Gerechten vor sich gehen wird, stets durch solche Gleichnisse und Bilder versinnlicht, welche einen glücklichen und wünschenswerten Übergang bedeuten. Sie wird bezeichnet durch das Bild des Samenkornes, das erst im Boden verfault, und dann ganz frisch auflebt, und im lachenden Grün, in prangender Schönheit erblüht: sie wird bezeichnet durch das Bild der neu sich schmückenden Bäume und der neu ergrünenden Wiesen und Auen: sie wird bezeichnet durch das Bild der Erde, die gleichsam tot im Winter hingestreckt lag, und im Frühjahr als bald zu fröhlichem Leben wieder zurückkehrt: sie wird bezeichnet durch das Bild der Seidenraupe, welche aus einem unansehnlichen Wurm ein Schmetterling wird, der mit tausend glänzenden Farben geziert ist: sie wird endlich bezeichnet durch das Bild des Phönix, der so herrlich aus seiner Asche wieder hervorgeht.
Durch diese Umwandlung nun musst auch du dir Mut machen, indem auch du, gleich dem frommen Job, alle deine Hoffnung auf sie richtest, wenn du dich als Krieger mit eben so erprobter Tapferkeit benimmst, wie er es getan.
Und damit du um so mehr erkennst, wie unendlich wünschenswert diese Umwandlung sei; so bemerke noch: wo nach unserer Übersetzung aus dem Lateinischen es heißt: „Ich harre, bis meine Umwandlung kommt“; lesen die „Siebenzig“, welche den hebräischen Urtext ins Griechische übersetzten: „Ich will abwarten, bis ich wieder werde“ (Septuag.: Sustinebo, donec rursus fiam); weil diese Umwandlung so groß und so vollständig sein wird, daß sie gleichsam eine Wiedererneuerung, eine Neuschöpfung, oder besser gesagt, ein Zurückkehren (aber mit unbeschreiblich großem Gewinn) zu jenem Zustand bildet, in welchen Gott zuerst den Menschen versetzte, als er ihn im irdischen Paradiese schuf: ein Zurückkehren in einen Zustand der Unverweslichkeit, der Unsterblichkeit, der Freiheit von Leiden und Schmerzen; aber um so viel herrlicher als das Paradies, das uns über den Sternen bereitet ist, an Herrlichkeit jenes übertrifft, dessen einst Adam wenige Tage lang sich erfreute.
Und scheint es dir nun nicht, daß du, um eines solchen Zustandes teilhaftig zu werden, nicht bloß die wenigen Tage deines Lebens, sondern sogar ganze Jahrhunderte im Kriegsdienst zubringen dürftest?

4. Erwäge endlich: wenn du recht das Glück eines so seligen Zustandes zu würdigen verstehst, so wirst du die Stunde nicht erwarten können, bis diese Umwandlung kommt.
Aber was willst du tun? Du musst sie mit dem frommen Job in Geduld erwarten: „Ich harre, bis meine Umwandlung kommt.“ Du kannst die ersehnte Stunde in keiner Weise beschleunigen: die Umwandlung muss von selbst kommen: „bis sie kommt.“ Du hast bloß abzuwarten, bis sie endlich erscheint.
Aber selbst in diesem Erwarten liegt ein großer Trost: „Die Erwartung der Gerechten ist Freude.“ (Prov. 10,28) Wie elend sind jene, welche diese Umwandlung nicht erwarten dürfen, weil sie nicht in einer Weise leben, daß sie sich dieselbe verdienen! Denn um dies „Ich harre“ sagen zu können, – o welch guten Wandel musst du täglich, „alle Tage“, führen! Jeden Tag kann ja der Tod kommen, um dich, auch wider alles Vermuten, schnell abzurufen.
Und wie wird es dir dann ergehen, wenn du an jenem Tage nicht so lebst, daß du in Wahrheit sagen könntest, du harrest auf deine Umwandlung? Sie wird dir dann nicht zu Teil werden, weil sie bloß dem gewährt wird, der auf sie harret: „Er wird denen erscheinen, die auf Ihn harren“ (Hebr. 9,28); dies heißt so viel als: Denen, welche schon in Bereitschaft stehen, und von Stunde zu Stunde Ihn erwarten.

Überdenke ein wenig die Lebensweise, die du bisher gepflogen hast; daraus wirst du sicher entnehmen, ob auch du in Wahrheit mit dem frommen Job die bedeutungsvollen Worte sprechen kannst: „Alle Tage, seit ich jetzt Kriegsdienst tue, harre ich, bis meine Umwandlung kommt.“ –
aus: Paul Segneri S.J., Manna oder Himmelsbrod der Seele, 1853, Bd. II, S. 388-393

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