Die Tugend der christlichen Wohltätigkeit

Über die Tugend der christlichen Wohltätigkeit

Das ganze tatenreiche Leben des hl. Magnus von Arbon an, wo du ihn als frommen Jüngling bei der Pflege des fieberkranken Gallus kennen gelernt hast, bis ins Kloster Füssen, wo du ihn als hoch verdienten Abt sterben gesehen, ist ein schönes Bild der christlichen Wohltätigkeit. Damit auch du dich und dein Leben mit dieser Tugend zierest und dadurch zur glorreichen Aufnahme in den Himmel würdig machst, so betrachte ihr inneres Wesen und ihre äußere Betätigung.

1. Das innere Wesen der christlichen Wohltätigkeit besteht darin, daß du, angetrieben durch die von Gott dir eingegossene Liebe, deinen Mitmenschen wohl willst und wohl tust. Der hl. Ambrosius lehrt: „Die Wohltätigkeit ist zusammen gesetzt aus zwei Teilen, aus dem Wohlwollen und aus der Freigebigkeit, und zu ihrer Vollständigkeit müssen beide Teile vereinigt sein. Es genügt nicht, daß du wohl willst, du mußt auch wohl tun; und wiederum genügt es nicht, daß du wohl tust, wenn deine Wohltätigkeit nicht aus einer guten Quelle, d.h. Aus deinem guten Willen fließt.“ Du bist geschaffen nach dem Ebenbild Gottes. Wie nun Gott allen von Ihm verschiedenen Geschöpfen mit unendlicher Güte wohl will und wohl tut, so ist auch dir die Kraft und Neigung anerschaffen, deinen Mitmenschen wohl zu wollen und wohl zu tun. Dir ist aber um der Verdienste Jesu Christi willen die göttliche Liebe eingegossen, damit deine Wohltätigkeit das zeitliche und das ewige Wohl des Mitmenschen fördere, ja sein Seelenheil und seine Seligkeit sich zum wesentlichsten und höchsten Ziel setze. Der hl. Magnus hat daher von Jugend auf mit angestrengtem Fleiße seine körperlichen und geistigen Kräfte ausgebildet, sich einen reichen Schatz des Wissens und der Erfahrung gesammelt und sich in den Stand gesetzt, die christliche Wohltätigkeit in schönster Weise auszuüben. Ahme ihn nach und betrachte

2. Die Schönheit der christlichen Wohltätigkeit. Schaue ihr nur aufmerksam zu, wie schön sie handelt! Sie sucht die unwissenden Wilden auf; aber während sie ihnen Hütten baut und das häusliche Leben verschönert, pflanzt sie den Glauben und die Sehnsucht nach dem himmlischen Vaterhaus in ihre Herzen. Sie erbarmt sich der Nackten; aber während sie ihren Leib bekleidet, sorgt sie noch mehr für das hochzeitliche Kleid zum ewigen Freudenmahl. Sie bebaut das Feld und pflügt den Acker; aber während sie den Hungernden das Brot spendet, das von der Erde kommt, reizt sie ihren Hunger nach dem Brot, das vom Himmel kommt. Sie hat ein offenes Ohr und ein teilnehmendes Herz für die leisen Klagen der Verlassenen und für die stillen Seufzer der Leidenden; aber während sie der leiblichen Not steuert und die körperlichen Schmerzen lindert, entfernt sie aus ihren Seelen das geistige Elend durch den Gnaden-Reichtum der Sakramente Jesu Christi und bereitet dem heiligen Geist, dem göttlichen Lehrer und Tröster, den Weg zu denselben. Sie hilft mit Rat und Tat den häuslichen Wohlstand, die bürgerliche Ordnung und die Freuden des geselligen Lebens befestigen; aber während sie das Zutrauen des niedern Menschen so gewinnt, pflanzt sie in den höheren Menschen christliche Tugenden, heilige Gottesfurcht und süße Hoffnung auf die ewige Vergeltung. Gibt es wohl auf Erden eine Schönheit, welche der vom hl. Magnus ausgeübten und auch von dir zu übenden Wohltätigkeit gleich kommt? –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 662

Tags: Tugenden

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