Sünde aus Bosheit ist Sünde wider den Heiligen Geist
11. März
Quicunque dixerit verbum contra filium hominis, remittetur ei; qui autem dixerit contra Spiritum sanctum, non remittetur ei neque in hoc saeculo neque in futuro.
„Wer gegen den Menschensohn ein Wort sagt, dem wird es verziehen; wer es aber sagt gegen den heiligen Geist, dem wird es weder in dieser, noch in jener Welt nachgelassen.“ (Matth. 12, 32)
1. Betrachte, daß jeder Sünder entweder aus Gebrechlichkeit, oder aus Unwissenheit, oder aus Bosheit fällt. Im ersten Falle sündigt man gegen den Vater, dem die Macht, im zweiten gegen den Sohn, dem die Weisheit, im dritten gegen den heiligen Geist, dem die Güte eigen ist. Jene, die aus Gebrechlichkeit und Jene, die aus Unwissenheit sündigen, werden leichter von Gott begnadigt; nicht aber Jene, die aus Bosheit sündigen. Denn bei diesen ist die überwiegende Unordnung nicht im sinnlichen Begehrungs-Vermögen, wie bei Denen, die aus Schwachheit sündigen; noch auch im Verstand, wie bei denen, die aus Unwissenheit fehlen; sondern im Willen: und dies ist das größte Übel, denn sie sündigen, weil sie sündigen wollen: „Sie sündigen aus der Tiefe des Herzens“, sagt der Prophet Oseas (Os. 9, 9) Und in der Tat wollen sie mit Verachtung des letzten Zieles geflissentlich ein zeitliches Gut dem ewigen vorziehen.
O Unglücklicher! wenn du in diesem schrecklichen Zustande des Verderbens bist. Oder heißt das nicht der Sünde den Zepter in die Hand geben? Höre, was dir der Apostel sagt: „Die Sünde soll nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe.“ (Röm. 6, 12) Etwas Anderes ist es, wenn die Sünde gleich einem Tyrannen sich die Herrschaft in deinem Herzen entweder mit Gewalt oder mit List anmaßt; etwas Anderes aber, wenn du sie ihr freiwillig einräumst. Das heißt, sie herrschen lassen und somit auch zeigen, daß man sie liebt.
2. Erwäge, daß du beinahe schon unverbesserlich bist, wenn du nur sündigst, weil du sündigen willst. Denn es ist nicht so leicht, die Verkehrtheit des Willens zu heilen, wie jene der Sinnlichkeit oder des Verstandes. Die Verirrungen der Sinnlichkeit lassen sich durch geeignete Stärkungsmittel heilen, welche die Gebrechlichkeit allmählich mindern; die Verirrung des Verstandes läßt sich heben durch kluge Belehrung, wodurch nach und nach die Unwissenheit verbannt wird. Aber womit soll man deinen verkehrten Willen heilen? Du bist schlecht, weil du schlecht sein willst. Was mehr? „Deine Wunde ist die schlimmste.“ (Jerem. 30, 12,13) Es bleibt nichts anders übrig, als daß Gott dich strafe wie du es verdienst; denn „kein Heilmittel hat für dich Nutzen.“
Wenn Christus deshalb sagt, daß die Bosheits-Sünden unverzeihlich sind, so sagt er dies darum, weil sie unheilbar sind; nicht als ob sie nicht manchmal geheilt würden, wie man auch zuweilen den Aussatz, die unheilbare Krankheit, heilt, – sondern weil dazu gleichsam ein Wunder gehört.
3. Betrachte, daß du dich sehr oft selbst betrügst, indem du glaubst, aus Gebrechlichkeit zu sündigen, während du es aus Bosheit tust. Der Grund davon ist, weil du selbst eine solche Schwäche in dir verursachst, besonders durch freiwillige Unachtsamkeit auf deine Sinnlichkeit, die dich dann so gewaltig zum Bösen anstachelt. Du bist gebrechlich, weil du dich freiwillig in gefährliche Gelegenheiten stürzest; du bist gebrechlich, weil du deine Augen nicht im Zaume hältst; du bist gebrechlich, weil du deine Ohren nicht bewachest; du bist gebrechlich, weil du Alles lesen willst, was dir gefällt; weil du Besuche machest, nächtlichen Unterhaltungen nachgehest, und so die Versuchung aufsuchest, welche dich dann zu Boden wirft. Und noch meinst du, eine solche Gebrechlichkeit sei verzeihlich?
Der Apostel will nicht, daß dich eine andere Versuchung ergreife, als jene, die man im menschlichen Leben nicht vermeiden kann: „Eine andere Versuchung, als eine menschliche, soll euch nicht anfallen.“ (1. Kor. 10, 5) Wenn du dir aber die Versuchung selbst zuziehst, heißt das etwas Anderes, als sie wollen, – und somit die Sünde wollen? O wie sehr zeigst du deine Zuneigung zu ihr, da du freiwillig in ihre Schlingen gehst!
4. Betrachte, daß du auch oft meinen wirst, aus Unwissenheit zu sündigen, und doch ist es nicht so; du täuschest dich: du sündigst, wie oben gesagt, aus Bosheit. Das ist der Fall, wenn du gewisse, höchst wichtige Wahrheiten nicht kennen zu lernen trachtest; nicht weil dir die Fähigkeit oder Gelegenheit fehlt, nicht weil du Überdruss am Lernen hast, sondern bloß, um desto freier sündigen zu können, um jene Gewissensbisse nicht zu fühlen, welche dich so zu sagen in Zaum und Zügel halten würden. Heißt aber das nicht große Neigung zur Sünde haben?
Du willst dich einem so großen Übel, wie die Unwissenheit ist, überlassen; zu was für einem Gewinn? Um freier, ungehinderter die Wege der Bosheit wandeln zu können. O Verkehrtheit! Und doch sind deines Gleichen so viele, welche zu Gott sprechen: „Weiche von uns, wir wollen die Kenntnis deiner Wege nicht!“ (Job 21, 14) Sie gehen in keine Predigt, aus Furcht, von ihren Irrtümern enttäuscht zu werden; sie suchen geflissentlich unwissende Beichtväter, wählen sich absichtlich falsche Ratgeber, kümmern sich nicht um gewissenhafte Erkenntnis der Standespflichten, und „so weise sie sind, Böses zu tun, so wenig wissen sie Gutes zu wirken.“ (Jerem. 4, 22)
Kann dich je die Unwissenheit von der Bosheit entschuldigen, wenn die Unwissenheit selbst von der Bosheit herrührt?
5. Erwäge, daß es nicht zu verwundern ist, wenn so viele Menschen verdammt werden – da so viele aus Bosheit sündigen. Diese Sünde wird nicht nachgelassen; sie ist, gewöhnlich wenigstens, unverzeihlich. Denn was uns bewegt, Jemanden ein Vergehen gern zu verzeihen, ist das Bewusstsein, daß er entweder aus Schwäche oder aus Unbedachtsamkeit gefehlt hat.
Wenn du indes hörst, daß es eine Sünde gibt, die weder in dieser, noch in jener Welt nachgelassen wird; so folgere daraus, daß es in der andern Welt ein Fegfeuer gibt, wo man die zeitlichen Strafen für die schon vergebenen Todsünden, und für die läßlichen Sünden sowohl Strafe als Schuld abbüßt. –
aus: Paul Segneri S.J., Manna oder Himmelsbrod der Seele, 1853, Bd. I, S. 194 – S. 197