Mein Bethaus ist keine Räuberhöhle

Jesu heiliger Zorn: Mein Bethaus ist keine Räuberhöhle

(Mk. 11, 11; 15-17; Mt. 21, 12-13)

Christus vertreibt die Käufer und Wechsler mit der Peitsche bzw. Geißel aus dem Vorhof des Tempels; Schafe, Tauben und die Geldwechsler fliehen vor dem heiligen Grimm Jesu aus der Kirche

Vers 11: Lassen wir den Ausdruck des heiligen Evangelisten: „Nachdem er Alles angesehen hatte,“ nicht unbeachtet, Alles ist zu unserer Lehre und zu unserm Unterricht. Worauf mochten wohl die Blicke Jesu im Tempel gerichtet gewesen sein? Etwa auf die Pracht dieses Tempels, um seine Augen an derselben zu weiden; oder auf die Menge der Anwesenden, um eine Neugierde zu befriedigen und seine Gedanken zu zerstreuen; oder auf die mit Gold belegten Steinmassen, um sie anzustaunen; oder auf die um und in den Vorhöfen versammelten Käufer und Verkäufer, um sich in diesem bunten Gewirre Unterhaltung zu verschaffen? Ach! das sind die unwürdigen Beschäftigungen jetziger geistloser Christen in ihren gleichwohl würdigeren Tempeln, und bei ihren Besuchen großer Feste an Wallfahrtsorten oder Ablasstagen, wo sie, ganz Aug und Ohr für den äußeren Aufzug und für den nicht selten damit verbundenen Markt, der Richtung ihres Geistes auf Gott, ihrer Seele, auf deren Heil vergessen. Jesus sah im Tempel auf die Kinder, wie ihm lobsangen, und nahm sie in Schutz; auf die Kranken, und machte sie gesund; auf die Heiden, und erhörte sie; auf die Schwachen im Gesetze, und stärkte sie; auf die Eifrigen, und ermunterte sie; auf die Betrübten, und tröstete sie. Er sah aber auch auf die Käufer und Verkäufer, und jagte sie hinaus; auf die Unordnungen, die da vorfielen, und stellte sie ab; auf die Männer eitlen Hochmutes, die Schriftgelehrten, auf die Männer flacher Heuchelei, die Pharisäer, und beschämte sie. Wollen wir dieses Sehen Jesu nachahmen, so laßt uns mit der aufmerksamen Betrachtung der in den Kirchen zu unserer Erbauung auf gestellten Bilder und Symbole, der bei dem heiligen Gottesdienst vorkommenden Zeremonien eine stillsinnige Einkehr in unser Inneres verbinden, um durch die äußeren Gegenstände zu den himmlischen Dingen erhoben zu werden; sehen wir auf die Kleinen, daß sie sich ehrerbietig verhalten; auf die von der Glut der Andacht Entzündeten; damit wir von ihrer Flamme Wärme empfangen; sehen wir vor Allem auf ihn selbst, den gegenwärtigen Gott, den gegenwärtigen Heiland im Allerheiligsten; noch immer sieht er Alles, was in seinem Tempel vorgeht. Er sieht die Kleinen, welche fromme Mütter dahin zu ihm bringen, und hört, wie sie ihm dieselben empfehlen; er sieht die Frommen, und vermehrt ihnen seine Gnade, die Betrübten, die vor ihm weinen, und gibt ihnen Stärke, das ihnen auferlegte Kreuz ihm nachzutragen u.s.w.; er sieht aber auch die freiwillig Zerstreuten, die Heuchler, die Hochmütigen und Stolzen, und Alle, die sein Bethaus entweihen; er wird sie nicht ungestraft lassen, er erhört sie nicht, entzieht ihnen seine Gnade, und jenseits wird er sie darüber richten. „Und da es schon spät an der Zeit war, ging er mit den Zwölfen nach Bethanien hinaus.“ So hatte denn Jesus den ganzen Tag im Tempel zugebracht, da er Morgens dahin gekommen war, und als er ihn verließ, begab er sich wieder in die Einsamkeit, um dort die Nacht im Gebete zuzubringen.

Wie sehr beschämt dies diejenigen, denen die kurze Zeit, welche sie im Tempel zubringen, zu lange ist! Es ist zugleich auch eine Rüge für Jene, welche sich, von der Kirche hinweg, alsbald den Belustigungen und den für die Reinheit des Herzens gefährlichsten Zerstreuungen überlassen. (*) Mögen wir wenigstens daraus lernen, daß es mit dem Gebet und der Andacht in der Kirche nicht abgetan sei, sondern, daß man auch zu Hause sich noch dem Gebet und der Betrachtung widmen müsse.

(*) Wir können nicht umhin, anzumerken, daß es sehr widrig läßt, ja höchst unschicklich ist, wenn (wie es häufig Sitte ist) nach geendigtem feierlichem ersten heiligen Messopfer der Primitiant an der Spitze des ihm folgenden Zuges seiner Gäste sogleich in das Gasthaus zieht, wo das fast immer mit Tanz, und in einen förmlichen Ball sich endende Mahl gehalten wird. Es wäre zu wünschen, daß die Unterlassung solcher Unziemlichkeit nicht nur geboten, sondern mit aller Strenge auch gehandhabt würde.

Vers 15—17. Wenn es heißt: „Er ließ nicht zu, daß Jemand ein Geschirr durch den Tempel trug“, so ist unter dem Geschirr ein profanes, ein Hausgerät, überhaupt ein Gefäß, oder etwas dergleichen, was nicht zum Gottesdienst bestimmt war, zu verstehen; unter dem Tempel aber der äußere Tempel, der Vorhof der Heiden, wo den Heiden zu sein und zu beten erlaubt war, zu verstehen. Für diejenigen nämlich, welche von Bethesda in die obere Stadt, in Salomons Burg, gehen mußten, war der Weg um Vieles abgekürzt, wenn sie ihn durch diesen Vorhof des Tempels nahmen, als wenn sie ihn umgehen mußten. Es geschah also, daß Knechte und Mägde, Kinder und wer immer etwas in die obere Stadt zu tragen, oder aus derselben etwas nach Hause zu bringen hatte, mit den nötigen Geräten, z. B. Säcken, Körben u.s.w., oder sonst mit einer Last beladen, durch diesen Vorhof gingen, und den Umweg um denselben vermieden. Jesus ließ es nicht zu, daß ferner Jemand mit einer Last am Arm, einem Hausgerät in der Hand, oder mit einem Bündel oder einer anderen nicht zum Tempel gehörigen Sache auf den Schultern durch diesen Vorhof der Heiden ging. Ein auch für unsere Tempel gültiges Verbot, denen um so größere Ehrfurcht geziemt, als ihre Heiligkeit durch die Gegenwart des geheimnisvollen Gottes ungleich größer ist, als die des Tempels zu Jerusalem. Was wird einst Jener für ein Gericht warten, welche, alle Ehrfurcht gegen das Haus Gottes vergessend, es sich erlauben, sich daselbst wie an einem gemeinen Orte zu betragen! (**)

(**) Leider macht man auch unter Christen von dem Durchgang durch Kirchen Gebrauch, wo man dadurch nur einen geringen Umweg abschneiden kann, und trägt durch dieselben, oft sogar während eines Gottesdienstes, verschiedene profane Gegenstände durch. Sollte das von der der Kirche vorstehenden Geistlichkeit nicht alles Ernstes untersagt, und nach Kräften verhindert werden? … –
aus: Franz Xaver Maßl, Erklärung der heiligen Schriften des Neuen Testamentes, Dritter Band, 1841, S. 3 – S. 5; S. 7 – S. 8

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