Notwendigkeit des katholischen Lehramtes

Die heiligen drei Könige (Magier) mit ihren Begleitern sehen den Stern am Himmel, in dem sie das Jesuskind sehen

Die Schwierigkeit das wahre Christentum durch eigenes Studium zu finden

Die Belehrung der Magier

Die Notwendigkeit des katholischen Lehramtes

10. Die Offenbarung an die Weisen, obwohl göttlich, war dennoch ungenügend, Jesum Christum zu finden, ohne das Lehramt der Synagoge. Hierin liegt ein Vorbild der in der heiligen Schrift enthaltenen Offenbarung Gottes, welche ohne das Lehramt der Kirche ebenfalls ungenügend ist, um die christlichen Wahrheiten zu erkennen. Nur durch dieses Lehramt wird das Verständnis der heiligen Schrift leicht und sicher. Das gewöhnliche Resultat der biblischen Forschungen der Protestanten. Weissagung Jobs, vom heil. Gregor erklärt, in Bezug auf die traurige Lage der Häretiker, welche außerhalb der Kirche durch die heilige Schrift sich belehren wollen.

Die Notwendigkeit des kirchlichen Lehramtes zum leichten und sicheren Verständnis der heil. Schrift ist ein so wichtiger Punkt, daß wir nicht umhin können, noch einige andere Beweise, die uns die Offenbarung an die Weisen darbietet, anzuführen, um ihn in noch helleres Licht zu sehen.

Die Offenbarung an die Weisen war nicht vollständig

Wir machen demnach vorerst darauf aufmerksam, wie die Offenbarung an die Magier zwar herrlich und wundervoll, aber nicht vollständig war. Es mangelte ihnen, um Jesum Christum zu finden und anzubeten, die notwendigste Kenntnis, nämlich die Kenntnis des Ortes, wo er zu finden war; und diese Kenntnis erhielten die Magier dem göttlichen Willen zufolge nur durch die Synagoge. So ist auch die heil. Schrift ein Schatz von Wahrheiten und Offenbarungen; aber nicht Alles, was geoffenbart worden, ist in ihr aufgeschrieben. Viele wichtige, ebenfalls von Jesus Christus geoffenbarte Wahrheiten wurden uns von ihm mittelst der Überlieferung, über welche die Kirche zu wachen hat, hinterlassen. Diese Wahrheiten können wir also nur durch die Kirche kennen lernen. Ja wir können nicht nur nicht zum richtigen Verständnis der heiligen Schrift gelangen, sondern nicht einmal darüber sichere Bürgschaft erhalten, ob sie wahrhaft göttlich ist, ohne das Zeugnis und ohne das Ansehen der Kirche, nach dem berühmten Aussprache des heil. Augustin: »Ich würde selbst an die Göttlichkeit der heil. Schrift nicht glauben, wenn nicht die Autorität der katholischen Kirche mich versicherte, daß sie wahrhaft echt und göttlich ist. „Evangelio non crederem, nisi me catholicae ecclesiae commoveret auctoritas.“

Eben deshalb, weil die Offenbarung an die Weisen nicht vollständig war, war sie auch für sich allein nicht hinreichend. Denn was hätte es ihnen genützt, zu wissen, daß der Messias geboren sei, wenn sie nicht auch den Ort seiner Geburt wußten? Ohne die Vermittlung der Synagoge würden sie also das Ziel ihrer Reise nicht erreicht haben.

In der Tat kommt man vom Morgenland her eher nach Bethlehem, als nach Jerusalem. Die Weisen waren also der glücklichen Grotte, in welcher der von ihnen gesuchte Schatz sich fand, schon ganz nahe, ohne die Nähe des glücklichen Ortes auch nur zu ahnen. Sie gingen vielleicht auf ihrer Reise an der himmlischen Herberge vorüber, ohne sie zu kennen; und sie würden sie auch nie erkannt haben, wenn sie nicht durch den Ausspruch der Priester darüber Aufschluss erhalten hätten. So ist auch die heil. Schrift, obwohl sie die herrlichsten Offenbarungen über die Einheit und die Dreifaltigkeit Gottes, über die Gottheit und die Menschheit Jesu Christi, über seine Gebote, Räte, Sakramente enthält, dennoch ohne die Auslegung der Kirche für den Nicht-Christen ein unverständliches Buch, aus welchem er nur verwirrte, unbestimmte, unsichere Ideen sich holen kann; ein Buch, das ihm mehr Dunkelheit, als Licht; mehr Überdruss, als Lust gewährt. Bei der Lesung desselben kommt er Jesu Christo zwar nahe; hat ihn vor seinen Augen, und doch erkennt er ihn nicht als jenen, der er ist, als wahren Gott und wahren Menschen, als den alleinigen Erlöser der Welt. Der einzige Gewinn, den er nach dem Vorgang des Kämmerers der Königin Kandace aus dieser Lesung ziehen wird, ist die Überzeugung von der Unmöglichkeit, sie durch sich allein zu verstehen. Fragt man ihn um sein Urteil, so wird er immer mit den Worten des Kämmerers zur Antwort geben: »Wie kann ich die Schrift verstehen, wenn Niemand sie mir erklärt?« Diese Worte beweisen, wie schon bemerkt, auf das Klarste und Bestimmteste die Notwendigkeit des kirchlichen Lehramtes, um die heil. Schrift recht zu verstehen.

Die Offenbarung an die Weisen wurde durch die Synagoge bestätigt

Endlich war die den Weisen unmittelbar gewordene Offenbarung zwar vollkommen wahr; aber sie erhielten die Bestätigung derselben erst durch den Ausspruch der jüdischen Synagoge. Erst in dem Augenblick, da die alt-testamentliche Kirche durch den Mund ihrer Priester, der treuen Wächter und rechtmäßigen Ausleger der Prophetien, den göttlichen Ausspruch tat, und durch ihren Mund der heilige Geist den bestimmten Bescheid gab: „Bethlehem Juda ist der Ort der Geburt des Messias“, erst da fühlten sich die Weisen überzeugt und versichert, daß das Zeichen des ihren Augen erschienenen Sternes göttlich; göttlich die zur selben Zeit in ihrem Herzen vernommene Stimme; göttlich das Licht, welches ihren Geist erleuchtet hatte, gewesen sei. So wurde erst durch das Lehramt der Synagoge die göttliche Offenbarung an die Weisen leicht und sicher. Hätte Gott die Auffindung des Ortes der Geburt Jesu Christi ihrer Vernunft, ihrer Wissenschaft, ihrer Weisheit überlassen, wer weiß, wie viele Berechnungen sie angestellt, wie viele Vermutungen sie geschöpft, wie viele Hypothesen sie erfunden, wie viele Dispute sie geführt, wie viele Nachforschungen sie gehalten, wie viele Wege nach Ost und nach West sie eingeschlagen und wie viele Jahre lang sie hin und her gedacht und sich gestritten hätten, um endlich herauszubringen, ob das Wunder des Sternes, den sie gesehen, ein wirkliches Wunder, und ob die im Innern vernommene Stimme eine wahrhaft göttliche gewesen sei? Wer weiß, ob sie nicht, anstatt den Weg, auf dem sie Jesum Christum suchten, fortzusetzen, endlich sich selbst der Unbesonnenheit angeklagt hätten, weil sie ihn unternommen?

Wer weiß, ob sie nicht endlich, entmutigt durch die Fruchtlosigkeit ihrer Nachforschungen, um den, der ihnen durch den Stern verkündet worden war, zu finden, daran gezweifelt hätten, ob denn wirklich Gott zu ihrem Herzen gesprochen habe? Wer weiß, ob sie nicht die Erscheinung, die sie zuerst für eine himmlische und göttliche angesehen, zuletzt für eine bloß irdische und natürliche gehalten hätten und dadurch noch mehr in ihrem alten Aberglauben bestärkt worden wären – anstatt zur vollkommenen Erkenntnis Jesu Christi zu gelangen?

Eigene Forschung der Bibel führt zu falschen Schlüssen

So wird auch der Mensch, der die heil. Schrift mit dem Geiste demütiger Unterweisung, welche diese heilige Lektüre allzeit begleiten muss, liest; der die dabei erwachenden Gedanken und auftauchenden Ideen mit der Lehre der Kirche vergleicht und ihrem Urteil unterwirft, sicher den Irrtum meiden, im Glauben an die erkannten Wahrheiten bestärkt, auf dem rechten Weg zum Heil sicher geführt werden. Es wird ihm also die Erkenntnis der in der heil. Schrift enthaltenen Wahrheiten erst durch das Lehramt der Kirche leicht und sicher werden. Wenn aber im Gegenteil der Mensch der Versuchung des Stolzes, die den ersten Menschen zum Fall brachte, nachgibt wenn er die Schule der Kirche verläßt und bei der Lesung der Bibel keine andere Führung, kein anderes Urteil, keine andere Entscheidung anerkennen will, als seine eigene Vernunft, dann wird ihm Alles dunkel, verwirrt und ungewiß. Ein dichter Schleier wird ihm die in der Bibel enthaltenen Wahrheiten verdecken. Es wird ihm nicht bloß schwer, sondern fast unmöglich, sie klar und bestimmt zu erkennen. Dies ist nicht bloß bei Ungelehrten, sondern bei den größten Gelehrten der Fall. Oder sehen wir nicht täglich, wie jene Protestanten, welche, dem Grundsatz des Protestantismus treu anhangend, auf dem gefährlichen Weg der eigenen Forschung die Bibel verstehen und erklären wollen, zu einem traurigen Resultat gelangen? Sie ermüden sich mit anstrengenden und langwierigen Studien und mit der Undankbaren Arbeit, welche alle jene, die aus dem tiefen Ozean der heiligen Schriften die christlichen Wahrheiten gleichsam herausfischen wollen, unternehmen müssen, und kommen doch nie dazu, sich ein bestimmtes und klares Glaubens-Bekenntnis zu bilden. Zuletzt verzweifeln sie daran, je das Ziel, das ihnen Anfangs so leicht und so nahe zu sein schien, zu erreichen. Je mehr sie sich anstrengen, desto weiter flieht das Ziel vor ihnen, bis sie es zuletzt in dem grauen Dunkel einer unerreichbaren Ferne verschwinden sehen. Nun entsagen sie ihren biblischen Forschungen, auf die sie ein so sicheres und stolzes Vertrauen gesetzt, ganz und gar und gelangen zu dem Schluß: Dieselbe heil. Schrift, die sie Anfangs für ein göttliches Buch gehalten, sei nur ein menschliches Buch, wie alle anderen. Anstatt in ihr das wahre Christentum zu finden, finden sie darin nicht einmal die Grundwahrheit desselben, die Gottheit Jesu Christi, und verlieren sich zuletzt in einem kalten und verzweifelten Deismus. So wird die heil. Schrift ohne die Hilfe der Kirche, ohne das aus ihrer Lehre ausstrahlende Licht ein Buch voll unauflösbarer Rätsel; der heilbringende Lebensbaum wird verwandelt in eine tödliche Giftpflanze.

Auslegung von Jobs Weissagung durch den hl. Gregor

Das Ungenügende der heil. Schrift, um dem, der sie nach seinem eigenen Privaturteil auslegt, wie es die Häretiker tun, eine gesunde Seelennahrung zu reichen, hat Job schon mehrere Tausend Jahre früher geweissagt. Hören wir hierüber den heil. Gregor, der uns die geheimnisvollen Worte Jobs: »Vor Hunger und Armut vertrocknet, nagten sie in der Wüste und aßen, von Jammer und Elend strotzend, Kräuter und Baumrinden«: Qui rodebent in solitudine squalentes calamitate et miseria, et mendebant herbas et arborum cortices (Job. 30), in folgender Weise auslegt:

Wenn ein Brot zu hart ist, so daß man es nicht kauen kann, so zernagt man es ringsum mit den Zähnen. Deshalb hat Job mit den Worten »Jene, welche nagten« die Häretiker bezeichnet. Diese vermessen sich nämlich, die heil. Schrift bloß mit ihrem eigenen Verstande zu begreifen; weil sie aber, des göttlichen Beistandes beraubt, den wahren Sinn derselben in keiner Weise erfassen können, darum kann man von ihnen sagen, daß sie von diesem göttlichen Brot nicht wahrhaft essen, sondern sich damit vergebens abmühen und es nur von Außen benagen.

Job sagt ferner, daß diese unglücklichen Nager, durch Hunger und Armut vertrocknet, von Jammer und Elend strotzend, in der Wüste sich aufhalten: rodebant in solitudine squalentes calamitate et miseria. Auch dieser Umstand bezieht sich auf die Häretiker. Denn weil sie sich von der Gemeinschaft der allgemeinen Kirche losgetrennt haben, so sind sie gleichsam aus der großen Familie, aus der wahren Stadt der Gläubigen verbannt; befinden sich in einsamen, verlassenen Gegenden, wo Not und Elend herrscht, und haben daselbst keine andere Seelennahrung, als daß sie die heil. Schrift langsam abnagen, weil sie sich damit nicht nähren können. Und weil diese falschen Schriftausleger durch ihre noch gefährlichere Predigt die Menschen auch an sich zu locken versuchen, um die trostlose Wüste, in der sie selbst sich befinden, zu bevölkern, so hat uns Jesus Christus, die menschgewordene Wahrheit, schon im Voraus gewarnt, indem er sprach: Wenn sie euch sagen, die Wahrheit befinde sich außerhalb der Stadt bei ihnen in der Wüste oder in den Höhlen, so hütet euch, ihnen auch nur im Geringsten Glauben zu schenken und ihnen dahin zu folgen, wohin sie euch locken wollen.

Endlich sagt Job von jenen Menschen, daß sie in ihrem Hunger Kräuter und Baumrinden essen. Dasselbe tun die Häretiker. Sie kennen von der heil. Schrift, mit der sie sich so sehr rühmen, kaum die äußere Rinde und die leichtesten Dinge; aber in ihren tiefen, erhabenen Sinn, in die tiefen, erhabenen Geheimnisse, die darin verborgen sind, vermögen sie nicht einzudringen. Diese Hungernden, welche die Baumrinden abnagen, sinnbilden auch jene Katholiken, die beim Studium der heil. Schrift nur die äußere Oberfläche des buchstäblichen Sinnes beachten, um den höheren, geistigen Sinn aber sich nicht kümmern; die nicht einmal ahnen, daß in der heil. Schrift auch noch ein anderer Sinn verborgen ist außer jenem, der durch den Wortlaut angezeigt wird. (S. Greg. Moral. I. 20.c.11)

So hört also die heilige Schrift, wenn sie von der Lehre der Kirche getrennt und der Auslegung der Privat-Forschung überlassen wird, auf, ein hell leuchtendes Licht, ein sicherer Wegweiser, eine nährende Speise aus der weiten Reise von der Zeit in die Ewigkeit zu sein. –
aus: Joachim Ventura, Exgeneral der Theatiner, Die Schönheiten des Glaubens oder: Das Glück, an Jesum Christum zu glauben und der wahren Kirche anzugehören, Fünfter Band, Zweiter Teil, 1855, S. 72 – S. 79

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