Einige Lebensregeln des heiligen Antonius des Großen
Dem Christen ist nichts nützlicher als am Morgen eines jeden Tages zu denken: Heute fange ich erst an Gott zu dienen, und der heutige Tag ist vielleicht der letzte meines Lebens; wie viel Gutes habe ich in meinem bisherigen Leben versäumt, wie Vieles habe ich noch zu tun, um der ewigen Seligkeit im Himmel würdig zu werden, und doch wie ungewiß ist es, ob Gottes Barmherzigkeit mich noch den Abend erleben läßt. – Dieses Mittel schützt ihn wirksam gegen die lauernde Gefahr der Lauigkeit und Gleichgültigkeit im Dienst Gottes.
Die beste Klugheit und Vorsicht wendest du an, wenn du dich niemals zu denjenigen gesellst, welche nach den Grundsätzen und Moden der Welt leben; und wenn du nicht diejenigen nachahmst, welche in den Augen der Welt für fromm gelten wollen.
Siehst du einen Bruder zum Tode sündigen, so verachte und verdamme ihn nicht. – Liebe die Demut, sie wird dich vor Sünden bewahren. – Traue nicht Allen; denn die Welt ist voll Trug.
Wir haben mit Kampf geübten Feinden zu ringen, nämlich mit den bösen Geistern, welche uns auf die verschiedenste Weise zu schaden suchen: sie legen Schlingen auf die Wege der Frommen, indem sie sich bemühen, den Geist derselben durch gotteslästerliche, glaubenswidrige oder unkeusche Gedanken und Vorstellungen von Gott zu trennen; aber seien wir ganz ohne Furcht, durch Gebet und Fasten machen wir sie zu Schanden.
Ist ihnen diese Kampfesart mißlungen, so wählen sie mit gesteigertem Ingrimm eine andere, sie nehmen die Gestalt von Weibspersonen oder von tierischen Ungeheuern an, um uns zu versuchen, zu verwirren, zu erschrecken; aber auch diese Trugbilder sind nicht zu fürchten; vor dem Zeichen des heiligen Kreuzes werden und müssen sie weichen.
Aber alsbald greifen sie uns mit ihrer dritten, für uns gefährlichsten Waffe an, sie schmeicheln und versuchen uns, daß wir unsere Fehler und Schwächen vergessen und von dem Guten, das wir schon getan haben und noch tun, nicht Gott die Ehre geben, sondern uns in eitler Selbstgefälligkeit erfreuen; allein schlagen wir solche Angriffe zurück mit den Worten des heiligen Apostels: Was hast du, o Mensch, das du nicht von Gott empfangen? Hast du es aber empfangen, was machst du dich groß, als hättest du es nicht empfangen? (1. Kor. 4)
Damit du die Eingebungen der guten Geister von denen der bösen Geister genau und richtig unterscheiden mögest, so bediene dich der zuverlässigen Regel: die guten Geister beunruhigen deine Seele niemals, sie erfüllen dich mit ruhigem Vertrauen, mit freudiger Liebe zu den göttlichen Dingen; die bösen Geister dagegen beunruhigen und verwirren deine Seele und verursachen dir Ekel an den geistlichen Übungen.
Halte dir beständig die Beispiele der Heiligen vor Augen, um dich zu ähnlichen Tugendwerken anzueifern. –
aus: Otto Bitschnau O.S.B., Das Leben der Heiligen Gottes, 1880, S. 40