Heiligenkalender
10. Mai
Der selige Johannes von Avila, Ordensmann
Einer der glühendsten Verehrer der jungfräulichen Gottesmutter war Johannes von Avila; davon geben Zeugnis die Worte, die er in einer Predigt am Fest Mariä Opferung vor zahlreichen Zuhörern gesprochen: „Ich wollte lieber sterben, als die Verehrung gegen Maria nicht in meinem Herzen haben.“ Und in der Tat, sein Leben beweist, daß er diese Verehrung von seiner Kindheit an bis zu seinem Tod im Herzen trug. – Im Jahre 1500 zu Almodovar del Campo in Spanien geboren, trug er schon als kleiner Knabe die innigste Zuneigung zur Lieben Frau. Diese Neigung hatte ihm seine fromme Mutter ins Herz gesenkt. Mit ihr pilgerte er nach dem Wallfahrtskirchlein der heilige Brigitta im tiefen Wald. Auf dem Wege dahin zeigte ihm die gute Mutter die lieblichen Blümlein, und nannte ihm die Namen und dessen Bedeutung. „Siehst du hier, sagte sie, dies Blümlein so mild und freundlich? Das nennen sie „Mariens Lächeln“; denn das blühte nach dem ersten Lächeln des holden Mägdleins Maria, der Mutter Gottes, zum ersten Mal. Bei der Zelle des Einsiedlers am moosbedeckten Kirchlein duftet vor dem Fenster ein Blümlein, so andächtig geneigt und sinnend; und eben läutete man beim dämmernden Abend das Ave Maria. Sieh, mein Kind, sprach die Mutter, das Blümlein heißt „Aven“. Bei der Heimkehr fand Johannes eine Blume, an deren Stengel Blümchen um Blümchen empor blühte. O die schöne, schöne Blume, rief er jubelnd und brachte sie der betenden Mutter. Kind, sprach sie so mild und gut, diese Blume heißen sie „Himmelstrauen“, die dringt gleich der Gott vertrauenden Hoffnung immer und immer mit ihren Blüten aufwärts. –
Jetzt betete die Mutter den Rosenkranz. Sie kam mit Johannes zu einem Marienbild in einer Korkeiche. Sie betete vor dem Bild und Johannes mit ihr. Hierauf pilgerten sie weiter. Sieh, mein Kind, sprach jetzt die Mutter, dort da schöne Röschen; es lächelt gar so freundlich aus den Felsenspalten. Das heißen sie „Mutter-Gottes-Röschen“. Aber willst du auch wissen, wie es diesen Namen bekommen hat? „Ja Mutter“, entgegnete Johannes. „Einmal“, fuhr die Mutter fort, „da wusch die Mutter Gottes das Kleidchen des Jesuskindes, und hing es zum Trocknen an einen dürren Strauch. Und als sie zurück kehrte, sieh, da stand der Strauch mit tausend duftigen Rosen und eilte zurück. Das Jesuskind schlummerte sanft, und sie legte die Rose auf sein pochendes Herz; das Gotteskind schlummerte fort, während es sanft lächelte. „Doch warum tat es denn dieses, o Mutter“, fragte Johannes. „Es träumte vielleicht, es spiele mit den Engelein, entgegnete die Mutter; doch jetzt erwachte es – freundlich wie ein Engelein – die rote Rose auf seinem Herzen.“
Johannes lebte an der Hand seiner frommen Mutter im Haus seiner Eltern, in engelreiner Unschuld, Jesus und Maria im Herzen, bis in sein vierzehntes Jahr. Da wurde er nach Salamanca auf die Hochschule geschickt, um die Rechte zu studieren. Allein Johannes fand sich zum geistlichen Stand eingezogen und kehrte daher bald wieder nach Hause zurück, wo er sich ganz dem Gebet und heiligen Bußübungen überließ, was ihm auch seine frommen Eltern gestatteten. Die einfachsten Speisen genügten ihm; auf Rebholz-Bündeln schlief er, ein hartes Bußkleid deckte seinen Leib, den er oft noch mit der Geißel züchtigte. Seine tiefe Demut und seine glühende Liebe zu Jesus zeigte sich jedesmal, wenn er zur heiligen Kommunion ging. Er empfing sie erst dann, wenn er sich eine lange Zeit darauf auf das Sorgfältigste vorbereitet hatte.
Während er so im elterlichen Haus nur für Gott und das Heil seiner Seele lebte, kam ein Franziskaner-Pater zu seinen Eltern. Dieser bewunderte die Frömmigkeit ihres Sohnes, und gab ihnen den Rat, ihn nach Alkala auf die Hochschule zu schicken, damit er sich dort der Gottesgelehrsamkeit befleiße. Seine Eltern willigten gern ein, und Johannes hatte es bald durch seinen Fleiß dahin gebracht, daß er alle seine Mitschüler übertraf. Nun wurde ihm die lang ersehnte Gnade zu Teil, die heilige Weihe des Priestertums zu empfangen. Als er seine erste heilige Messe mit der flammendsten Andacht las, veranstaltete er kein glänzendes Gastmahl, sondern er lud zwölf Arme ein, und bediente sie mit heiliger Freude. Dann verkaufte er, da seine lieben Eltern schon gestorben waren, sein väterliches Erbe, und teilte den Erlös unter die Armen in Almodovar aus, indem er für sich nichts behielt, als ein Gewand von grobem Wollentuch. –
Nun ganz von der Welt los, faßte er den Entschluss nach Indien zu gehen, und dorthin die Früchte des heiligen Glaubens unter die Heiden zu tragen. Bis die Zeit seiner Abreise kam, brachte er täglich unter Tränen das heilige Messopfer dar und zwar am liebsten in der Mariä-Schmerz- und Mariä-Trost-Kapelle im Dom zu Sevilla, um den Schutz und Beistand der Himmelsmutter auf sich herab zu rufen. Da schaute ihm öfters ein frommer Priester zu, wie er gleich einem Engel am Altar betete. Tief gerührt von der glühenden Andacht des jungen Priesters, suchte er ihn kennen zu lernen. Erstaunt über die Fülle der Tugenden und der Gelehrsamkeit, die er an Johannes bemerkte, setzte er den Erzbischof von Sevilla von Allem in Kenntnis und dieser bestimmte den Priester Johannes, in der Provinz Andalusien, wo das Volk in Unsittlichkeit tief versunken war, als Missions-Prediger aufzutreten und die verkommenen Herzen für Gott zu gewinnen. Johannes gehorchte und betrat am Fest der heiligen Magdalena des Jahres 1535 zum ersten Mal, erst achtundzwanzig Jahre alt, die Kanzel in Sevilla, und von dieser Zeit an hörte er 24 Jahre hindurch nicht mehr auf, unermüdlich und mit dem größten Feuereifer das Feuer das Wort des Herrn zu verkünden. Er predigte in den Kirchen, auf den Straßen, öffentlichen Plätzen und auf dem freien Feld immer vor einer zahllosen Menge, die seinem Wort begierig lauschte. Seine Worte rührten die verstocktesten Herzen, die größten Sünder bekehrten sich. Er sprach ohne jeden Rückhalt, was ihm der heilige Geist hingab, und goss verzehrendes Feuer in die harten Gemüter. Diejenigen, welche ihn nicht hören konnten, belehrte er durch Briefe, überall hin drang seine Stimme zur Umkehr zu Gott, und Tausende folgten seinem Ruf.
Bei seinen Predigten setzte er immer besonderes Vertrauen auf die Fürbitte der Gottesmutter. Nur unter ihrem Schutz und Schirm wagte er die Kanzel zu besteigen. „Denn wenn, sagt er selbst, der große Vorläufer Johannes der Täufer, bevor er zu predigen begann, erst den Segensgruß der heiligsten Jungfrau empfing, wie soll ich es wagen, zu unterrichten, zu predigen, wenn Maria nicht für mich im Himmel bittet! Elsäus, ob er auch ein Prophet war, fühlte sich nicht zur Weissagung begeistert, bis ma ihm einen Harfenspieler vorführte, der ihm zur Harfe sang, – und wie sollte ich predigen, außer wenn ich die große Sängerin Maria höre, die den lieblichsten Gesang, das Magnifikat gesungen?“ Hielt er an verschiedenen Orten seine Bußpredigten, dann vergaß er nie, die Sünder auf das erbarmungsvolle Mutterherz Mariens hinzuweisen. Sein Mund, wenn er von Maria redete, strömte über vom süßesten Lob. Eine Probe seiner Lobpreisungen möge hier stehen. Am Fest Mariä Geburt predigte er einmal über die Worte des Hohenliedes (6, 9): „Wer ist die, die hervor kommt, wie die aufsteigende Morgenröte, schön wie der Mond, auserkoren wie die Sonne.“
Durch seine Unterweisungen, die er außer seinen Predigten hielt, führte er mehrere Personen beiderlei Geschlechtes zu der erhabensten Stufe der Tugend; unter Anderen den hl. Johannes von Gott, den hl. Franz Borgias, den ehrwürdigen Ludwig von Granada, die hl. Theresia, deren geistlicher Vater er gewesen. Da er von seinen vielen Arbeiten geschwächt, die heiligen Amtsverrichtungen nicht mehr ausüben konnte, weihte er beinahe seine ganze Zeit dem Gebet. In seinem 50. Lebensjahr wurde er mit verschiedenen Gebrechlichkeiten heimgesucht. Seine Körperleiden mehrten sich mit jedem Tag. Doch er flehte um keine Linderung, nein, nur um Geduld. „Noch mehr Schmerzen, o Herr“, sprach er oft mit kindlicher Ergebung, „noch mehr Schmerzen! Es wachse der Schmerz, es wachse aber auch die Liebe!“ Im Mai 1569 erreichten seine Schmerzen die höchste Stufe. Man erinnerte ihn, er möge über seine Habe verfügen. „Arm habe ich gelebt, entgegnete er, arm werde ich sterben.“ Als ihn einer seiner Schüler erinnerte, daß er wohl sterben werde, betete er zum Himmel empor blickend: „Jungfräuliche Mutter, gedenke meiner und bitte für mich am Thron Gottes!“ Nachdem er mit einem von Liebe ganz entflammten Herzen die heiligen Sterbesakramente empfangen hatte, und die Abenddämmerung angebrochen war, empfand er großen Schmerz. Man reichte ihm das Kreuzbild; er nahm es mit beiden Händen, und küßte Füße und Seite mit tiefer Rührung. Jesus! Maria! So sprach er oft mit leiser Stimme. Die Schmerzen dauerten bis zwölf Uhr, da neigte sich sein Leben zu Ende. Die Worte aussprechend: „Jesus! Maria! Joseph!“ gab er sanft seinen Geist auf am 10. Mai 1569. –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 1160 – Sp. 1162; Sp. 1165 – Sp. 1166