F. X. Weninger SJ, Ostern im Himmel
IX. Ostern im Himmel mit Maria
Mutter – nennt dich Gottes ewiger Sohn,
Mutter – nenn ich dich, ich armer Sünder;
Schau mich an von deinem Gnadenthron,
Auf mich liebereich unter deine Kinder.
Der Schutzengel geleitet die gerettete Seele an den Gnadenthron Mariä, der Königin des Himmels, der hoch herrlichen Mutter Jesu, des Erlösers.
Welch ein Jubel überströmt bei diesem Anblick ihr Herz und welch eine Freude belebt das Alleluja: „Ich sehe Maria, die Mutter Jesu, in ihrer Herrlichkeit und Glorie.“ –
„Ich sehe nun Maria in allen den unvergleichbaren Vorzügen ihrer Hoheit unter allen Geschöpfen, sie, das Wunder der göttlichen Allmacht, Weisheit und Güte.“
„Ich sehe sie von Angesicht zu Angesicht und sehe im klarsten Himmelslicht, wie sie, verherrlicht durch diesen ihren Vorrang, als die Königin des Himmels und der Erde auch die natürliche Hoheit und Herrlichkeit der Engel unermesslich überragt.“
„Ich sehe an ihr königlich verherrlicht alle die Vorzüge der Engel und Erzengel, der himmlischen Fürstentümer, Mächte, Kräfte und himmlischen Herrschaften, der Thronen und Cherubim und Seraphim.“
„Ich sehe nun klar und deutlich, warum das Buch der Weisheit mit besonderer Beziehung auf sie von der heiligen Kirche ausgelegt und sie gepriesen wurde, als das Vorbild, der Inbegriff und die Krone der ganze sichtbaren und unsichtbaren Schöpfung, erschaffen in einer Herrlichkeit, die nur der gebenedeiten Menschheit Christi des Herrn nachsteht.“ –
„Ich sehe sie. Die Eine Auserwählte aus den Menschenkindern, die Lilie unter den Dornen, empfangen ohne Makel der Sünde, wie sie als himmlische Eva an der Seite Christi, des himmlischen Adams, auch alle Chöre der Heiligen unermesslich überragt.“
Ich sehe sie in jener Schönheit, die selbst die Engel in Verwunderung setzte, als sie am Tage ihrer glorreichen Aufnahme in den Himmel sich von der Erde erhob, wo die Engel, sie mit Verwunderung schauend, ausriefen: „Wer ist die, die da kommt, herrlich wie die Sonne, schön wie der Mond, lieblich wie die aufgehende Morgenröte, duftend wie eine Rauchsäule aus Arabien?“
„Ja, nun sehe ich klar, warum die Kirche das Hohelied besonders auf Maria ausgelegt. Sie ist die von Ewigkeit her auserwählte Braut Gottes.“ –
Doch was sind alle diese natürlichen Vorzüge Mariä, die Weisheit ihres Verstandes, die Kraft ihres Willens, die Schönheit ihres Daseins, in allen den unermesslichen Vorzügen ihrer Geisteskraft und ihres verklärten Leibes gegen ihre noch weit höheren Vorzüge der Gnade? –
Wenn die Schönheit jeder Seele so unaussprechlich ist in ihrer Vereinigung mit Gott durch die heiligmachende Gnade im Lichte der Glorie, was soll ich von jener Schönheit sagen, in der ich Maria, die Mutter der Gnaden, verherrlicht sehe! – Jetzt verstehe ich zum ersten Mal in seiner ganzen Bedeutung das Wort des Engels: „Du bist voll der Gnaden!“
„Ich sehe, wie Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis reicher an Gnade gewesen, als alle Engel und Heiligen, und wie jede der Gnaden, die den Engeln und Heiligen je zuteil geworden, aus dem Herzen Jesu in das Herz Mariä und aus diesem Herzen durch die Himmel auf die Erde und in das Fegefeuer geflossen. Ich sehe den Strom, den einst die heilige Gertrud aus dem Herzen Jesu sich in das Herz Mariä ergießen sah, und aus diesem Herzen allen übrigen Geschöpfen zufließen, und wie ihre Gnadenfülle gleich einem unabsehbaren Meer alle diese Gnadenströme überflutet.“ –
„Ich sehe nun von Angesicht zu Angesicht diesen glorreichen Spiegel der Gerechtigkeit, in welchem die Heiligkeit Gottes so hoch herrlich erstrahlt.“
Ich sehe jede Einsprechung des heiligen Geistes, jede Erleuchtung und Bewegung ihres Herzens, die ihr je durch Gott den heiligen Geist in ihrem sterblichen Leben zuteil geworden, und wie sie jede derselben so ganz und völlig zur größeren und größten Ehre Gottes benützt nach jenem Wahlspruch, den ihr Herz mit seinem ersten Schlag ausgesprochen: „Ich bin eine Magd des Herrn; mir geschehe nach seinem Wort!“
„Ich sehe alle diese ihre Tugenden und Verdienste glänzend wie leuchtende Welten von Diamanten im Reich des Lichtes und der Vergeltung an der Krone ihrer Verdienste erstrahlen.“ –
„Ich sehe jetzt ihr ganzes hochheiliges Leben, von ihrem ersten Atemzug im Schoß der heiligen Anna bis auf ihrem letzten zu Jerusalem, mit dem sie in einem Affekt ihrer Liebe zu Jesus ihren Geist aufgegeben.“
„Jetzt erkenne und schaue ich ihr ganzes Verhältnis zu Gott dem Vater, dem Sohn und dem heiligen Geist als Mutter des menschgewordenen Sohnes Gottes.“
„Jetzt erkenne und schaue ich ihren Umgang mit Jesu vom Augenblick der Verkündigung zu Nazareth bis zu seinem letzten Atemzug am Kreuz und ihre Vereinigung mit Jesu, in seinem welterlösenden Leiden und auf dem Thron ihrer Verherrlichung an seiner Seite durch alle Ewigkeit!“ –
„Jetzt erkenne und schaue ich ihre ganze Würde und Macht als Schutzfrau der streitenden Kirche; welchen Anteil sie an den Siegen derselben und jedes gläubigen, frommen Kindes der heiligen Kirche genommen; wie sie es war, durch welche so viele Sünder die Gnade ihrer Bekehrung und Rettung und so viele gerechte Seelen die Gnade ihrer Heiligung erhielten. – Ich erkenne, wie so manche Seele, nächst Jesu, ihre Glorie im Himmel Mariä verdankt.“
„Jetzt sehe ich, wie sie es war, die mir von Gott die Gnade meiner Bekehrung, meines Berufes zu jenem Lebensstand erlangte, der für mich der Weg des Heiles gewesen; und dass sie mir jede Gnade meines Lebens erflehte.“ –
„Jetzt sehe ich, wie treu sie mir bei meinen Versuchungen beigestanden und wie sie mich gestärkt, dass ich die Nachstellungen des Satans glücklich überwunden.“
„Jetzt sehe ich, wie sie es war, die unzählige Male mich der Gewalt des bösen Feindes entrissen; – die von mir die gefährlichsten Versuchungen abgewendet, in denen ich sonst gewiss zu Grunde gegangen wäre.“
„Gegrüßet seist du, Maria!“ so jubelt die Seele vor dem Gnadenthron Mariä auf: „Gegrüßet seist du, Maria! im Himmel; voll der Gnade, voll der Herrlichkeit und Freude, der Herr ist mit dir für ewig! Du bist gebenedeit unter allen Engeln und Heiligen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus, an dessen Seite du als Königin des Himmels thronest. – Heilige Maria, Mutter Gottes, aber auch meine Mutter, nimm mich auf als dein gerettetes Kind und lass mich für ewig teilen deine Freuden.“
Nun sehe ich dein Mutterherz vor mir entschleiert; nun sehe ich die ganze Liebe und Zärtlichkeit, die dir der Herr, als der Mutter der Lebendigen, für jede Menschenseele und besonders für meine Seele eingeflößt hat. Wie trostvoll, o Maria! war es nicht für deinen Diener Alphons Rodriguez auf Erden, als du ihm einst erschienest und zu ihm sagtest: „Alphons! wüsstest du, wie sehr ich dich liebe!“ Wie unermesslich größer ist heute mein Himmelstrost, da ich jetzt vor dir im Himmel erscheine, und die ganze Größe der Liebe deines Herzens gegen mich erblicke.“
„Ja, ich sehe nun dein ganzes Mitleid gegen mich und die ganze Zärtlichkeit und Sorge, mit der du über mich gewacht und für mich gesorgt, bis es mir endlich mit deiner Hilfe ganz ernst geworden, nur für Gott und mein Heil zu leben; Gott nicht mehr zu beleidigen, auch nicht durch irgendeine ganz freiwillige lässliche Sünde und Unvollkommenheit.“
„Ich sehe, wie du mir jene Gnaden von Gott erbeten, die mein Herz erweiterten und mir den Mut und die Kraft einflößen, deinem heiligsten Beispiel durch ein heiliges Leben zu folgen.“
„Ich sehe alle die Gelegenheiten, die du mir verschafft, diese Stimmung meines Herzens vor Gott durch die Tat zu beweisen. Ich sehe, wie du es warst, die mir von Gott dieses große und weite Feld erfleht hat, um für das Heil und die Rettung der Seelen zu arbeiten, die das Feuer des Seeleneifers in meinem Herzen entzündete, dessen Wirkung mir nun einen solchen Himmel im Himmel in der Gemeinschaft der durch mich geretteten Seelen bereitet hat.“
„Maria! Ich komme nun mit allen diesen deinen geretteten Kindern zu dir, und danke dir nicht nur dafür, dass du mich gerettet, sondern auch, dass du durch mich auch sie gerettet und ihnen die Gnade des Eifers und der Beharrlichkeit erlangt hast.“
„O wie freue ich mich jetzt, dass ich so oft deiner auf Erden gedacht und über alles, was ich je von dir geredet, gesungen, geschrieben und wodurch ich deine Ehre und Verherrlichung auf Erden befördert habe!“
„Doch wie gering ist all dies gegen den Glanz deiner Herrlichkeit, die ich nun entschleiert im Himmel schaue, und gegen die Glorie jener Krone, mit der dich Gott der Vater, der Sohn und der heilige Geist am Tage deiner Himmelfahrt gekrönt und die ich nun auf deinem Haupt erglänzen sehe?! –
Wie oft hat sich mein Herz nach diesem Tage und diesem deinem Anblick mit Sehnsucht eines heiligen Stanislaus gesehnt; und wie glücklich fühle ich mich, dass es mir nun endlich gestattet ist, hier vor dir im Himmel auf mein Herz zu weisen und dir zuzurufen: O zärtlichst geliebte Mutter! siehe, wie sehr ich dich liebe!“ –
„Jetzt bin ich bei dir und bleibe bei dir für ewig! – Dank dir, Maria! für jede Gnade, die du mir in meinem Leben erlangt, und für die meines seligen Todes in deinen Armen.“
„Dank dir aber nun besonders mit allen Engeln und Heiligen für die Bereitwilligkeit, mich im Himmel als dein gerettetes Kind in deine Mutterarme zu schließen, um deine Himmelsfreuden mit mir für ewig zu teilen.“ –
Salve Regina – Gegrüßet seist du Maria
Als der heilige Bernhard nach Speyer kam, um den Kreuzzug zu predigen, ging ihm, wie die Legende erzählt, Kaiser Konrad entgegen und trug ihn auf seinen Schultern in den Dom, – Da stimmte nun der Heilige bei seinem Eintritt in die Kirche das „Salve Regina“ an, und setzte demselben die Schlussworte bei, die wir noch heute am Ende des Salve Regina beten. Er warf sich nämlich nieder zur Erde und sprach: „O Clemens! o gütige!“ erhob sich, ging vorwärts gegen den Gnadenaltar der Mutter Jesu, warf sich zum zweiten Male nieder und sprach: „O pia! o milde!“ erhob sich, ging vorwärts und warf sich zum dritten Male nieder, indem er sprach: „O dulcis! o süße Jungfrau Maria!“
Da ergeht vom Gnadenbild der Himmelskönigin aus ihrem Munde vor allem Volk hinwieder an ihn der Gruß Mariä: „Salve Bernarde!“ „Sei mir gegrüßt, Bernard!“ Was war das wohl für ein Trost für das Herz dieses hoch begnadigten Dieners und Kindes Mariä?! –
Doch welch ein Trost und welch ein Jubel erfüllt die Seele im Himmel, wenn sie, getragen auf den Flügeln der Glorie, im Tempel der Glorie Maria auf ihrem Himmelsthron erblickt, und ihr mit allen Engeln und Heiligen huldigend das. „Salve Regina!“ entgegen jauchzt?! .
„Gegrüßet seist du Königin, Mutter der Barmherzigkeit, des Himmels Süßigkeit, und meine Retterin sei gegrüßt! – Zu dir rief ich einst, o Stern des Meeres, als ein verwaistes Kind Evas auf Erden. Zu dir seufzte ich im Tal der Zähren. – Nun bin ich bei dir und gehe ein in deine Freuden. – Eja, du meines Herzens ewige Wonne! Wie zärtlich ruht dein Blick auf mir, und wie huldreich zeigst du mir heute Jesum, deinen Sohn, in seiner Herrlichkeit! Alleluja! Ich grüße dich und huldige dir und eile in deine Arme, und teile nun für ewig mit dir die Freuden deiner Seligkeit und Liebe: O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria!“ –
Die gerettete Seele hört nun als Antwort den Gruß der Himmelskönigin und Mutter, die ihr vor allen gekrönten Fürsten des himmlischen Jerusalem zuruft: „Sei mir gegrüßt, mein viel geliebtes Kind! hier in meinem Reich. Gehe ein in meine Seligkeit und Liebe!“ –
Welch ein Gruß, welch eine Einladung, welch ein Dank und Jubel des für ewig geretteten Kindes an dem Herzen dieser Mutter und Himmelskönigin! – Nun, o seligste Jungfrau und Mutter! Nun endlich kann ich deine Liebe erwidern, wie es mein Herz während meines ganzen Lebens verlangte, und kann dir, wonach es mich so sehnlichst verlangte, mit dem ganzen Himmel ewig danken. Alleluja!
Dieser Himmelsgruß Mariä ist für die Seele um so erfreulicher, je mehr sie auf Erden eifrigst beflissen gewesen, Mariä zu gefallen, sie zu ehren, zu verherrlichen und auch andere zu ihrer Verehrung und Nachfolge anzueifern. Fürwahr, wenn jede Königin ihre Befriedigung darin findet, kleine Dienste königlich zu belohnen, wie sehr wird dann das edelste, zärtlichste, großmütigste und freigebigste Herz der Himmelskönigin sich freuen, die Liebesbeweise ihrer Diener zu vergelten?
Und wenn eine irdische Mutter sich so hoch beglückt fühlt, wenn jemand ihre Kinder anleitet, sie zu ehren, ja wohl gar dieselben aus großer Gefahr rettet und ihnen zu einem großen Glück verhilft, so dass sie, was man für das Kind getan, gleichsam höher schätzt und reichlicher vergilt, als was man für sie selbst getan, wie dann nicht erst Maria, diese himmlische Mutter? –
Ja, der Zuruf: „Maria! siehe hier deine geretteten Kinder!“ ist das Unterpfand der vollsten Teilnahme an den ewigen Freuden der Liebe und Seligkeit dieser Mutter. –
Betrachtende Seele? liebst du Maria? Nun denn, einst vereinigt dich der Himmel mit Maria in ihrer Glorie, Seligkeit und Liebe für ewig! Denke daran und du wirst nicht mehr fragen, was wohl der Mensch vom Himmel weiß. –
Gleichwie aber Jesus die gerettete Seele als ihr himmlischer Bräutigam mit einer eigenen Brautgabe beschenkt, so denke ich mir, erhält auch jede Seele eine eigene Himmelsgabe besonderer Verherrlichung aus den Händen Mariä. –
Was die heilige Theresia in ihrem Leben von einer ihrer Entzückungen schreibt, scheint darauf hinzuweisen. Sie schreibt: „Da gab mir die Mutter Gottes ein Kleinod und hing mir eine goldene Kette um den Hals, an welcher ein schönes, köstlich geziertes Kreuz hing. Dieses Gold und diese Edelsteine sind so verschieden von jenen, die wir in der Welt haben, dass gar kein Vergleich zwischen beiden stattfindet. Ihre Schönheit ist niemand zu begreifen imstande, so wenig als der Stoff, aus dem sie gemacht sind.“
Es erübrigt noch eine der Himmelsfreuden, welche die Freuden der Seele in der Gemeinschaft der Heiligen krönt. –
aus: F. X: Weninger SJ, Ostern im Himmel, Betrachtungen über die Freuden des Himmels, 1865, S. 73 – S. 85
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