F. X. Weninger SJ, Ostern im Himmel
X. Ostern im Himmel bei Jesus Christus
Mensch geworden – ward Dir Todesqual,
Blut’ger Kelch nach Deines Lebens Herbe;
Lass, o Herr, lass Deiner Wunden Mal
Meine Sonne sein, wenn einst ich sterbe.
Es ertönt am Schluss der Litanei dreimal der Ruf: „O Du Lamm Gottes, das Du hinwegnimmst die Sünden der Welt!“ –
Die Seele erblickt Jesum Christum in der Glorie! Sie sieht die vierundzwanzig Ältesten vor dem Throne desselben mit Harfen und goldenen Schalen voll des köstlichsten Weihrauchs, und hört den Lobgesang, den alle Heiligen zugleich vor demselben anstimmen, und den sie nun als eine erlöste und gerettete Seele mit ihnen singt: „Würdig ist das Lamm, zu empfangen die Kraft und Glorie; – ja würdig bist Du, Herr! zu öffnen das Buch, der Du uns erlöst hast mit Deinem Blute aus jedem Volk und jedem Geschlecht und jedem Stamm und jeder Zunge, und hast uns gemacht zu einem Gottesreich, dass wir Priester seien und Könige, und herrschen durch Dich ewiglich!“ (Offb. 5, 9 u. 10)
Maria stellt die gerettete Seele dem Herrn vor. – Welch ein Anblick, welch ein Jubel, welch ein Dank und welch ein Zufluss neuer Seligkeit und Glorie?! –
„Ich hätte Jesum sehen mögen!“ das war der höchste Herzenswunsch des heiligen Augustin auf Erden; und wer aus uns wünschte das nicht auf gleiche Weise? – O ja! Ich hätte es sehen mögen, das holde Jesuskind in der Krippe, den holden Jesusknaben im Tempel. – Ich hätte Jesum sehen mögen, wie Er das Volk belehrt und predigte. – Ich hätte Jesum sehen mögen, wie Er Lazarus vom Tode erweckte und als Er triumphierend nach Jerusalem einzog. – Ich hätte Jesum sehen mögen im Speisesaal zu Jerusalem, am Ostertisch, wie Er das allerheiligste Sakrament einsetzte. –
Ich hätte Jesum sehen mögen, als Er, am Kreuz erhöht, zum Vater betete und sein Leiden und Sterben für mein Heil und für das Heil der ganzen Welt als ewiger Hoherpriester aufopferte. – Ich hätte Jesum sehen mögen am heiligen Ostermorgen, als Er sich glorreich vom Grabe erschwang und als Sieger über Tod und Hölle das Alleluja der Welterlösung anstimmte. –
Ich hätte Jesum besonders sehen mögen am Tage seiner Himmelfahrt, als Er seine gebenedeite Mutter, die Apostel und Jünger umfing und segnete, und für ewig einging in seine Glorie.
Ja ich hätte gewünscht, eine der glücklichen Seelen zu sein, die Er an jenem Tage mit sich in den Himmel genommen. Doch wenn damals schon sein Anblick und Triumph so trostreich und glorreich gewesen, ist Er es heute, nach achtzehnhundert Jahren der Siege seiner Kirche, in Mitte der durch Ihn geretteten und verherrlichten Seelen, minder? –
Gewiss nicht! – Darum welch ein Alleluja der Freude und des Entzückens, das die Seele dort anstimmt, wenn sie jetzt, wo du dieses liest, im Himmel ausruft: „Ich sehe Jesum in seiner Glorie und gehe ein in seine Seligkeit und Liebe!“ –
Die heilige Theresia sah einst bloß die verklärte Hand Jesu Christi und geriet sogleich in Entzückung. Sie sagt, keine menschliche Hand sei imstande, die Schönheit seiner verklärten Hand zu beschreiben. Was hätte Theresia erst gefühlt, hätte sie diese Hand im Himmelslicht und den Herrn selbst von Angesicht zu Angesicht in seiner Himmelsverklärung gesehen; gewiss die Freude hätte ihr Herz zersprengt. –
Wer vermöchte erst zu ahnen, wie schön seine mit dem ewigen Wort persönlich vereinigte Seele sei?!
„Ich sehe Jesum von Angesicht zu Angesicht!“ – so jubelt die gerettete Seele lobpreisend vor allen Engeln und Heiligen auf. O wie erglänzen an der Krone seiner Herrlichkeit die Strahlen seiner persönlichen Gottvereinigung in endlosem Glanze, und wie leuchten an dieser Krone zugleich so wundervoll hervor die unzähligen und unendlichen Verdienste aller Gedanken, Worte, Anmutungen, Gebete und jedes Werkes seines ganzen Lebens, Leidens und Sterbens; und wie dankt und lobt und jubelt zugleich ihr Herz!
„Alleluja!“ – so jauchzt sie wonneentzückt auf: „Ich sehe nun aufgedeckt vor mir, o Jesu! Dein ganzes Leben, Leiden und Sterben, als wäre ich, wie Maria, an Deiner Seite gewandelt.“
„Jetzt erkenne ich den ganzen Wert des großen Opfers der Welterlösung, das Du Deinem himmlischen Vater dargebracht.“ –
„Ich sehe nun aufgedeckt und verherrlicht die Wege der göttlichen Vorsehung zum Heil des Menschengeschlechts, das Gott der Vater durch Dich und Dein Verdienst zu retten beschloss.“ –
„Ich sehe, was Dich jede Seele gekostet und was Du für eine jede durch den Lauf der Zeiten getan, von Adam bis an das Ende der Welt.“ –
„Ich sehe alle die wunderbaren Wirkungen der innerlichen Erleuchtung, mit der Du, o ewiges Wort! erleuchtest jede Seele, auf dass sie zur Erkenntnis der Wahrheit gelange und selig werde.“ –
„Ich sehe alle die Wunder, die Du gewirkt durch das gepredigte Wort, das Du auf den Lippen des Priesters gesegnet; besonders aber was das Verdienst der Erlösung zur Verherrlichung Gottes und zur Rettung und Heiligung der Seelen durch die Ausspendung der heiligen Sakramente gewirkt.“
„Ich sehe die Wunderkraft aller heiligen Taufen, welche die Seelen in allen Teilen der Welt vom Aufgang bis zum Untergang aus der Sklaverei des Teufels errettet und mit einem Male zu Kindern Gottes umwandelte.“ –
„Ich sehe die Wundermacht aller erteilten heiligen Firmungen, durch welche die Kraft und Weihe des heiligen Geistes sich in die Herzen der Menschenkinder ergossen und sie zu Seinen lebendigen Tempeln eingeweiht.“ –
„Besonders sehe ich und danke dem Vater im Jubel und Trost meines Herzens für die Verherrlichung, die Du Ihm durch Deine persönliche Gegenwart im allerheiligsten Sakrament dargebracht von dein Abend des Gründonnerstags bis an das Ende der Welt.“
„Ich sehe alle die Altäre der Welt und alle Stätten, wo Du jemals Dich als Opfer von Neuem dargebracht, und wie jede heilige Messe den Vater mehr verherrlicht hat, als alle Verdienste und Lobpreisungen aller Engel und Menschen vom Anbeginn der Welt bis in alle Ewigkeit.“ –
„Ich sehe alle die heiligen Tabernakel, wo Du verschlossen Dein Bittgebet in Anmutungen voll unendlichen Wertes Tag und Nacht ohne Unterlass zur Sühnung des Menschengeschlechtes zum Himmel empor gesendet.“ –
„Ich sehe zugleich alle die unzähligen Kommunionen, in denen die gläubigen Kinder Deiner Kirche aus so vielen Völkern Dich je auf Erden empfangen, und sehe die überströmende Fülle von Gnaden, die jede derselben zur Heiligung der Seelen in sich schloss.“ –
„Ich sehe die Kraft Deines kostbaren Blutes durch die Ausspendung des heiligen Sakramentes der Buße und der letzten Ölung zur Vergebung der Sünden sich täglich, stündlich, und zwar unzählige Male, begleitet von den größten Wundern der Gnade, wirksam erweisen. – Wer könnte sie zählen und genügend bewundern alle diese geistigen Totenerweckungen und geistigen Schöpfungen im Herzen derjenigen, die diese Sakramente würdig empfangen? Wer berechnet den Gewinn der unzähligen Ablässe Deiner heiligen Kirche, welche alle wohl bereiteten Herzen wirklich gewonnen, und wie jeder Engel und Heilige zum Dank für diese Verherrlichung Deiner göttlichen Erbarmung dafür Dich und Deinen Vater in Ewigkeit preiset.“ –
„Ich sehe alle die Ströme der Gnade, die aus Deinem Herzen zur Bevollmächtigung und Heiligung der Diener der heiligen Kirche durch das Sakrament der Weihe in die Herzen Deiner Geweihten sich ergossen, und wie sie im heiligen Amt alle eins sind mit Dir, o ewiger Hoherpriester! Vereinigt mit Dir, wie die Strahlen mit der Sonne! –
„Ich sehe, wie aus Deinem Herzen dem Menschengeschlecht Gnade zufließt durch die Heiligung des ehelichen Bundes, und die Würde desselben noch höher gestellt hat, als das im Stande der ursprünglichen Gerechtigkeit und Unschuld der Fall gewesen.“ –
„Ich sehe besonders die wundervollen und beseligenden Wirkungen der heiligen Sakrament, die ich selbst in meinem Leben empfangen, und wie alles dieses die Ehre Deines himmlischen Vaters und Deine eigene Glorie und Seligkeit im Himmel erhöht.“ –
„Ich sehe entschleiert die wundervolle Kraft Deines Beistandes, durch den Du bei Deiner Kirche zu bleiben versprochen bis an das Ende der Welt. Ich sehe, wie dieser Beistand so siegreich alle die Seligen, die ich hier erblicke, auf dem Wege des Heiles geleitet, und wie erbarmungsvoll und siegreich Du durch diesen Deinen Beistand mich selbst gesucht, geheilt, geschirmt, geleitet, begnadigt und an das Ziel meiner ewigen Seligkeit geführt.“ –
„O wie jubelt nun mein Herz, dass ich durch diese meine Rettung Deine Herrlichkeit im Himmel vermehren kann, Dich, den der Vater erhöht und dem Er einen Namen gegeben, auf dass in Deinem Namen sich jedes Knie beuge im Himmel, auf Erden und unter der Erde.“ –
„Nun sehe ich Dich in jener Herrlichkeit, von welcher der heilige Johannes geschrieben: ‚Auf seinem Haupt sind viele Diademe.‘ – Es sind dies die Diademe Deiner Verherrlichung als König der Engel und aller Heiligen nach ihren verschiedenen Chören, deren Vorzüge an Dir ich alle königlich verherrlicht erblicke.“ –
„Da herrschest Du nun in jener Macht, von der Du selbst gesagt: Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden.“ –
„Ich sehe Deine Lenden umgürtet mit dem Gürtel der Glorie: Ein König der Könige, ein Herr der Herrschenden. – Und Dein glorreicher Name heißt: Das Wort Gottes – Jesus!“ –
„O wie hat dieser süße Name mein Leben mit so vielen Segnungen Deiner Huld begnadigt! Selig der Augenblick, wo ich als Kind meine Lippen bewegte, und diesen Deinen heiligsten, süßesten Namen zum ersten Mal aussprach: Jesus! – Selig der Atemzug, wo ich ihn sterbend zum letzten Mal auf Erden genannt, und mich an denselben als an den Anker meiner Hoffnung angeklammert.“ –
„Welche Wonne aber durchströmt nun erst mein Herz, wenn ich diesen Deinen heiligsten, süßesten Namen Jesus hier vor Dir im Himmel ausrufe, um als erlöste und durch Dich gerettete Seele Dich in Deiner Herrlichkeit zu begrüßen!“
„Wie trostvoll leuchten mir nun als Unterpfand meines Heiles Deine fünf heiligen, strahlenden Wunden entgegen, die ich mit allen Engeln und Heiligen huldigend anbete. – Sie rufen mir so wonnevoll ins Herz: Ich dachte an Dich; – Ich suchte Dich; – Ich schätzte Dich; – Ich leitete Dich; – Ich liebte Dich!“ –
„Nun verstehe ich und sehe erfüllt die Worte des Propheten: An demselben Tage wirst du sagen: Siehe, Gott ist mein Heiland! Und ihr werdet mit Freuden schöpfen aus den Brunnquellen des Erlösers. Und Du wirst sagen: Preiset den Herrn, und ruft an Seinen Namen, und macht es bekannt Seinem Volk; denn sein Name ist hoch. Lobsinget dem Herrn, denn Er hat alle diese großen Dinge getan. – Juble und preise, Wohnstadt Sion! Denn groß ist Der, Der in deiner Mitte wohnt, der Heilige Israels, Der mich eingeführt in Seine Seligkeit und Freude.“ (Isa. 12)
„Hat dir, o Jesu! Bereits mein Herz gedankt, als ich das Exultet seliger Osterfreude vor Dir angestimmt; welch ein Jubel wird mein nach Dir sich mit solcher Sehnsucht des Verlangens sehnendes Herz erfüllen, wenn ich Dich nun selbst umfange, Dir an Deinem Herzen danke und eingehen darf für ewig in Deine Freuden?“
Jesus breitet seine Arme nach der geretteten Seele aus und ruft ihr vor allen Engeln und Heiligen zu: „Getreue Seele! – gehe ein in meine Freuden!“ – Die Seele eilt zu Ihm. O dreimal selige Umarmung, mit der die gerettete Seele Jesum im Himmel umfängt, und bei welcher dieselbe Ihm, Ihrem Retter und Heiland, durchströmt von Seiner Himmelswonne, dankt, für ewig dankt. –
„Was mein ist, ist dein!“ so grüßt Jesus die gerettete Seele, und Er schmückt sie mit der ihr vorherbestimmten Brautgabe, und krönt die Seele mit der Krone der Herrlichkeit und Freude. –
„Pax tibi – der Friede sei mit dir!“ so grüßt Jesus die Seele und küsst die Seele. – „Der Friede sei mit dir; der Friede meiner Liebe; – der ewige Friede nach glücklich durchkämpftem Kampf und nach dem für ewig errungenen Sieg. – Der Friede sei mit dir: für ewig sollst du keine Versuchung mehr haben, keine Arbeit, keine Mühe, keine Drangsal, keine Betrübnis, keine Kränkung, keine Krankheit, keine Furcht, keine Gefahr, keine Möglichkeit irgendeiner Unvollkommenheit und Unruhe des Gewissens.“ – –
„Meinen Frieden gebe ich dir nach meiner Verheißung durch den Mund des Propheten: „Nie mehr soll meine Huld von dir weichen, noch der Bund meines Friedens erschüttert werden, spricht der Herr, der sich deiner erbarmte.“ – „Gehe ein in den Frieden meiner Liebe.“ – „Den Überwinder lasse ich sitzen auf meinem Thron.“
Für wen aber wird wohl dieser Gruß des Heilandes trostreicher sein, als für eine Seele, die so glücklich gewesen, durch ihre Arbeit und Mühen Seelen zu retten, die Jesus so unendlich geliebt, für die Er so unermesslich viel gelitten, und sein letztes Tröpflein Blut am Stamm des heiligen Kreuzes verspritzte.
Ja, welch ein Trost und welch ein Jubel, dem Herrn einst diese Scharen geretteter Seelen zuzuführen und sagen können: „Siehe, mein Heiland, für diese meine Seele, die Du so teuer erkauft, so huldvoll geleitet, so gnadenvoll bewahrt hast, habe ich Dir diese Seelen gebracht. – Herr, Du weißt es, was die Sorge, dieselben zu gewinnen, mich einst gekostet. – Nimm sie hin zu Deiner ewigen Verherrlichung und als Unterpfand meiner Liebe und meines ewigen Dankes.“ –
Noch einmal umfängt dafür mein Jesus die Seele und ruft ihr zu: „Gehe ein in Meine Freuden, in die Freuden des Erlösers der Welt; Ich selbst bin nun dein überaus großer Lohn; teile zugleich die Seligkeit aller durch deine Mühe und Arbeit geretteten Seelen!“
Der Schutzengel leitet die Seele aus den Armen Jesu auf ihren Himmelsthron. –
Die Ostermesse beginnt. –
aus: F. X: Weninger SJ, Ostern im Himmel, Betrachtungen über die Freuden des Himmels, 1865, S. 86 – S. 98
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