Jesus Christus kam als Erlöser
Mit Christus kam die neue Weltanschauung. Der Name Christus ist Bindung. Er ist der Führer der Menschheit. Das Kreuz wird zum Sammelpunkt unzählbarer Menschenscharen. Christus ist das Heil. Er ist der Wegweiser zu den durch seine Offenbarung und seine Kirche gelösten Rätseln. Er ist das Alpha und das Omega. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn. Er ist in einer Person Gottessohn und Menschensohn. Er ist das Band, das die Menschen untereinander und mit Gott verknüpft. Er beseelt die Mühseligen und Beladenen und führt die Denker aus den Labyrinthen der Wissenskerker. Er ist der Inhalt des Einzellebens und der Weltgeschichte. Eine ungeheure Umwälzung der Dinge vollzog sich bereits bei seinem ersten Eintreten in die Welt. „Während im kaiserlichen Rom sich die Paläste türmten, die Schwelgermahle dufteten, das Volk vor Tierhetzen und Gladiatorenkämpfen jauchzte und die Opfer der Gewaltherrschaft verbluteten, erging in Palästina die einladende Predigt an die Mühseligen und Beladenen“ (Joel I, S. 117)…“
Da kam Christus und verkündigte die Lehre von der Gleichheit aller Menschen vor Gott und damit auch ihre Rechte vor den Menschen.
Er lehrte die Unsterblichkeit der Seele und öffnete damit einen unendlich tiefen Born der Lebenszuversicht. Er band das Gewissen der Reichen an die Forderungen der sittlichen Gleichberechtigung aller Menschen, auch der Sklaven.
Von wunderbarstem Einfluß war die neue Lehre für das Weib. Wenn auch gerade dem römischen Kulturkreis eine hohe Schätzung der Matrona nicht abgesprochen werden kann, so hatte das Weib im orientalischen und griechischen Kulturkreis eine niedere und entwürdigende Stellung, sehr im Gegensatz zu den Germanen. Christus band das Weib an die Keuschheit, an die eheliche Treue, an Opfersinn und Caritas für den Mitmenschen. Eine Reihe der herrlichsten, edelsten Frauengestalten wuchsen aus dem Römertum und später aus den Völkern des mittelalterlichen Kulturkreises hervor und legen Frauen (…) edle Frauenseelen Zeugnis davon ab, welche sittlichen Kräfte und ideale Höchstleistungen die Bindung an religiös vertieftes Frauentum und Caritas hervor zu bringen imstande ist. Die Umwandlung der damaligen Welt, das Emporsteigen aus der Entartung der Antike war nur durch die Bindung an die Lehren Christi möglich.
Diese Bindung war in erster Linie innere Befreiung.
„Die letzten Sonderschranken fallen“, schreibt Joel (S. 121), wenn so ein Barbar, das Weib, der Sklave, der leiblich oder geistig, ja moralisch Minderwertige, wenn Zöllner und Sünder, wenn sie alle nun zum Recht ihrer Seele kommen… Dieses erste Jahrhundert nach Christus ist ein solches stärkster und tiefster Bindung. Macht und Liebe, die äußere und die innere Bindungskraft schlagen in diesem Jahrhundert wie niemals wieder zur Höhe empor und sie werden eins in der höchsten Bindung, in der Religion, in der göttlichen Allmacht der Liebe… In Christus findet man den Sozialgeist der Menschheit verkörpert, die höchste Hingebung, die zum letzten Opfer, zum Tode bereit ist für das Heil Aller. Er kommt nicht wie Sokrates als geistiger Bildner und Lehrer, er schärft nicht den Kopf durch kritisches Denken, er bindet das Herz durch Liebe und Glauben. Er ruft nicht als Aufklärer zur Selbständigkeit, er ruft als Mittler zur Einigung. Er führt nicht zur (äußeren) Befreiung, sondern zur Unterordnung. Er entbindet nicht den Menschengeist, er lenkt ihn zum Gottesreich. Er heißt nicht weich mahnend, sondern entschieden fordernd, ihm nachzufolgen. Der Glaube wird eins mit der Liebe, …“ –
aus: Dr. Hans Rost, „Die katholische Kirche, die Führerin der Menschheit“, St. Josefs-Verlag, Augsburg 1954, S. 59 – S. 60