Aphorismen aus dem Tagebuch des P. Rinn SJ
X. Leiden
„Jesus trat vor.“ – Joh. 18, 4. Bemerke, wie der hl. Evangelist in kurzen Worten klar anzeigt, daß Jesus aus Gehorsam und Liebe zum Vater sich nun selbst darbot. – Der Eifer, das Werk, das ihm der Vater aufgetragen, zu vollbringen, treibt ihn an, hervor zu treten und seinen Henkern entgegen zu gehen. –
Die Erkenntnis des göttlichen Willens allein gibt uns solchen Mut. Im Gebet trage deine Schwäche vor, – erforsche den Willen Gottes, – nachdem du ihn erkannt, vertraue fest auf seinen Beistand – auch das Schwerste wird leicht, wenn wir wollen, was Gott will; denn in dieser Vereinigung sind wir wahrhaft allmächtig. –
In diesem (nicht Selbstvertrauen, sondern) heiligen Gottesmut tritt den Beschwerden entgegen, – komm ihnen zuvor. – Wer nicht den Kommenden entgegen geht, wird auch, wenn sie ihn treffen, fliehen. –
Wer nicht wenigstens manchmal freiwillig Schmerz auf sich nimmt, hat selten Kraft auch da, wo er ihn nicht abwenden kann, mit christlicher Geduld zu tragen. Wenn man das Kreuz träge und unwillig oder halbwillig nach sich schleppt, ist es viel schwerer, als wenn man es frisch auf die Schultern nimmt.
„Den Kelch, den mir der Vater gegeben, soll ich ihn nicht trinken?“ Joh. 18, 11. Von den Menschen wird uns zwar der Kelch der Leiden gereicht, aber er kommt vom Vater. Zürne nicht gegen die Menschen, die solchen Auftrag haben. Für dich, wären sie innerhalb noch so feindlich gesinnt, (was dir aber sehr selten widerfährt) sind sie doch Freunde vom Vater gesendet. Bisher haben mir wahrhaftig diejenigen, die ich für Feinde gehalten habe, am meisten mein Heil befördert; die allzu große Liebe meiner Freunde hingegen hat mir viel geschadet; – freilich ist das nur meinem Missbrauch zuzuschreiben. –
aus: Friedrich Rinn SJ, Die ewigen Wahrheiten der geistlichen Übungen des heiligen Ignatius von Loyola, 1878, 1. Bd., S. 70
siehe auch den Beitrag: Betrachtung des Leidens Christi ist wichtig