Betrachtung über das Priestertum

Aphorismen aus dem Tagebuch des P. Rinn SJ

XII. Das Priestertum

Die schrecklichen Sünden eines Priesters sind aus drei Ursachen auf’s höchste zu verabscheuen; erstlich wegen der größeren Verachtung Gottes; zweitens wegen des größeren Undankes gegen Gott; drittens wegen des größeren Ärgernisses. Darum ist die Strafe der Priestersünde auch so furchtbar; vielfach tritt ein – die Verblendung – die Verstockung des Herzens! –

Die Ursache so tiefen Falles eines Priesters in die Sünde sind: Unordnung ins einem täglichen Elben wegen Überhäufung der Geschäfte, Vernachlässigung des Gebetes, Verzärtelung und Verweichlichung des Leibes, Lob der Menschen.

Weit entfernt, daß die Würde den Priester vor der Welt bewahrte, ist sie oft Gelegenheit zu noch größerer Gefahr.

„Wenn die Gaben vermehrt werden, wächst auch die Verantwortung für dieselben.“ Hl. Gregor d. Gr. „Wenn das Salz schal geworden, womit soll es dann gesalzen werden?“ Matth. 5, 13.

Gottes besonderen Zorn über laue Priester kannst du aus den Drohungen der Propheten des alten Bundes ersehen. Lies nur in der geheimen Offenbarung die Briefe an die Bischöfe der fünf Kirchen Asiens! Welches Lob wird einerseits diesen Männern gespendet, und dennoch stehen sie bald alle in nächster Gefahr der Verdammung. „Wenn dies am grünen Holz geschieht, was wird erst am dürren geschehen.“ Luk. 23, 31.

Viel ist dem Priester gegeben, aber sehr viel wird eben deswegen auch von ihm gefordert. Erinnere dich oft, was P. Hofbauer gesagt:

„Wenn ein Priester nur den zehnten Teil von dem tut, was er tun soll, so wird er schon vom Volk für heilig gehalten, kann aber doch verloren gehen.“
Von Anderen wird doch nur die Sorgfalt für ihre eigene Seele, – vom Priester aber wird Rechenschaft gefordert werden von so vielen Seelen, die ihm anvertraut sind.
Der Priester kann nicht allein in den Himmel eingehen; welche Gefahr, wenn auch nur Eine Seele durchs eine Nachlässigkeit oder gar durch Ärgernis, das er gibt, verloren geht?

Welche heilige Scheu haben alle Diener Gottes vor dem Priestertum gehabt; – beinahe zwingen hat man sie müssen.

Wie tief fällt der Priester, wenn er fällt, – kein Fehltritt ist bei ihm ohne Lebensgefahr.

Groß ist der Lohn und die Würde der getreuen, aber auch schrecklich die Strafe der ungetreuen Priester. Darum musst du in großer Furcht und Demut wandeln. Es erfülle dich mit heilsamem Schrecken der Name „Judas“. –

Das lernbegierige Volk drängte Jesum so, daß er in ein Schiff steigen musste, und von da aus das Volk lehrte. Er willfahrte also zwar ihrem Verlangen und lehrte sie, begab sich aber doch in einen solchen Stand gegen sie, daß er sich leichtlich, wenn er es für gut fand, ihnen wieder entziehen konnte. Eine gute Regel für den Priester. –

Derselbe soll seiner Bestimmung nach zugleich vor dem Volk sein; denn er ist ein Licht, das man nicht unter den Scheffel stellen darf; aber er soll auch zugleich vom Volk ausgeschieden sein. Wie viele werden, wenn sie sich zu sehr der Menge hingeben, von ihr, statt sie zu leiten, nicht nur gedrängt, sondern mit fortgerissen! –
aus: Friedrich Rinn SJ, Die ewigen Wahrheiten der geistlichen Übungen des heiligen Ignatius von Loyola, 1878, 1. Bd., S. 72 – S. 74

siehe auch den Beitrag: Pius XI. über die Sendung des Priesters

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