Heiligenkalender
6. Oktober
Heilige Maria Franziska von den fünf Wunden unseres Herrn
Aus dem dritten Orden der Alcantariner
bürgerlich Anna M. Nicoletta Gallo), hl. Alcantariner-Terziarin (seit 1731), * 25.3.1715 zu Neapel, † ebd. 6.10.1791; wurde mit 16 Jahren einem reichen Jüngling zur Ehe versprochen, wegen ihrer Weigerung vom leidenschaftlichen Vater schwer misshandelt, lebte später bei einer befreundeten Familie, die letzten 38 Jahre bei dem Priester Giov. Pesiri; von ihrer Umgebung und ihren Angehörigen viel verleumdet und verfolgt, mit körperlichen und seelischen Leiden heimgesucht, reich begnadigt (Visionen, mystische Sühneopfer für andere, stigmatisiert). 12.111843 selig, 29.6.1867 heilig gesprochen. Fest 6. Okt. (Buchberger, Bd. VI, 1934, Sp. 906/907)
Der Kreuzweg der hl. Maria Franziska
Es war nicht ohne Grund, daß Maria Franziska den Namen von den fünf Wunden des Herrn angenommen hatte, denn ihr ganzes Leben war eine beständige Betrachtung der heiligsten Wunden, aus der sie die Kraft schöpfte, die Leiden zu ertragen, die ihr die Bosheit der Menschen bereitete. Die hl. Veronika Giuliani war in ihrem Kloster zu Citta di Castello geschützt gegen die Ungewitter der Welt; außer den Prüfungen, denen die Klugheit ihrer Seelenführer sie zuweilen unterzog, hatte sie nur mystische Leiden zu erdulden, die wenn auch groß, doch sehr ruhmwürdig waren, und durch welche es dem Herrn gefiel, sie an den Verdiensten seines Leidens Teil nehmen zu lassen. Die hl. Maria Franziska dagegen teilte nicht nur die Qualen des Todeskampfes, der Dornenkrönung und des Kalvarienberges, sondern sie war auch in der ersten Hälfte ihres Lebens die Zielscheibe wollüstiger Leidenschaften und gehässiger Verfolgungen derer, die sie kannten. Gott vereinigte daher in ihr sowohl die tätigen als die beschaulichen Leiden, wenn man sich so ausdrücken darf, die Leiden der Erde und die Leiden des Himmels.
Wie wir bereits gesehen, bereitete sich Maria Franziska jeden Tag durch die Übung des hl. Kreuzweges auf dieselben vor; sie ging den heiligen Weg, den die allerseligste Jungfrau zuerst gegangen und litt gleich ihr im lebhaftesten Mitleid mit dem Gekreuzigten. In dem Schmerz, den sie dabei empfand, lehrte Gott sie den Mut finden, alle übrigen Leiden zu ertragen. Schon bei der zweiten oder dritten Station wurde der Schmerz so heftig, daß sie ohnmächtig zusammen sank. Oft beschädigte sie sich im Falle. Anfangs glaubte das Volk, es seien Krämpfe. Als man sie aber auf das Wort ihres Beichtvaters, den man herbeirief, zu sich kommen und die verrenkten Glieder mit einem Allen vernehmbarem Geräusch von selbst sich wieder einrichten sah, begriff man, daß die Gewalt des Leidens und der Liebe Ursache dieser Ohnmachten war.
Man fing daher an, Schwester Marie-Franziska als eine große Dienerin Gottes zu betrachten; sie aber bat Gott, sie dem Lobe der Welt zu entziehen; worauf sie jeden Freitag und namentlich an den Freitagen im März an ihrem Leibe die Schmerzen des bitteren Leidens empfand, nicht mehr öffentlich, sondern zur Zeit, wann sie in ihrer Wohnung war.
Wenn sie von der Kirche zurück gekehrt war, ergriff sie ihre Arbeit und während sie sich der Näh- oder Sticknadel bediente, sagte sie zu Schwester Maria Felix: „Sieh! so wurde das Haupt des liebenswürdigen Erlösers mit Dornen durchstochen.“ Tränen flossen ihr dann über die Wangen, während sie sich in diese Gedanken versenkte.
Anteil an den Leiden des Herrn. — Die Freitage im Monat März. – Die hl. Wundmale. — Besuch des heiligen Grabes.
Der Herr hatte seine Braut von Allem, was die Erde bietet, nur deshalb entblößt, um sie mit den wahren Gütern, den Verdiensten für das ewige Leben zu bereichern. Da sie nicht durch Predigt und andere Werke, zu denen die Frau nicht berufen ist, Seelen gewinnen konnte, ließ er sie auf die sicherste, schnellste und dem Hochmut am wenigsten unterworfene Weise, das ist durch den Schmerz, es tun und zwar durch jenes Leiden, das ihm das wohlgefälligste sein muss, insofern es beständig an das Leiden seines Sohnes erinnert. Wie bereits bemerkt, waren die Freitage Tage besondern Leidens für die Heilige, und sie steigerte es noch durch strenges Fasten.
Indes war es namentlich im Monat März und in der hl. Fastenzeit, daß sie an ihrem Leibe die Geheimnisse der Erlösung darstellte. Gleich nach Mitternacht hatte sie einen gallenbittern Geschmack im Munde. Am frühen Morgen empfing sie die hl. Kommunion und während sie ihr Dankgebet verrichtete, eröffnete ihr der Herr, an welchem seiner Leiden er sie werde Teil nehmen lassen. Darauf warf sie sich vor dem Kruzifix und vor der schmerzhaften Mutter Gottes nieder, waffnete sich mit dem hl. Kreuzzeichen und besprengte ihr Zimmer mit Weihwasser.
Der erste Freitag im März war dem Todeskampf des Erlösers in Gethsemane und den ersten Schmerzen seiner Gefangennehmung gewidmet. Fast plötzlich fühlte Maria Franziska alle ihre Kräfte schwinden, ihr Antlitz wurde leichenblaß, sie hörte und sah nicht mehr: man hätte sie für tot halten können. Ihre Arme, ganz auf den Rücken gebogen, waren so eng an einander geschlossen, daß sie wie mit Stricken zusammen gebunden schienen. In diesem Zustand verharrte sie mehrere Stunden, bis ihr Beichtvater oder ein anderer Priester von Mitleid gerührt, ihr den ausdrücklichen Befehl gab, die allerheiligste Dreifaltigkeit zu bitten, sie von dieser Qual zu befreien. Alsdann kehrten die Nerven allmählich in ihren gewohnten Zustand und die Schlüsselbeine unter großem Schmerz und mit wahrnehmbaren Geräusch der Knochen in ihre vorige Lage zurück.
Am zweiten Freitag litt Maria Franziska die Schmerzen der Geißelung, indem ihre Arme mit Gewalt nach vorne und gegen die linke Seite hin zusammen gepreßt waren.
Die Dornenkrönung, die am dritten Freitag stattfand, war ein sehr großer Schmerz, dem sie ohne besondern übernatürlichen Beistand unterlegen wäre. Ihr Hals sank so auf die Schultern zurück, daß das Kinn die Brust berührte; der Kopf schwankte, da er keine bestimmte Stütze mehr hatte, beständig hin und her. In der ersten Zeit, als der Herr sie an diesem Geheimnis Teil nehmen ließ, rannen vom Kopf dicke Blutstropfen herab, die ihre Haube durchnäßten. Don Giovanni Pesiri hatte drei ihrer Kopfbedeckungen aufbewahrt, die er von Pater Salvatore, einem der geistlichen Führer der Heiligen, erhalten hatte, und an denen die Blutspuren noch deutlich zu erkennen sind.
Am vierten Freitag, während der Kreuzigung, waren ihre Arme ausgebreitet, die Füße ausgestreckt; der rechte lag über dem linken, als ob beide angenagelt seien und nur Ein Ganzes bildeten. Zugleich hatte sie im Munde den Geschmack einer nicht zu beschreibenden Bitterkeit.
Am fünften endlich empfand sie den Todeskampf und die Qualen des Herrn vor seinem Verscheiden, so daß man jeden Augenblick glaubte, sie werde den Geist aufgeben.
Während sie so die Schmerzen des bittern Leidens duldete, hauchte ihr Leib einen lieblichen unvergleichlichen Wohlgeruch aus. Von allen Qualen blieb keine andere Spur zurück als die Wundmale, die der Herr ihr als Zeugnis ließ, daß die Braut gekreuzigt worden sei mit dem Bräutigam. Mehrere Personen sahen dieselbe, unter andern Pater Joseph Greco und Don Pasquale Nitti, der im Kanonisations-Prozess Folgendes aussagte:
„Ich habe die Wundmale, die sie an den Händen trug, gesehen, habe sie wie der Apostel Thomas berührt und, da die Wunde durch die Hand ging, gefühlt, wie mein Daumen und Zeigefinger sich begegneten. Was die Wunde an den Füßen und der Seite betrifft, so habe ich sie nicht gesehen, ich habe nur insofern Kenntnis davon, daß ich die Heilige in Kraft des heiligen Gehorsams aufforderte, mir zu sagen, was daran sei. Da aber die gute Maria Franziska Nichts sehnlicher wünschte, als sich gänzlich in Jesus Christus zu verbergen, so bat sie ihren göttlichen Bräutigam dringend, daß er ihre Wunden mit einer dünnen Haut bedeckte.“
Indessen wollte Don Pasquale sich auch davon überzeugen, er befahl ihr daher, ihre Hände vor ein Licht zu halten, wodurch man die Wunden [mitten durch die durchsichtige Haut, die sie bedeckte], sehen konnte.
Vom Gründonnerstag an nach ihrer Kommunion unter dem Hochamt, nahm die Heilige keinerlei Nahrung mehr zu sich bis zum Samstag. Diese heiligen Tage brachte sie damit zu, drei und dreißig sogenannte heilige Gräber zu besuchen zur Erinnerung an die drei und dreißig Jahre des Herrn. *) Don Giovanni Pesiri, der sie gewöhnlich begleitete, erzählt, daß sie auf dem Wege von einer Kirche zur andern ganz gebeugt gegangen sei, wie wenn sie eine ungeheure Last schleppe: es war das Kreuz des Herrn, das sie trug. An der Schwelle angekommen, bat sie ihren Schutzengel es ihr abzunehmen, nahm es aber jedes mal wieder auf die Schultern, wenn sie die Kirche verließ.
*) Am Karfreitag in den frühesten Morgenstunden besuchte sie sieben Gräber zum Andenken an die sieben Schmerzen der allerseligsten Jungfrau. Auch suchte sie zu erfahren, welcher Prediger die Passion predigte, und wohnte dann in Begleitung des Don Giovanni derselben an, der sie, wenn sie vor Schmerz ohnmächtig wurde, durch den heiligen Gehorsam wieder zu sich brachte.
Erscheinung des Erzengels Raphael. — Die Heilige empfängt die hl. Kommunion durch Vermittlung der Engel.
Eines Tages als der ehrwürdige Bianchi bei der hl. Maria Franziska eintrat, kam ihm ein ungemein lieblicher Wohlgeruch entgegen, der nur vom Paradies kommen konnte. Verwundert und entzückt fragte er sein Beichtkind, was dies sei. Die Heilige gestand, daß der Erzengel Raphael bei ihnen stehe, was den ehrwürdigen Priester mit wahrhafter Zerknirschung des Herzens und tiefer Ehrfurcht erfüllte.
Der hl. Erzengel, den die Kirche in ihren Offizien den Arzt Gottes nennt, beschützte ganz besonders die hl. Maria Franziska in ihren Krankheiten. Im J. 1789 erschien er ihr in wunderbarer Schönheit, um ihr zu sagen, daß er eben ihre Wunde an der Seite, in der sich der Krebs anzusetzen drohte, geheilt habe; in der Tat, am folgenden Tage war sie geheilt. Oft überbrachte er ihr die hl. Kommunion, wenn ihr leidender Zustand es unmöglich machte, sie in der Kirche zu empfangen. Der ehrwürdige Bianchi erzählt dies im Kanonisations-Prozess auf folgende Weise:
„Ihre glühende Liebe zum hl. Sakramente war so außergewöhnlich und so heldenmütig, daß sie, wohl ohne es zu überlegen, als ich sie im Laufe des Tages besuchte, mir mit der Bitte lästig wurde, ich möge ihr in einem Korporale eine geweihte Hostie bringen. Ich lachte über ein solches Ansinnen und trieb längere Zeit Scherz mit ihr, indem ich sie stets auf den folgenden Tag vertröstete. Endlich merkte sie es und sprach nicht mehr davon, oder, wenn ich mich nicht irre, bedauerte sie es, entweder bei dieser oder einer andern Gelegenheit, daß dem Christen nicht gestattet sei, mehrere Male im Tage zu kommunizieren.
Mit einem Wort, ihre Liebe zum hl. Sakrament war so heroisch, so glühend, und das Verlangen zu kommunizieren so außergewöhnlich, daß Gott sich herabließ, sie durch die Hände der Engel während meiner hl. Messe zu trösten, ja sie sogar an dem kostbaren Blut im Kelch Teil nehmen zu lassen. In der Tat nahm der Erzengel Raphael nach der Konsekration oder vor meiner Kommunion den Kelch vom Altare und ließ die Dienerin Gottes in ihrem Hause davon genießen. Zuweilen trank sie sehr wenig, kaum einige Tropfen, doch brauchte ich sie nur zu fragen, um mich der Sache zu vergewissern. Einmal als sie fast die Hälfte davon genommen, bemerkte ich selbst, daß ein großer Teil des hl. Blutes fehle. Nicht wenig überrascht, befragte ich sie über das, was mir eben begegnet, worauf sie mir antwortete: „Mein Vater, wenn der Erzengel Raphael mir nicht gesagt hätte, daß das hl. Opfer vollendet werden müsse, würde ich Alles getrunken haben.“
Ein anderes Mal trug sich dasselbe Wunder in veränderter Weise zu: durch die Vermittlung des Engels empfing sie den kleinen Teil der konsekrierten Hostie, den ich nach dem Ritus unserer heiligen römisch katholischen Kirche vor dem Agnus Dei in den Kelch fallen ließ. Nur selten bemerkte ich es, indem ich den genannten Teil der Hostie weder auf der Zunge noch im Gaumen fühlte; ich befragte dann die Dienerin Gottes, die mir versicherte, Gott habe sich herabgelassen, ihr ihn zu reichen. Am meisten verwunderte ich mich aber, daß ohne vorläufiges Verständnis zwischen mir und der erwähnten Dienerin Gottes, sie selbst an den Tagen, da das Wunder stattfand, mir entgegen kam, wenn ich sie besuchte, und mir erzählte, was ihr begegnet war.“ (*)
Auch Don Antonius Cervellini erzählt, daß als er während der hl. Messe die heilige Kommunion austeilend die hl. Hostie in seinen Fingern hielt und die Worte Ecce agnus Dei sprach, er die hl. Hostie plötzlich nicht mehr gesehen habe, so daß er fürchtete, er habe sie fallen lassen und darüber nicht wenig bestürzt war. Er suchte sie deshalb auf der Patene und auf dem Boden, ohne sie finden zu können, als die Heilige ihm ein Zeichen machte, daß sie dieselbe auf der Zunge habe. Franz Borelli, der ihm bei der hl. Messe diente, war Zeuge dieses Wunders, das früher schon in St. Giovanni der Florentiner vorgekommen war.
(*) Vgl. Analecta ibid. 2615.
Die hl. Maria Franziska wurde von Gregor XVI. selig und von Pius IX. heilig gesprochen.
aus: Abbé E. Daras, Die Heiligen und Seligen des achtzehnten Jahrhunderts, II. Band, 1873, S. 158 – S. 160; S. 172 – S. 175; S. 185 – S. 187