Heiligenkalender
12. Juni
Heiliger Johannes von Sahagún, Augustinermönch
Der heilige Johannes wurde in Spanien zu St. Facundo (Sahagún, das alte Saguntum) im Königreich Leon im Jahre 1419 als Sohn bürgerlicher und gottesfürchtiger Eltern. Seinen Beinamen hat er von seiner Geburtsstadt. Schon als Knabe predigte Johannes seinen kleinen Gefährten und vermittelte ihre Streitigkeiten. Seine wissenschaftliche Bildung empfing er bei den Benediktinern zu St. Facundo, ward Priester und erhielt späterhin vom Bischof von Burgos ein Kanonikat an seiner Kathedralkirche. Sein bisheriges Leben war nach dem gewöhnlichen Dafürhalten ganz untadelhaft; denn das Licht der göttlichen Gnade erleuchtete sein Herz.
Um ein wahrer Nachfolger Jesu zu werden, entsagte er zuerst dem Kanonikat und begab sich nach Salamanca, um dort in der Erkenntnis des Heils sich noch mehr zu vervollkommnen, und getreu nach der Lehre und dem Beispiel Jesu zu leben. Er oblag vier Jahre dem Studium der Theologie und war nebenbei in der Seelsorge tätig.
Nach einiger Zeit berief ihn Gott durch innerliche Einsprechung zu dem Predigtamt. Johannes gehorchte der Stimme Gottes und machte den Anfang in der Stadt Salamanca. In ihr wüteten damals die bösen Geister des Hasses und der Rachsucht. Zwei adelige Jünglinge hatten in einem Zank zwei andere Adelige ermordet. Die Mutter der zwei Ermordeten kleidete sich wie ein Soldat und verfolgte die zwei Mörder, welche sogleich die Flucht ergriffen hatten, mit einem Bedienten bis nach Portugal. Dort brachte sie beide um das Leben. Hierauf entstand eine entsetzliche Feindschaft zwischen den Verwandten des ersten und des zweiten Ermordeten. Einige Adelige hielten es mit jenen, andere mit diesen. Sie zogen sogar die Bürger an sich, so daß die Stadt in zwei feindliche Parteien geteilt war. Man ergriff beiderseits die Waffen, und es wurden bald einige von dieser, bald andere von jener Partei Partei verwundet oder getötet. Johannes war von Gott erwählt, den Frieden zu stiften. Er wagte sich bisweilen mitten unter die Bewaffneten, redete ihnen teils mit sanften, teils mit ernsthaften Worten ans Herz und ruhte nicht, bis er die Einigkeit vollkommen hergestellt hatte. Viel Gebet und viele Bußwerke opferte er Gott dem Herrn zu diesem Ende auf, hielt die nachdrücklichsten Predigten über die ewig unglückseligen Folgen der Feindschaft und setzte sein Leben mehrmals in die äußerste Gefahr, bis er endlich seine Absicht vollkommen erreichte. Dann erkrankte er und mußte sehr große Schmerzen erleiden. Die Ärzte erklärten, ihn nur durch eine schmerzvolle und gefährliche Operation retten zu können. Johannes gelobte nun, in einen geistlichen Orden zu treten, wenn diese Operation glücklich von statten gehen, und er die vollständige Gesundheit wieder erlangen würde. Gott erhörte sein Gebet; nun zögerte er nicht, sein Gelübde zu erfüllen, traf seine Wahl und trat zu Salamanca in den Orden der Eremiten des heiligen Augustin. Wie eifrig er sein Probejahr zugebracht habe, kann man daraus schließen, weil er bald darauf zum Novizenmeister und in der Folge selbst zum Prior erwählt wurde. Auch im Ordensstand fuhr er zu predigen fort , um so Gott Seelen zu gewinnen. Der heilige Prediger wurde zwar wegen seiner Freimütigkeit in Bestrafung der Laster vielfältig beschimpft und verfolgt, ließ sich aber nicht stören. Einen Herzog, der ihm die Freimütigkeit mit zornigen Worten und strengen Drohungen verwies, sagte er: „Durchlauchtigster Herzog, wisset, daß ein Prediger kein Bedenken tragen darf, die Wahrheit zu sagen, wenn er dieselbe auch mit dem Leben bezahlen müßte.“ Mehrmals waren wirklich einige bestellt, welche dem Heiligen auflauern und ihn mißhandeln sollten. Gott fügte es aber, daß dieselben bei der Ankunft des Heiligen entweder keinen Schritt weiter fortgehen, oder keine Hand wider ihn bewegen konnten, bis sie ihre Bosheit erkannt und um Verzeihung gebeten hatten.
Diesen göttlichen Schutz sowohl, als den größten Nutzen seiner Predigten erlangte der heilige Johannes durch sein vieles und eifriges Gebet, wozu er auch einen großen Teil der Nacht verwendete, durch die Strenge im Fasten und durch die große Sorgfalt, sein Gewissen auch von den geringsten Makeln der Sünde rein zu halten oder wieder zu reinigen. Daher beichtete er fast täglich; und als man dieses mißbilligte, sprach er: „Ich bin keinen Tag, keine Stunde sicher, daß ich nicht zu dem Richterstuhl Gottes abgefordert werde, strenge Rechenschaft über mein Verhalten zu geben. Ich sehe, daß bald einer plötzlich dahin stirbt, ein anderer in der Krankheit von Sinnen kommt; daher befleiße ich mich, immer bereit zu sein. Ich beichte oft, weil ich oft sündige.“ So sprach der demütige Diener Gottes, der sein Gewissen nie mit einer schweren Sünde belastet haben soll. Zu dem heiligen Messopfer bereitete er sich mehrere Stunden vor und verrichtete es fast nie ohne Tränen. Oft hatte er die Gnade, zur Zeit der heiligen Messe Christus den Herrn, die jungfräuliche Mutter und andere Heilige sichtbar zu erblicken und von ihnen die heilsamsten Unterweisungen zu empfangen.
Gott der Herr verlieh ihm auch nebst vielen anderen besonderen Gnaden die Gabe, künftige Dinge vorher zu sagen und das Innerste der Herzen zu erkennen. Im Wintermonat wurde bei St. Lazarus ein großes Fest jenseits der Brücke gehalten. Der Heilige fürchtete, es könnte infolge der bereits erwähnten Erbitterung jemand durch Zank und Streit eine neue Uneinigkeit veranlassen. Daher ließ er bei der Brücke eine Kanzel errichten und ermahnte alle zur Beobachtung der Liebe und Einigkeit, mit dem Zusatz: „Ich sage euch hiermit vorher, daß derjenige, welcher aus euch sich erkühnen wird, den Degen zu ziehen, solches gleich mit seinem Leben werde bezahlen müssen. Seid ruhig, damit keiner aus euch eine Beute des Todes und der Hölle werde.“ Ungeachtet dieser liebevollen Warnung erkühnte sich dennoch ein Jüngling, mit einem andern zu streiten und dann den Degen wider ihn zu ziehen. Er mußte aber auf der Stelle die Wahrheit der von dem heiligen geschehenen Weissagung zu seinem eigenen Schaden erfahren, indem er auf demselben Platz ermordet wurde. Eine Weibsperson wollte ihm die Hand küssen. Der Heilige zog selbe mit Gewalt zurück mit den Worten: „Ich will meine Hand derjenigen nicht reichen, die wirklich den Teufel im Herzen trägt.“ Das Weib wollte wissen, warum er dies gesagt habe; da antwortete er: „Ich weiß wohl, daß du deine Tochter um das Leben bringen willst, weil sie im ledigen Stande Mutter geworden ist.
Der heilige Johannes hatte durch eine Predigt einen Jüngling, der lange Zeit in einer sündhaften Freundschaft mit einer unlauteren Weibsperson gelebt hatte, zur Buße bewogen. Das gottlose Weib schwur ihm Rache und Gott ließ es zu, daß sie ihm wirklich Gift beibrachte, woran er langsam auszehrte und ganz entkräftet wurde. Der Heilige betrübte sich mehr über die begangene Sünde, als über seinen schmerzhaften Zustand. Er bereitete sich mit aller Sorgfalt zum Empfang der heiligen Sakramente vor und gab seinen Geist auf den 12. Juni im Jahre 1479 zu der Zeit, da man das Zeichen zum englischen Gruß gab. Bei seinem Grabe wirkteGott durch seine Fürbitte viele wunderbare Heilungen. Er wurde vom Papst Alexander der VIII. 1690 heilig gesprochen. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 437 – S. 439